Ernst Deutsch

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Daten zur Person
Personenname Deutsch, Ernst
Abweichende Namensform Ernest Dorian
Titel Kammerschauspieler
Geschlecht männlich
PageID 3570
GND 118678019
Wikidata Q86367
Geburtsdatum 16. September 1890
Geburtsort Prag
Sterbedatum 22. März 1969
Sterbeort Berlin-West
Beruf Schauspieler
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Theater, Burgtheater (Institution), Burgtheatergalerie, Schauspieler, Residenzbühne
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 13.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof Neuer jüdischer Friedhof Berlin
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Preis der Biennale Venedig (Verleihung: 1948)
  • Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold (Verleihung: 7. Oktober 1960)
  • Josef Kainz-Medaille der Stadt Wien (Übernahme: 20. September 1962)
  • Goldener Rathausmann (Verleihung: 1965)

Ernst Deutsch, * 16. September 1890 Prag, † 22. März 1969 Berlin-West, Schauspieler.

Biografie

Ernst Deutsch war der Sohn des jüdischen Prager Kaufmanns Ludwig Deutsch und dessen Frau Louise, geborene Kraus. Er absolvierte das Altstädter Gymnasium in Prag und bildete mit Franz Werfel, Willy Haas und anderem einen Freundeskreis, der sich im Café Arco traf und den Werfel in der Novelle "Der Abituriententag" porträtierte. Als junger Mann war Deutsch einer der besten Tennisspieler Österreich-Ungarns. Deutsch war seit 1922 mit Anuschka, geborene Fuchs, verheiratet, die aus dem gleichen Prager Milieu des deutschsprachig-jüdischen Bürgertums stammte.

Ernst Deutsch etablierte das expressionistische Drama auf den deutschsprachigen Bühnen, war in über 60 Filmproduktionen, vom expressionistischen Stummfilmkino bis zu Nachkriegsklassikern wie "Der dritte Mann", zu sehen und überwältigte das deutschsprachige Publikum nach der Rückkehr aus dem Exil mit seiner Darstellung jüdischer Hauptfiguren der klassischen Theaterliteratur.

Ernst Deutschs Karriere als Schauspieler ist eng mit Wien verbunden, wo er 1912/1913 das Konservatorium der Stadt Wien besuchte. Berthold Viertel engagierte ihn 1913 für die Wiener Freie Volksbühne, wodurch er ein Ensemblekollege von Fritz Kortner wurde. Deutsch verkehrte mit Größen der Wiener Moderne wie Peter Altenberg, Karl Kraus und Alfred Polgar, außerdem lernte er hier den jungen Walter Hasenclever kennen, dessen Drama „Der Sohn“ (1914) grundlegend für Deutschs Ruf als der expressionistische Schauspieler schlechthin werden sollte. Deutsch spielte die Titelfigur des Stücks erstmals 1916 am Albert-Theater in Dresden unter der Leitung von Adolf Edgar Licho und wurde für seine Darstellung, die hitziges Pathos mit kühler Nüchternheit vermischte, einhellig gefeiert. Dem Intendanten Licho verdankte Deutsch, nicht als Soldat im Ersten Weltkrieg eingezogen zu werden, weil dieser seinen Jungstar für das Theater reklamierte. Seine „Ur-Rolle“, wie Georg Zivier den Hasenclever’schen Sohn in seinem biographischen Bildband nannte (Zivier, S. 26), gab Deutsch ein weiteres Mal 1918 in Berlin, als er bereits an den Reinhardt-Bühnen engagiert war, und 1923 bei einem Gastspiel in Wien. In der Zeit vor der ersten Emigrations-Etappe 1933 war Deutsch in modernen Stücken von Henrik Ibsen, G. B. Shaw, August Strindberg oder Franz Werfel zu sehen, genauso wie in den Klassikern von Shakespeare (den Hamlet spielte er 1926 in Hamburg), Goethe und Schiller. Deutsch wurde auch früh für die Leinwand entdeckt und debütierte 1916 in dem Stummfilm "Die Rache der Toten"; in dem expressionistischen Stummfilm-Klassiker "Der Golem, wie er in die Welt kam" (1920) spielte Deutsch den Gehilfen von Rabbi Löw.

Im April 1933, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland, verließen Ernst und Anuschka Deutsch Berlin, reisten – als tschechoslowakische Staatsbürger – vorerst nach Prag und gingen im Jahr darauf nach Wien. Von Wien ausgehend, unternahm Deutsch zusammen mit Alexander Moissi und Albert Bassermann eine "Don-Carlos"-Tournee, die durch Österreich, die Schweiz sowie nach Holland, Skandinavien und Jugoslawien führte. 1938 immigrierte Deutsch schließlich mit seiner Frau in die USA, nachdem ihm der Theatermanager Gilbert Miller ein Angebot für den Broadway gemacht hatte. 1939 ging er nach Hollywood, erhielt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und war unter dem Künstlernamen Ernest Dorian als Filmschauspieler tätig, der bevorzugt für Nazi- und Offiziersrollen eingesetzt wurde. Über Buenos Aires, Paris und die Schweiz kehrte Deutsch im Jahr 1947 nach Wien zurück und wurde ins Ensemble des Burgtheaters aufgenommen. Der Anlass für Deutschs Rückkehr nach Europa war das Angebot des Regisseurs G. W. Papst gewesen, die Hauptrolle in dem Spielfilm "Der Prozeß" zu übernehmen. Deutsch erhielt für seine Darstellung eines jüdischen Tempeldieners, der sich und seine Gemeinde antisemitischer Verleumdung und Verfolgung ausgesetzt sieht, den Preis der Biennale in Venedig 1948. In "Der dritte Mann" (1949) ist Deutsch in der Nebenrolle des Baron Kurtz zu sehen.

Auf den europäischen Theaterbühnen wurde Deutsch nach seiner Rückkehr enthusiastisch begrüßt. Dem Wiener Publikum zeigte er sich als erstes in der Rolle des Professor Bernhardi in Arthur Schnitzlers gleichnamigen Stück (1947). In die Theatergeschichte der Nachkriegszeit schrieb er sich aber besonders mit seiner Darstellung zweier anderer jüdischer Hauptfiguren ein: nämlich von Lessings Nathan (Berlin, 1955) und Shakespeares Shylock in "Der Kaufmann von Venedig" (Düsseldorf, 1957). Bei beiden Inszenierungen, mit denen das Ensemble in den folgenden Jahren auf Tournee ging, führte Karl-Heinz Stroux Regie, der Deutsch 1950 wieder nach Berlin geholt hatte. Deutsch starb in West-Berlin, mit bedeutenden Auszeichnungen geehrt, im Jahr 1969.

Quellen

Literatur

  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Herbert Holba / Günter Knorr / Peter Spiegel: Reclams deutsches Filmlexikon. Filmkünstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stuttgart: Reclam 1984
  • Wilhelm Kosch: Deutsches Theaterlexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Band 1,1 (A-Eisenbart). Wien: F. Kleinmayr 1953
  • Kürschners biographisches Theater-Handbuch. Hrsg. von Herbert A. Frenzel [u.a.]. Berlin: de Gruyter 1956
  • Katharina Prager: Berthold Viertel. Eine Biografie der Wiener Moderne. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2018
  • Joachim Reichow / Michael Hanisch: Filmschauspieler A-Z. Berlin: Henschel 1971, S. 110 f.
  • Werner Röder [Hg.]: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. München: Saur 1980
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980-1999
  • Herwig Rischbieter [Hg.]: Theater-Lexikon. Zürich: Orell Füssli 1983
  • Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974 - lfd.
  • György Sebestyén: Burgtheater-Galerie. 148 Künstlerporträts der "Ehrengalerie" des Wiener Burgtheaters nach Aufnahmen von Csaba Tarcsay. Mit einer historisch-biographischen Dokumentation von Konrad Schrögendorfer. Wien: Edition Tusch 1976, S. 151
  • Robert Teichl: Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen. Wien: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1951
  • Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich: Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982, S. 250 f.
  • Hugo Zehder: Ernst Deutsch. Berlin: Rembrandt-Verlag 1960
  • Georg Zivier: Ernst Deutsch und das deutsche Theater. Berlin: Haude & Spener 1964

Weblinks