Joseph Roth

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Daten zur Person
Personenname Roth, Joseph
Abweichende Namensform Roth, Moses Joseph; Roth, Józef
Titel
Geschlecht männlich
PageID 29027
GND 118603140
Wikidata Q78509
Geburtsdatum 2. September 1894
Geburtsort Brody 4368821-4
Sterbedatum 27. Mai 1939
Sterbeort Paris 4044660-8
Beruf Schriftsteller, Journalist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Leo Baeck Institute Center for Jewish History
Objektbezug Zwischenkriegszeit, Ukrainer
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof Cemetière parisien de Thiais (Paris)
Grabstelle
  • 20., Wallensteinstraße 14 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Joseph Roth, * 2. September 1894 Brody (Ostgalizien, Ukraine), † 27. Mai 1939 Paris, Schriftsteller, Journalist.

Biografie

Joseph Roth wurde als Kind jüdischer Eltern in Brody im damals österreichisch-ungarischen Ostgalizien geboren. Der Vater Nachum Roth, ein Getreideeinkäufer und Holzhändler, verließ seine Frau Maria Roth, geborene Grübel, während der Schwangerschaft und starb 1910 nach jahrelanger psychischer Krankheit.

Roth besuchte nach der jüdischen Gemeindeschule in Brody das dortige deutschsprachige Gymnasium, das er im Mai 1913 mit ausgezeichneter Matura abschloss. Das folgende Wintersemester studierte er an der Universität in Lemberg, übersiedelte aber bald nach Wien, an dessen Universität er im Sommersemester 1914 Philosophie und Germanistik inskribierte.

In einem Anflug patriotischer Gesinnung meldete sich Joseph Roth 1916 freiwillig an die Front. Im August desselben Jahres rückte er als Einjährig-Freiwilliger im 21. Feldjäger-Bataillon ein, wurde dann allerdings im Pressedienst eingesetzt, zuerst im schwer umkämpften Galizien, danach in Wien. Nach Kriegsende und dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie erlernte er das journalistische Handwerk in der Redaktion der neu gegründeten Wiener Tageszeitung "Der Neue Tag", in der am 20. April 1919 sein erstes Feuilleton erschien.

Nachdem die Zeitung ein Jahr darauf eingestellt wurde, übersiedelte Roth nach Berlin und schrieb vor allem für deutsche Periodika, darunter die "Neue Berliner Zeitung" und der "Berliner Börsen-Courier". Er lieferte soziale Reportagen über Kriegsversehrte, Arbeits- und Obdachlose, Schieberwesen und Polizeiwillkür. 1922 begann seine Mitarbeit am "Vorwärts", dem "Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", in dem er die Beiträge gelegentlich mit "Der rote Joseph" zeichnete. 1924/1925 brachte das republikanische Witzblatt "Lachen links" satirische Gedichte und Feuilletons aus Roths Feder.

Ab 1923 trat Roth mit größeren erzählerischen Werken hervor. In ihnen legte er Analysen des autoritären Charakters vor, basierend auf einer tiefen Skepsis gegenüber abstrakten Heilslehren. Thematisch stehen diese "Zeitungsromane" den zeitgleich entstandenen journalistischen Arbeiten nahe. Den Anfang machte "Das Spinnennetz", die Geschichte eines jungen nationalsozialistischen Parteigängers, die 1923 als Fortsetzungsroman in der Wiener "Arbeiterzeitung" erschien. Es folgten die Romane "Hotel Savoy" und "Die Rebellion", die beide 1924 im "Vorwärts" vorabgedruckt wurden.

Zugleich trieb Roth seine journalistische Karriere voran: 1923 heuerte er sowohl beim "Prager Tagblatt" als auch bei der renommierten "Frankfurter Zeitung" an. Letztere setzte ihn 1925 als Feuilleton-Berichterstatter in Paris ein; es folgten mehrere Reportage-Reisen, aus denen Artikelfolgen wie "Reise in Rußland", "Reise nach Albanien", "Briefe aus Polen" oder "Das vierte Italien" hervorgingen. Seine Feuilletons machten Roth zu einem der angesehensten Journalisten im Deutschland der 1920er Jahre.

Die Geldprobleme, die ihn trotz hoher Honorare plagten, resultierten aus seinem von jahrelanger Alkoholsucht geprägten Lebenswandel und aus seiner Freigebigkeit, sobald Geld vorhanden war. Darüber hinaus brach bei Roths Frau Friederike 1929 eine schwere psychische Krankheit aus, die als Schizophrenie diagnostiziert und somit als unheilbar eingestuft wurde. Für die Kosten der medizinischen Behandlung musste Roth bis 1935 aufkommen. Im Juli 1940, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, wurde Friederike Roth in der "Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke" in Niedernhart bei Linz ermordet.

Kurz vor dem psychischen Zusammenbruch seiner Frau schrieb Roth den Roman "Hiob" (1930), mit dem er vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenschreiber zum erfolgreichen Romancier avancierte. 1932 erschien schließlich mit "Radetzkymarsch" jenes Werk, das Roth weithin berühmt machte. Es schildert den allmählichen Verfall der österreichisch-ungarischen Monarchie exemplarisch anhand dreier Generationen der Familie Trotta, von der Schlacht bei Solferino im Jahr 1859 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs. "Radetzkymarsch", der erzählerisch daran anschließende Roman "Die Kapuzinergruft" (1938) sowie die Novelle "Die Büste des Kaisers" (1935) veranschaulichen beispielhaft die von Claudio Magris entwickelte Theorie des "habsburgischen Mythos in der österreichischen Literatur".

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland Ende Jänner 1933 verließ Roth Berlin und entschied sich für ein Emigrantenleben, währenddessen er immer wieder seinen Aufenthaltsort wechselte. Er hielt sich in Südfrankreich, der Schweiz, in Österreich, Belgien und Holland auf, besuchte Amsterdam, wo die für das deutschsprachige Exil zentralen Verlage Querido und Allert de Lange ihren Sitz hatten. Hauptsächlich wohnte Roth aber während seiner letzten Lebensjahre in Pariser Hotels. Die wichtigsten Freunde jener Zeit waren die Schriftsteller Soma Morgenstern und Stefan Zweig; mit der Schriftstellerin Irmgard Keun führte er von 1936 bis 1938 eine Liebesbeziehung.

Joseph Roth, dessen stärkste Erlebnisse der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie waren, gehört zu den bedeutendsten Erzählern der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Noch unter den widrigsten Lebensumständen im Exil schuf er meisterhafte Werke wie etwa die Novelle "Die Legende vom heiligen Trinker". Roth starb, nachdem er ob der Nachricht von Ernst Tollers Selbstmord zusammengebrochen war, am 27. Mai 1939 in einem Armenspital in Paris.

2001 wurde im 2. Wiener Gemeindebezirk die Joseph-Roth-Gasse nach dem Autor benannt.

Werke (Auswahl)

  • Joseph Roth: Die Rebellion. Ein Roman. Berlin: Verlag Die Schmiede 1924
  • Joseph Roth: April. Die Geschichte einer Liebe. Berlin: Dietz 1925
  • Joseph Roth: Der blinde Spiegel. Ein kleiner Roman. Berlin: Dietz 1925
  • Joseph Roth: Die Flucht ohne Ende. Ein Bericht. München: Wolff 1927
  • Joseph Roth: Juden auf Wanderschaft. Berlin: Verlag Die Schmiede 1927
  • Joseph Roth: Zipper und sein Vater. Roman. München: Wolff 1928
  • Joseph Roth: Rechts und links. Roman. Berlin: Kiepenheuer 1929
  • Joseph Roth: Panoptikum. Gestalten und Kulissen. München: Knorr und Hirth 1930
  • Joseph Roth: Hiob. Roman eines einfachen Mannes. Berlin: Kiepenheuer 1930
  • Joseph Roth: Radetzkymarsch. Roman. Berlin: Kiepenheuer 1932
  • Joseph Roth: Der Antichrist. Amsterdam: De Lange 1934
  • Joseph Roth: Tarabas. Ein Gast auf dieser Erde. Roman. Amsterdam: Querido 1934
  • Joseph Roth: Beichte eines Mörders. Erzählt in einer Nacht. Amsterdam: De Lange 1936
  • Joseph Roth: Die hundert Tage. Roman. Amsterdam: De Lange 1936
  • Joseph Roth: Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eichmeisters. Amsterdam: Querido 1937
  • Joseph Roth: Die Kapuzinergruft. Roman. Bilthoven: De Gemeenschap 1938
  • Joseph Roth: Die Geschichte von der 1002. Nacht. Roman. Bilthoven: De Gemeenschap 1939
  • Joseph Roth: Die Legende vom heiligen Trinker. Amsterdam: De Lange 1939
  • Joseph Roth: Der Leviathan. Amsterdam: Querido 1940

Literatur

  • Heinz Lunzer / Victoria Lunzer-Talos: Joseph Roth. Leben und Werk in Bildern. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
  • Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
  • Reinhard Baumgart: Auferstehung und Tod des Joseph Roth. Drei Ansichten. München / Wien: Hanser 1991 (Edition Akzente)
  • Wolfgang Müller-Funk: Joseph Roth. München: Beck 1989 (Beck'sche Reihe, 613: Autorenbücher)
  • Helmut Nürnberger: Joseph Roth. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1981

Weblinks