Anton Josef Gruscha

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Anton Gruscha
Daten zur Person
Personenname Gruscha, Anton Josef
Abweichende Namensform Gruscha, Antonius Joseph
Titel Kardinal
Geschlecht männlich
PageID 28863
GND 128447605
Wikidata Q89523
Geburtsdatum 3. November 1820
Geburtsort Wien
Sterbedatum 5. August 1911
Sterbeort Kranichberg, Niederösterreich
Beruf Priester, Erzbischof
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Erzdiözese Wien, Erzdiözese, katholische Kirche, Katholiken, Bistum, Erzbistum, Österreichische Bischofskonferenz
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 10.05.2023 durch DYN.kroellnicole
Begräbnisdatum
Friedhof Barbarakapelle, St. Stephan
Grabstelle
Bildname Antongruscha.jpg
Bildunterschrift Anton Gruscha

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Fürsterzbischof von Wien (24. Jänner 1890, bis: 5. August 1911, Namensgeber des Gruschaplatzes)
  • Kardinal (Verleihung: 1891)

Gruscha Anton Josef, * 3. November 1820 Wien, † 5. August 1911 Kranichberg, Niederösterreich (Barbarakapelle, St. Stephan), Fürsterzbischof von Wien, Kardinal.

Werdegang

Anton Joseph Gruscha wurde am 3. November 1820 in eine kleinbürgerliche Familie (Vater Schneider, Mutter Stubenmädchen) in Wien geboren. Nach dem Besuch des Wiener Akademischen Gymnasiums trat er 1838 in das Wiener Alumnat ein und studierte an der Universität Wien Theologie (Promotion 1849). An Sonn- und Feiertagen erteilte er während der Studienzeit an Wiener Pfarrkirchen und am Stephansdom katechetischen Unterricht und wirkt als Diakon in der Landpfarre Pillichsdorf (Niederösterreich). Nach der Priesterweihe am 4. Mai 1843 übte er die Funktion eines Kaplans in Pillichsdorf aus. 1846 wurde er nach St. Leopold in die Wiener Vorstadt versetzt.

In den Revolutionswirren von 1848 stellte sich Gruscha auf die Seite jener Priester, die sich unter seinem Freund Sebastian Brunner am Protest gegen Erzbischof Milde und seiner Anordnungen gegen die politische und publizistische Betätigung des Klerus beteiligten. In der politischen Auseinandersetzung stellte sich Gruscha auf die Seite der konstitutionellen Monarchie und ließ sich im August 1848 sogar als Ehrengardist in die Nationalgarde eingruppieren. Ab 1851 fungierte Gruscha als Religionsprofessor am Theresianum.

Katholisches Vereins- und Pressewesen

1852 bestellte ihn der Gründungsvater des Katholischen Gesellenvereins Adolph Kolping (1813-1865) bei seinem Wien-Aufenthalt zum Präses des Wiener Gesellenvereins ("Vater Gruscha"). Der Hauptverein in Wien-Gumpendorf mit 39 Mitgliedern wurde im Mai 1852 gegründet. Der hierarchische Aufbau der österreichischen Kolpingbewegung wurde dabei zum Vorbild für die Struktur des katholischen Vereinswesens.

Ab 1865 übernahm er für drei Jahre die Verantwortung für die seit 1849 erscheinende katholische Zeitung „Österreichischer Volksfreund“, ein konservativ-katholisches Blatt, das vom Severinusverein herausgegeben wurde.

Redetätigkeit

Gruscha trat als Redner im Severinusverein, in der Michaelerbruderschaft und bei Katholikentagen hervor, auf denen er gerne das politische Zeitgeschehen in Österreich interpretierte und pronociert antiliberale, antisozialistische und antikommunistische Ideen vertrat. Ab 1855 wurde Gruscha von Kardinal Rauscher zum Domprediger von St. Stephan berufen, 1871 wurde er auch ins Wiener Domkapitel aufgenommen.

Fürsterzbischof

Erst nach dem Tod von Fürsterzbischof Ganglbauer wurde Gruscha am 24. Jänner 1890 zum Fürsterzbischof von Wien nominiert. Die päpstliche Verleihung erfolgte am 23. Juni 1890, am 6. Juli fand die Inthronisation statt. Am 1. Juni 1891 wurde Gruscha zum Kardinal kreiert. Als Bischof hatte er die undankbare Aufgabe, die radikalen und antisemitischen Strömungen in der Christlichsozialen Partei zu bekämpfen. Es kam zu einem Konflikt zwischen den Bischöfen und den Christlichsozialen, in den sich auch Papst Leo XIII. einschaltete.

Weitere Tätigkeiten

1862 wurde er zum Professor der Pastoraltheologie an der Universität Wien berufen. Von 1866 bis 1867 bekleidete er das Amt des Dekans der Theologischen Fakultät. Am 19. Jänner 1878 wurde Gruscha von Kaiser Franz Joseph I. zum Apostolischen Feldvikar der k.k. österreichischen Armee ernannt, nachdem er sich bereits als Pastoraltheologe mit Fragen der Militärseelsorge beschäftigt hatte. Gruscha war auch Beichtvater von Kaiserin-Witwe Karolina Augusta, zu deren Familienessen er mitunter eingeladen war. 1899 wurde Gruscha Leiter der Österreichischen Bischofskonferenz.

Er war der Wegbereiter einer neuen Epoche, vertrat die Auffassung, dass die Kirche auch ohne Schützenhilfe einer Partei oder der Staatsgewalt ihre Aufgaben erfüllen könnte. Gruscha kümmerte sich neben den Gesellenvereinen auch um das übrige katholische Vereinsleben und den Wiener Kirchenbau. Er zählt auch zu den Unterstützern des Katholischen Wohltätigkeitsverbandes für Niederösterreich. Wegen seines hohen Alters wurde er in der Diözese längere Zeit durch Weihbischof Marschall und ab 1909 durch einen Koadjutor unterstützt.

Politische Positionierung

In der Auseinandersetzung mit der Christlichsozialen Partei in der sogenannten "sozialen Frage" suchten die Bischöfe der österreichischen Bischofskonferenz, darunter auch der Wiener Bischof Gruscha, Unterstützung bei Papst Leo XIII. in Rom. Das dieser jedoch eher die Christlichsoziale Partei in Österreich unterstützte, akzeptierte Gruscha schließlich 1896 den Erfolg der Christlichsozialen und spendete öffentlich für deren Wahlfonds.

Kirchenbau und Pfarrgründungen

1893 wurde von der niederösterreichischen Statthalterei eine neue Kommission zwecks Planung und Durchführung von Pfarren und Kirchenbauten errichtet, in denen Vertreter der Stadt Wien, des erzbischöflichen Ordinariats und des Wiener Kirchenbauvereins die Ziele zur Deckung des dringendsten Bedarfs definierten.

Trotz diverser rechtlich und verwaltungstechnisch begründeter Verzögerungen konnte Gruscha in seiner Amtszeit neue Kirchen erbauen lassen. Nach dem Vorbild von Prag wurde das Modell von Notkirchen und Notgottesdiensten in Wien von Weihbischof Godfried Marschall (1840-1911) umgesetzt. Das von ihm gegründete Komitee und damit verbundener Aufruf an alle Katholiken ließ reichliche Zuwendungen und Privatspenden heranwachsen. Auf diese Weise konnten die Kirchen "Zur Unbefleckten Empfängnis Mariens" (1905) in der neu gegründeten Pfarre Neumargareten (12. Bezirk) und "Zu allen Heiligen" in der nun entstandenen Pfarre Zwischenbrücken (20. Bezirk) innerhalb eines halben Jahres vollendet werden. 1901 erfolgte die Einweihung von St. Anton in Favoriten. Durch die Kirchenneubauten und Pfarrgründungen suchte die katholische Kirche gezielt ihre Seelsorge auch in die neu entstandenen Wohngebiete der Arbeiterinnen und Arbeitern zu expandieren, dadurch ihren Einflussbereich zu sichern und zu erweitern und die neuen sozialen Gruppen möglichst an die Institution der katholischen Kirche zu binden.

Tod

Am 5. August 1911 stirbt Gruscha auf Schloss Kranichberg, dem Sommersitz der Erzbischöfe. Er wird in der Barbarakapelle des Stephansdomes beigesetzt und 1982 in die Bischofsgruft übertragen.

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, Register
  • Ferdinand Bischof: Kardinal Gruscha und die soziale Frage. Diss. Univ. Wien. Wien 1959
  • Helmut Butterweck: Österreichs Kardinäle. Von Anton Gruscha bis Christoph Schönborn. Wien: Ueberreuter 2000, S. 34f., 39, 47
  • Felix Czeike: Partei, Christlichsoziale. In: Historisches Lexikon Wien in 5 Bänden, Bd. 4. Wien: Kremayr & Scheriau 1995, S. 495f.
  • Erwin Gatz: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon. Band 1: 1785/1803-1945. Berlin: Duncker & Humblot 1983, S. 269 ff.
  • Franz Loidl: Geschichte des Erzbistums Wien. Wien: Herold, 1983, S. 264-277, 281-287
  • Franz Loidl / Martin Krexner: Wiens Bischöfe und Erzbischöfe. Wien: Schendl 1983, S. 80 f.
  • Johannes Messner: Franz Martin Schindler. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 10. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Redaktion Peter Csendes. Wien: Verlag der ÖAW 1994, S. 150
  • Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 31
  • Neue Freie Presse. Wien, 06.8.1911
  • Neue österreichische Biographie. Band 15. 1815 – 1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1963
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
  • Otto Posch: Anton Josef Gruscha und der österreichische Katholizismus. Diss. Univ. Wien. Wien 1947
  • Walter Sauer: Katholisches Vereinswesen in Wien. Zur Geschichte des christlich-sozial-konservativen Lagers vor 1914. Salzburg: Neugebauer (Geschichte und Sozialkunde, Forschungen 5), S. 54f., 215, 251, 257
  • Michaela Sohn-Kronthaler: Die Entwicklung der Österreichischen Bischofskonferenz. Von den ersten gesamtbischöflichen Beratungen 1849 bis zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils. In: 150 Jahre Österreichische Bischofskonferenz 1849-1999. Hg. vom Sekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz. Wien: Selbstverlag 1999, S. 33-95, hier: S. 46-47
  • Michaela Sohn-Kronthaler: Feminisierung des kirchlichen Personals? Entwicklungen und Beobachtungen am Beispiel religiöser Frauengenossenschaften in österreichischen Diözesen im langen 19. Jahrhundert. In: Feminisierung oder (Re-)Maskulinisierung der Religion im 19. und 20. Jahrhundert: Forschungsbeiträge aus Christentum, Judentum und Islam. Hg. von Michaela Sohn-Kronthaler, Wien: Böhlau 2016, S. 86, 90-93
  • Johann Weißensteiner: Großstadtseelsorge in Wien. Zur Pfarrentwicklung von der josephinischen Pfarrregulierung bis in das 20. Jahrhundert. In: Seelsorge und Diakonie in Berlin. Beiträge zum Verhältnis von Kirche und Großstadt im 19. und beginnendem 20. Jahrhundert. Hg. von Kaspar Elm und Hans-Dietrich Loock. Berlin: De Gruyter 1990, S. 112, 118, 120f.
  • Wiener Diözesanblatt 49 (1911)
  • Josef Wodka: Kirche in Österreich. Wegweiser durch ihre Geschichte. Wien: Herder 1959, S. 343-357
  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 188
  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, 06.08.1911