Hansi Niese

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Hansi Niese (um 1904)
Daten zur Person
Personenname Niese, Hansi
Abweichende Namensform Niese, Johanna; Niese-Jarno, Johanna
Titel Volksschauspielerin
Geschlecht weiblich
PageID 20574
GND 117016705
Wikidata Q85838
Geburtsdatum 10. November 1875
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 4. April 1934
Sterbeort Wien 4066009-6
Beruf Schauspielerin, Sängerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Zwischenkriegszeit, Theater, Operette, Schwenders Vergnügungsetablissement, Raimundtheater (Institution), Theater in der Josefstadt (Institution), Lustspieltheater, Fürsttheater, Schauspielerin, Sängerin, Hansi-Niese-Denkmal
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 7.02.2024 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum 12. April 1934
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 14C, Nummer 4
Bildname hansiniese.jpg
Bildunterschrift Hansi Niese (um 1904)
  • 6., Kollergerngasse 3 (Geburtsadresse)
  • 9., Mariannengasse 20 (Sterbeadresse)
  • 13., Speisinger Straße 28 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Ehrenmitglied des Österreichischen Bühnenvereins (Verleihung: Februar 1913)

Rollenfoto von Hansi Niese als Wäschermädel in der gleichnamigen Operette von Rudolf Raimann, 1905

Hansi (Johanna) Niese , * 10. November 1875 Wien, † 4. April 1934 Wien, Volksschauspielerin.

Biografie

Die Tochter des ursprünglich in Naumburg/Saale tätigen Papierfabrikanten August Niese († 1913) und dessen Wiener Gattin besuchte die Bürgerschule in der Rahlgasse. Im Sommer 1886 stand sie als Elfjährige in einem Speisinger Gasthaus erstmals auf der Bühne, als sie bei der kleinen Truppe des Schauspielers Lejeune kurzerhand für eine erkrankte Schauspielerin die Rolle der Franziska in Adolph L'Arronges "Hasemanns Töchter" übernahm.

Ohne jemals Schauspielunterricht genommen zu haben, trat sie 1889 bei Schwender in Rudolfsheim auf, wurde 1891 als Naive ans Stadttheater Znaim (Znojmo) verpflichtet, spielte in Abbazia (Opatija) und trat am 25. Juni 1892 als Sabine in "Großstadtluft" von Gustav Kadelburg und Oscar Blumenthal am Kurtheater in Gmunden auf. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sie dort (als resches Stubenmädel) ihren eigenen Typ. 1892/93 spielte sie an den Stadttheatern von Czernowitz und Karlsbad (Karlovy Vary). Adam Müller-Guttenbrunn holte sie an das neugegründete Raimundtheater, wo sie am 7. Dezember 1893 als Ella in "Barfüßige Fräulein" von Julius Rosen debütierte.

Niese wurde bald zum Publikumsliebling; sie trat in zahlreichen Operetten, musikalischen Possen und volkstümlichen Stücken auf. Durchschlagende Erfolge, unter anderem als Anna Birkmeier im "Pfarrer von Kirchfeld" von Ludwig Anzengruber und als Rosl (gemeinsam mit Alexander Girardi) in Ferdinand Raimunds "Verschwender", trugen zu ihrer erfolgreichen Karriere bei. Bei einer Matinée-Vorstellung gastierte sie im August 1898 in Berlin als Christine in Arthur Schnitzlers "Liebelei" und als Annie in "Abschieds-Souper", ebenfalls von Schnitzler. Dort lernte sie ihren zukünftigen Gatten Josef Jarno kennen. Als Jarno, mit dem sie seit November 1899 verheiratet war, im Herbst 1899 die Leitung des Theaters in der Josefstadt übernahm, ging sie ebenfalls an diese Bühne, spielte jedoch auch am Lustspieltheater, dessen Ensemble mit dem der Josefstadt vereinigt war.

Mit dem Aufkommen der Wiener Operette feierte sie als "Christine" in der Operette "Die Försterchristl" mit der Musik ihres Schwagers Georg Jarno und dem Libretto von Bernhard Buchbinder Triumphe. Doch interpretierte sie auch Rollen in zeitgenössischen Stücken, unter anderem: Julie in Franz Molnárs "Liliom" und in mehreren Stücken von Gerhart Hauptmann. Sie glänzte auch in den männlichen Rollen des Knieriem in "Lumpazivagabundus" und des Willibald in "Die schlimmen Buben in der Schule", beide von Johann Nestroy, in dessen Tannhäuser-Parodie sie ihre Improvisationsgabe und Lust an der Karikatur zum Ausdruck bringen konnte. Während der Sommermonate trat sie am Lehartheater in Bad Ischl auf. Bekannt war sie auch als Interpretin von Couplets und Wiener Liedern im Rundfunk und auf Schallplatte.

Als Jarno 1932 starb, ließ er seine Witwe mit einer enormen Schuldenlast zurück. Niese, die sich nunmehr in bescheidene Verhältnisse zurückzog, unternahm zahlreiche Gastspielreisen und widmete sich verstärkt (Erfolg hatte sie bereits mit "Die große Liebe" [1931] und "Husarenliebe" [1932] gehabt) der Filmtätigkeit. Am 4. April 1934 brach sie im Foyer des Konzerthauses zusammen und starb auf dem Transport ins Sanatorium Loew.

Hansi Niese heiratete Josef Jarno am 20. Oktober 1899 in Budapest. Ihr Sohn Josef "Seppl" Jarno jun. (* 30.11.1899 Wien, † 17.02.1964 in Kalifornien/USA) arbeitete als Theaterleiter, die Tochter Hansi Jarno-Breza (* 26.02.1901, † 21.03.1933) war Schauspielerin und Soubrette. Beide wurden im Grab der Eltern beigesetzt, das dem Vater – der als erster verstarb – als Ehrengrab gewidmet wurde.

1952 wurde das Hansi-Niese-Denkmal neben dem Volkstheater enthüllt.


Die Wienbibliothek im Rathaus besitzt eine "Sammlung Hansi Niese", bestehend aus 29 Inventarnummern (Korrespondenzen und Fotografien), und über 100 weitere Korrespondenzstücke von und an Hansi Niese.


Die Besonderheiten von Hansi Nieses Schauspielstil

Zahlreiche Zeitungsartikel, Berichte, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beschrieben Hansi Niese immer wieder als "echte Wiener Schauspielerin". Zu diesem Titel führte vielleicht die "Atmosphäre herzlichster Gemütlichkeit" die sie verbreitet haben soll, sobald sie eine Bühne betrat. Anfangs bediente sie das Rollenfach der Naiv-Sentimentalen, weitete dies aber schnell aus. Sie wurde zur Soubrette und nahm später auch Tragödien in ihr Repertoire auf. Sie war beliebt für ihre komödiantischen Darstellungen. Ein Mittel, das sie dabei einsetzte, war, wie beim typischen Wiener Hanswurst, das Schneiden von Grimassen, ohne dabei auf ihr äußeres Erscheinungsbild Wert zu legen. Auch einfache Gesten, Handbewegungen oder ein Augenzwinkern von ihr sollen beim Publikum schon zu Gelächter geführt haben. Dank dieser Begabung fürs Groteske wurde sie auch als "weiblicher Clown" bezeichnet. Die Journalistin Margarete von Stigler-Fuchs, die in den 1940er Jahren zwei Bücher über das Wiener Theater publizierte, beschrieb, dass Nieses Spiel von einer leichten Ironie geprägt war, selbst bei ernsten Possen. Gemeinplätze hätte sie unter Anführungszeichen gesetzt. Dadurch, dass sie in ihre Figuren viel Menschlichkeit einfließen ließ, konnten ihre Texte wirken, als wären sie improvisiert. Berühmt an ihrem Spiel waren auch ihr charakteristisches Lachen und Weinen. Im Laufe ihrer Karriere wurden eigens für sie Theaterstücke geschrieben – die sogenannten "Niese-Stücke" - in denen sie beides zur Geltung bringen konnte. Gleichzeitig wurde ihr häufig nachgesagt, dass sie das Publikum ebenfalls in Sekundenschnelle vom Lachen zum Weinen bringen konnte. Sie legte jede ihrer Figuren mit viel Tiefgründigkeit an und vermittelte dem Publikum so den Eindruck, als würde es in deren Seele blicken können.

Ein weiterer Aspekt, für den die Schauspielerin berühmt war – angeblich sogar weltberühmt - war ihre markante Stimme, welche sie vom tiefen, melodischen "Niese-Bass", welchen sie vor allem oft an den Höhepunkten von Stücken als Stilmittel einsetzte, bis in die Sopranlagen variieren und damit eingehende Wirkungen erzielen konnte. Ein Grund für ihre Beliebtheit könnte auch die Klarheit ihrer Sprache gewesen sein, dank derer sie im ganzen Theatersaal gut verständlich gewesen sein soll.


Rollenverzeichnis (Auswahl; in alphabetischer Reihenfolge)

  • Anna Birkmeier, Der Pfarrer von Kirchfeld, Ludwig Anzengruber, Raimundtheater
  • Anna, Die erste Geige, Jens Petersen, Theater in der Josefstadt, 1902
  • Christine, Liebelei, Arthur Schnitzler
  • Elisabeth von Valois, Don Carlos, Infant von Spanien, Friedrich Schiller, Gnaim
  • Franzi, Hasemanns Töchter, Adolf L’Arronge, Speising (Debutrolle)
  • Gusti, Unsere Gusti, Friedrich Johann Radler, Theater in der Josefstadt, 1900
  • Gustl, Die Herren Söhne, Oscar Walther und Leo Stein, Theater in der Josefstadt
  • Hanne Schäl, Fuhrmann Henschel, Gerhart Hauptmann
  • Helene Alving, Gespenster, Henrik Ibsen
  • Julie, Fräulein Julie, August Strindberg
  • Katharina, Der Widerstpenstigen Zähmung, William Shakespeare, Raimundtheater, 1933
  • Kathi Gruber, Die Kindsfrau, Alfred Hennequin, Theater in der Josefstadt, 1900
  • Knieriem, Lumpazivagabundus, Johann Nestroy, Theater in der Josefstadt, Berlin
  • Lina, Mamselle Tourbillon, Kurt Kraatz und Heinrich Stobitzer, Theater in der Josefstadt, 1900
  • Lotti, Die Näherin, Ludwig und Hugo Gelb, Raimundtheater, 1896
  • Marie Duerot, Der Fall Mary Dugan, Bayard Veiller, Volkstheater, 1928
  • Mutter Wulffen, Der Biberpelz, Gerhart Hauptmann
  • Rosa, Der Verschwender, Ferdinand Raimund, Raimundtheater, 1899
  • Rose Bernd, Rose Bernd, Gerhart Hauptmann, 1910
  • Toinette, Der Eingebildete Kranke, Moliere
  • Vroni, Der Meineidbauer, Ludwig Anzengruber, Raimundtheater
  • Weib, Der Weibsteufel, Karl Schönherr
  • (Rolle unbekannt), Autowildling, Arnold & Emil Golz, Berliner Residenztheater, 1927
  • (Rolle unbekannt), Die Frau Rat, Paul Wertheimer
  • (Rolle unbekannt), s'Muttersöhnerl, Theodor Taube, Theater in der Josefstadt, 1901
  • (Rolle unbekannt), Unverhofft, Johann Nestroy

Schallplatten

  • G&T (Wien, 1903; sechs Aufnahmen mit Unterhaltungsliedern), HMV (Wien, 1908; drei Szenen aus "Die Försterchristel"), Odeon, Parlophon, Homochord, zumeist Unterhaltungslieder

Quellen


Literatur

  • Sabine Vernik-Eibl: Leben und Werk der Komponisten Georg Jarno und Leo Ascher. Ihre Bedeutung für die Wiener Operette in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit einer Analyse von Die Förster-Christl und Hoheit Tanzt Walzer. Diss. Univ. Wien 2011
  • Rainer Lenius: Wiener Spuren berühmter Schauspielerinnen und Schauspieler. Wien: Edition Volkshochschule 2004
  • K. J. Kutsch/Leo Riemens: Großes Sängerlexikon (4., erweiterte und aktualisierte Auflage. Unter Mitarbeit von Hansjörg Rost) Band 5. München: K. G. Saur 2003
  • Friedrich Weissensteiner: Sie haben für uns gespielt. 105 Kurzporträts berühmter Film- und Bühnenkünstler. Wien: Edition Preasens 1999
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992
  • Felix Czeike: XIII. Hietzing. Mit ausführlicher Beschreibung, Karten- und Grundrißskizzen von Schönbrunn. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Bezirkskulturführer, 13), S. 51
  • Neue deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Band 10. Berlin: Duncker & Humblot 1974 (unter Jarno)
  • Gerhardt Kapner: Freiplastik in Wien. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1970, S. 378
  • Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Band 17. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1968
  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 196
  • Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 45
  • Wilhelm Kosch: Deutsches Theater-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Band 2. Wien: Ferd. Kleinmayr 1960, S. 900 (unter Jarno, Hansi)
  • Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), Register
  • Gerda Doublier: Hansi Niese. In: Frauenbilder aus Österreich. Eine Sammlung von zwölf Essays. Wien: Obelisk Verlag 1955, S. 227 ff.
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd. (Verzeichnis der Hauptrollen)
  • Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 170 ff.
  • Maria Czelechowski: Hansi Niese. Diss. Univ. Wien. Wien 1947
  • Neue Freie Presse, Morgenblatt 5. 4. 1934, Nr. 24985, Seite 1; 8. 4. 1934, Nr. 24988, Seite 1f.; Abendblatt 12. 4. 1934, Nr. 24992, Seite 5
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929
  • Hermann Clemens Kosel: Deutsch-österreichisches Künstler- und Schriftsteller-Lexikon. Band 1: Biographien der Wiener Künstler und Schriftsteller. Wien: Verlag der Gesellschaft für Graphische Industrie 1902
  • Deutscher Reichsanzeiger, 13. 8. 1898
  • Österreichisches Musiklexikon: Hansi Niese [Stand: 21.03.2023]
  • Österreichisches Biographisches Lexikon: Hansi Niese (Verzeichnis der Hauptrollen) [Stand: 21.03.2023]
  • Neue Deutsche Biographie: Hansi Jarno [Stand: 21.03.2023]


Hansi Niese im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks