Karl Lueger

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Karl Lueger (Offizielles Foto mit Bürgermeisterkette und Widmung)
Daten zur Person
Personenname Lueger, Karl
Abweichende Namensform
Titel Dr. iur., Geheimrat
Geschlecht männlich
PageID 20237
GND 118729578
Wikidata Q78531
Geburtsdatum 24. Oktober 1844
Geburtsort Wieden
Sterbedatum 10. März 1910
Sterbeort Wien
Beruf Rechtsanwalt, Politiker
Parteizugehörigkeit Christlichsoziale Partei
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert, Luegereiche
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 21.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe KIR, Nummer 5
Ehrengrab Ehrengrab
Bildname Karllueger.jpg
Bildunterschrift Karl Lueger (Offizielles Foto mit Bürgermeisterkette und Widmung)
  • 4., Karlsplatz 13 (Geburtsadresse)
  • 1., Lichtenfelsgasse 2 (Sterbeadresse)
  • 3., Marokkanergasse 3 (Wohnadresse)
  • 5., Franzensgasse 58 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Bürgermeister der Stadt Wien (8. April 1897, bis: 10. März 1910)
  • Mitglied des Wiener Gemeinderates (1875, bis: 1876)
  • Mitglied des Wiener Gemeinderates (1878, bis: 1910)
  • Abgeordneter zum Reichsrat (1885, bis: 1910)
  • Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag (1890, bis: 1910)

  • Ehrenbürger der Stadt Wien (Verleihung: 3. Juli 1900)
  • Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens

Lueger Karl, * 24. Oktober 1844 Wieden, † 10. März 1910 Wien, Rechtsanwalt, Politiker, Bürgermeister der Stadt Wien.

Inhalt:
  1. Biografie
    1. Politisches Engagement
    2. Der Aufstieg
    3. Gründer der Christlichsozialen Partei
    4. Erst Landtagsabgeordneter, dann Bürgermeister
  2. Im fünften Anlauf Bürgermeister
    1. Vorgeschichte
    2. Kommunalisierungen
    3. Sozialpolitik
    4. Gesundheitspolitik
    5. Schulwesen
    6. Finanzielles und Wirtschaftliches
    7. Tod
  3. Bewertung
  4. Problematisierung
  5. Gedenken
  6. Video
  7. Quellen
  8. Literatur
  9. Weblinks
  10. Einzelnachweise

Biografie

Karl Lueger wurde als Sohn des Saaldieners der Technischen Hochschule Leopold Lueger (* 11. November 1806 Neustadtl/Donau, † 28. Oktober 1866 Wien) und dessen Ehefrau Juliana Schuhmayer (* 26. Jänner 1812 Wien, † 6. Dezember 1888 Wien) geboren. Karl Lueger besuchte als Externist die für Schüler seiner sozialen Herkunft sonst kaum zugängliche Theresianische Akademie, wo er 1862 mit Auszeichnung maturierte. Anschließend nahm er an der Universität Wien das Studium der Rechtswissenschaften auf, das er 1870 mit der Promotion zum Dr. iur. abschloss. Bereits 1867 war er als Advokaturkonzipient in eine Rechtsanwaltskanzlei eingetreten; um die Jahreswende 1873/1874 legte er die schriftliche beziehungsweise mündliche Advokatenprüfung ab. Wenig später, im März 1874, eröffnete Lueger in der Inneren Stadt eine eigene Kanzlei.

Politisches Engagement

Politisch interessiert, engagierte sich der junge Jurist zunächst im "Deutsch-Demokratischen Verein" im Bezirk Landstraße, schloss sich aber 1872 dem "Liberalen Bürgerklub" an, wo Franz Khunn zu seinem ersten Förderer wurde. Er erkannte das politische Talent Luegers und forcierte dessen Kandidatur bei Nachwahlen zum Gemeinderat im Frühjahr 1875. Lueger wandelte sich aber − gemeinsam mit dem aus einer jüdischen Familie stammenden Gemeinderat Ignaz Mandl − rasch zum Kritiker des autokratischen Regimes von Bürgermeister Cajetan Felder. Nach einer Niederlage auf Bezirksebene legte er sein Gemeinderatsmandat im Herbst 1876 zurück, sammelte unter dem Schlagwort der Korruptionsbekämpfung die kleinbürgerlichen Schichten seines Wahlbezirks und gelangte im März 1878 als Vertreter der "Wirtschafts- und Fortschrittspartei" wieder in den Gemeinderat, dem er nun bis zu seinem Tode angehörte. Mit anderen demokratischen Gegnern des liberalen Stadtregimes gründete er die inhaltlich recht heterogenen "Vereinigten Linken", die er 1880 bis 1882 auch leitete und die unter anderem für ein einheitliches Wahlrecht aller Steuerzahler eintraten.

Der Aufstieg

Die Wahlreform 1885, die besonders weiteren kleinbürgerlichen Gruppen das Wahlrecht einräumte (Herabsetzung der Bedingung für die Ausübung des Wahlrechts auf eine direkte Steuerleistung von fünf Gulden jährlich) begünstigte Luegers Aufstieg. Ein tief greifender Strukturwandel, die wachsende Abhängigkeit vom liberalisierten Markt sowie die Billigkonkurrenz der von (oft jüdischen) Hausierern vertriebenen Fabrikwaren verunsicherten die Kleingewerbetreibenden und bildeten einen Nährboden für antisemitisch verbrämte Kapitalismuskritik. Der rhetorisch gewandte Advokat konnte sich sukzessive zum unumstrittenen Wortführer dieser Bevölkerungsgruppe machen, um deren Anliegen sich bislang niemand angenommen hatte, und passte sein politisches Vokabular dabei zunehmend antisemitischen Klischees an. Dass Lueger, wie zahlreiche Quellen belegen, selbst kein überzeugter Antisemit war und diesen "nur" taktisch sowie im wirtschaftlichen Kontext instrumentalisierte, darf nicht zu einer relativierenden Bewertung seiner antisemitischen Aussagen führen. Der Gebrauch der Wiener Umgangssprache verhalf ihm zu zusätzlicher Popularität bei seinen Wählern.

Gründer der Christlichsozialen Partei

Ab dem Frühsommer 1885 hatte er mit Hilfe antiliberaler Gruppen auch ein Reichsratsmandat. Im April 1886 schlossen sich die im Wiener Gemeinderat vertretenen Antisemiten und Demokraten zu einem neuen Klub zusammen, den "Demokratischen Linken", die als erste Keimzelle späterer Bürgermeister-Mehrheiten angesehen werden kann. Erst als Lueger mit dem christlichen Sozialreformer Karl Freiherr von Vogelsang und dessen Kreis in Verbindung trat, denen ein in der politischen Praxis erfahrener Wortführer ebenso fehlte wie Lueger eine seine heterogene Anhängerschaft abgrenzende Ideologie, wurde er Organisator der ersten großen politischen Massenbewegung und Gründer der Christlichsozialen Partei. Nach dem endgültigen Bruch mit dem radikalen Deutschnationalen Schönerer entstanden Ende der 1880er Jahre aus dem Konglomerat von Antisemiten, gemäßigten Deutschnationalen und Reformkatholiken das lose Bündnis der "Vereinigten Christen", die politische Plattform Karl Luegers. Indem er die katholische Sozialreform und den wirtschaftlich motivierten Antisemitismus mit seinen ursprünglichen demokratisch-sozialen Zielsetzungen vereinigte, gewann er nicht nur das kleinbürgerlich-demokratische Wählerreservoir, sondern auch katholisch-konservative Schichten. Einen entscheidenden inhaltlichen Impuls übte die Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) aus.

Erst Landtagsabgeordneter, dann Bürgermeister

Im Oktober 1890 zog Lueger auch als Abgeordneter in den Niederösterreichischen Landtag ein. Seiner Persönlichkeit gelang es, die tief sitzenden Gegensätze zwischen Stadt- und Landbevölkerung auszugleichen, indem er sich je nach Bedarf als "Kind der Stadt" oder als "Spross aus niederösterreichischem Bauerntum" präsentierte. Sein wichtigstes Ziel war aber die Eroberung des Bürgermeisteramtes von Wien. Im Herbst 1895 war die Christlichsoziale Partei so weit angewachsen, dass sie bei den Gemeinderatswahlen eine Zweidrittel-Mehrheit eroberte und Lueger am 29. Oktober 1895 zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde. Damit begann ein Tauziehen, das mit gemeinderätlichen Bestellungen und kaiserlichen Ablehnungen die folgenden Monate überschattete. Seine Gegner stellten den Politiker wegen seiner verbalen Ausfälle gegen das Judentum, Vertreter der staatlichen Autorität und die ungarische Reichshälfte als einen Störenfried ("impetuoses und exzessives Auftreten") hin, dem man die Amtsgeschäfte nicht anvertrauen dürfe. Nach mehreren Wahl-Anläufen und einer interimistischen Lösung in Person seines Parteigängers Josef Strobach erhielt Lueger nach seiner fünften Wahl zum Bürgermeister am 16. April 1897 schließlich die kaiserliche Bestätigung und wurde am 20. April vereidigt.

Im fünften Anlauf Bürgermeister

Der 16. April 1897 stellte für Dr. Karl Lueger den Durchbruch in seiner politischen Karriere dar. Er war bereits von 1893 bis 1895 Stadtrat gewesen, danach Vizebürgermeister. Am 16. April machte der Statthalter von Österreich unter der Enns, Erich Graf von Kielmansegg, Lueger in einem inhaltlich wie grafisch nüchternen Schreiben Mitteilung von der "Allerhöchsten Schlußfassung". In dem an Karl Lueger persönlich adressierten Schriftstück, das über Vermittlung von Bundeskanzler Julius Raab 1960 an Bürgermeister Franz Jonas und von diesem in das Wiener Stadt- und Landesarchiv kam, wird die Vereidigung Luegers als Bürgermeister der Stadt Wien für Dienstag, den 20. April 1897, um 9 Uhr vormittags festgelegt. Dies war der Auftakt für die 13-jährige Regierungszeit Karl Luegers, die mit seinem Tod am 10. März 1910 um 8.05 Uhr im Rathaus zu Ende ging.

Statthalter Graf Kielmansegg verständigt Bürgermeister Lueger von der Bestätigung seiner Wahl durch den Kaiser.

Vorgeschichte

Nach einem beträchtlichen Erfolg bei den Nachwahlen 1895 wurde Lueger zum Vizebürgermeister gewählt. Der liberale Bürgermeister Dr. Raimund Grübl trat daraufhin zurück. Bei der folgenden Bürgermeisterwahl am 29. Mai stimmten nach zwei erfolglosen Wahlgängen gerade so viele Liberale für Lueger, dass dieser die Mindestanzahl von 70 Stimmen erreichte - wohl im Vertrauen auf eine Ablehnung der Bestätigung durch den Kaiser, oder um Lueger danach durch einen Misstrauensantrag zu stürzen. Lueger erkannte die drohende Gefahr und nahm die Wahl nicht an. Als der vierte Wahlgang wieder ohne Resultat verlief, löste Erich Graf von Kielmansegg, den Gemeinderat auf und setzte den Statthaltereibeamten Dr. Hans von Friebeis als Regierungskommissär ein.

Der Wahlkampf vor der Gemeinderatswahl im September 1895 wurde als erbitterter Kampf zwischen der jüdischen und christlichen Weltanschauung geführt. Die Gruppierung um Lueger erlangte bei der Wahl die Zweidrittelmehrheit. Am 29. Oktober wurde Lueger wiederum zum Bürgermeister gewählt. Auf Betreiben der liberalen Regierung Badeni und wegen verschiedener Proteste, sicherlich aber auch aus eigener Überzeugung, lehnte Kaiser Franz Joseph die Bestätigung Luegers ab.

Als die neuerliche Wahl am 13. November 1895 wieder auf Lueger fiel, erklärte Friebeis, der den Vorsitz führte, in offener Sitzung den Gemeinderat abermals für aufgelöst. Da klar war, dass die ablehnende Haltung nicht auf Dauer durchgehalten werden konnte, kam es zu einem Tauziehen hinter den Kulissen und schließlich zu einem Geschäft: Lueger verpflichtete sich, der Regierung mit seiner Partei keine gefährliche Opposition zu machen, wenn Badeni ihm zum Bürgermeisteramt verhalf. Damit beide Seiten das Gesicht wahren konnten, sollte zunächst für eine Übergangszeit Luegers Parteifreund Josef Strobach amtieren. Wenn dieser später resigniere, werde Lueger die kaiserliche Bestätigung erhalten. Außerdem sollte er vom Kaiser in Audienz empfangen werden, um diesem seine Loyalität zu versichern und der Bevölkerung zu zeigen, dass er nicht in Ungnade stehe.

Bei der Gemeinderatswahl vom März 1896 erzielte die Gruppierung um Lueger einen weiteren Mandatsgewinn. Am 18. April erfolgte Luegers neuerliche Wahl zum Bürgermeister. Diesmal erklärte Friebeis lediglich, das Ergebnis weiterzuleiten. Am 27. April wurde Lueger in Audienz empfangen. Danach verlautete, dass der Kaiser an Lueger appelliere, auf das Amt freiwillig zu verzichten, da die Bestätigung zum Bürgermeister "dermalen" nicht gewährt werden könne. So geschah es auch: Am 6. Mai 1896 wurde Strobach zum Bürgermeister gewählt, Lueger wurde erster Vizebürgermeister. Mit seinem Rücktritt am 31. März 1897 beendete Strobach das "Dermalium", wie es im Volksmund hieß. Am 8. April 1897 wurde Lueger zum fünften Mal zum Bürgermeister gewählt. Am 16. April erfolgte die kaiserliche Bestätigung, am 20. legte Lueger den Amtseid ab.


Kommunalisierungen

Ein wesentlicher Schwerpunkt der nun folgenden 13-jährigen Amtszeit galt dem Kampf gegen das "Großkapital". Er suchte durch die Kommunalisierung der wichtigsten Versorgungsleistungen die Stadt Wien von in- und ausländischen monopolartigen Gesellschaften unabhängig zu machen. Schon 1896 hatte der Gemeinderat (noch unter Strobach) den Vertrag mit der englischen Gaswerk-Gesellschaft aufgelöst und es wurde mit dem Bau eines eigenen Gaswerks in Simmering begonnen. Bereits 1899 konnten die inneren Bezirke von städtischen Unternehmungen versorgt werden, 1911 war die Umstellung mit der Inbetriebnahme des Werks Leopoldau komplett abgeschlossen. Die Kommunalisierung der Elektrizitätswerke begann mit der Errichtung je eines Werks für die öffentliche Beleuchtung sowie die Versorgung der privaten Haushalte und für die Straßenbahn ab 1900 und konnte mit der Übernahme der privaten Gesellschaften von 1907 bis 1914 vollendet werden.

In engem Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Stadt stand die Übernahme der Straßenbahn, die 1900 bis 1902 von der Stadt erworben und schrittweise auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde. 1907 kommunalisierte die Stadt die Dampftramway-Gesellschaft und 1908 den Stellwagenbetrieb mit einem Liniennetz von rund 39 Kilometern. Erste Pläne gab es auch zur Errichtung einer U-Bahn. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwies sich eine neue, über die Donau gerichtete Stadterweiterung als sinnvoll. Nachdem bereits 1900 aus dem nördlichen Teil der Leopoldstadt der 20. Bezirk geschaffen wurde, wurden Anfang 1905 die Donaugemeinden Floridsdorf, Jedlesee, Großjedlersdorf, Strebersdorf (teilweise), Stammersdorf (teilweise), Leopoldau, Stadlau und Aspern als 21. Bezirk eingemeindet. Die Fläche der Stadt erhöhte sich um rund 50 Prozent auf 273 Quadratkilometer; die Einwohnerzahl stieg auf über zwei Millionen.

Sozialpolitik

In der Sozialpolitik distanzierten sich Lueger und die Christlichsozialen im Sinne der katholischen Soziallehre von der bisher dominierenden Anschauung des Liberalismus, dass jede(r) nur für sich selbst verantwortlich wäre. So richtete die Stadt Wien 1898 nach dem Vorbild deutscher Städte ein städtisches Arbeitsvermittlungsamt ein. Mit dieser Maßnahme wurden die Vermittlung vereinheitlicht und Doppelgleisigkeiten verhindert. Der 1899 geschaffene Zentral-Armenkataster erfasste alle von der Armenpflege betroffenen Personen und sollte öffentliche und private Hilfe besser miteinander verbinden. Als ständiger Ausschuss zur Förderung der Armenpflege konstituierte sich 1901 der Zentralrat für das Armenwesen. Ein städtisches Waisenhaus löste das bisherige Asyl für verlassene Kinder ab. 1904 wurde das Versorgungsheim Lainz − damals das größte und modernste seiner Art − eingeweiht.

Gesundheitspolitik

Auf dem Gebiet der Gesundheitspflege wurde die Zahl der öffentlichen Brausebäder deutlich erhöht; die Besucherzahl verdreifachte sich zwischen 1896 und 1910. Die Errichtung von Strombädern schloss sich an. Der Spitalsnot versuchte die Stadtverwaltung durch die Errichtung des "Jubiläumsspitals" (Grundsteinlegung 1908) beim Lainzer Tiergarten, den Bau neuer Kliniken im 9. Bezirk und eine Modernisierung des Sanitäts- und Rettungswesens in den Griff zu bekommen.

1905 wurde die Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels, der selbst einer 4-Millionen-Stadt noch genügen und ungesunde Wohnverhältnisse bei steigender Bevölkerungsdichte vermeiden sollte, beschlossen. Im Zuge dieser Aktion erwarb die Gemeinde Wien Grünflächen im Ausmaß des 6. Bezirks. Auch eine Reihe innerstädtischer Grünanlagen wurde errichtet. Der immense Wasserbedarf, vor allem durch die Eingemeindung der Vororte wenige Jahre zuvor, führte zum Bau der zweiten Wiener Hochquellenwasserleitung. 1899 im Gemeinderat beschlossen, wurde sie 1910 in Betrieb genommen.

Der Wohnungsnot begegnete die christlichsoziale Stadtverwaltung nur mit punktuellen Maßnahmen: Um Vermieter und Wohnungsuchende effizienter zueinander bringen zu können, führte der Gemeinderat 1901 einen städtischen Wohnungsnachweis ein, zunächst probeweise auf zwei Bezirke beschränkt, ab 1902 für alle Bezirke. Eine ähnliche Anlaufstelle wurde 1902 auch für die Vermietung von Sommerwohnungen in Niederösterreich eingerichtet. Eine nachhaltige Lösung der Wohnungsnot wurde erst in der Ersten Republik erzielt.

Schulwesen

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Schulwesen gewidmet: 1908 erfolgte die feierliche Eröffnung der 100. Schule, die von der christlichsozialen Stadtregierung errichtet worden war. Auf kulturellem Gebiet wurde die Errichtung eines städtischen Museums auf dem Karlsplatz beschlossen − ein Projekt, das nach vielen Neukonzeptionen erst 1959 Realität wurde. Schneller ging es mit dem "Kaiser-Jubiläums-Theater" (heute als "Volksoper" bekannt), das auf städtischem Baugrund 1898 eröffnet wurde. Die ebenfalls auf städtischem Pachtgrund erbaute "Wiener Urania" nahm ihren Betrieb 1910 auf.

Finanzielles und Wirtschaftliches

1905 übernahm die Stadt die mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfende Genossenschaft "Wiener Brauhaus" mit einer Anlage in Rannersdorf bei Schwechat. 1907 wurden das städtische Leichenbestattungs-Unternehmen mit dem Ziel, auch armen Bürgern ein würdiges Begräbnis zu sichern, gegründet, 1899 der Rathauskeller als städtische Unternehmung eröffnet. Der schon bestehende Zentralfriedhof musste nach Süden und Osten erweitert werden; zugleich wurde die "Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche" errichtet. Mit der Errichtung der "Städtischen Kaiser Franz Josefs-Jubiläums-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt" (Beschluss 1898) und der Gründung der "Zentralsparkasse" (Beschluss 1905) dehnte die Stadt Wien ihre wirtschaftliche Tätigkeit in weite Bereiche des täglichen Lebens aus.

Die umfangreichen Projekte finanzierte die Stadtverwaltung über Anleihen; so nahm sie 1898 60 Millionen Kronen für die Errichtung eines städtischen Gaswerks, 1900 30 Millionen Kronen für die Kommunalisierung der Elektrizitätswerke, 1902 285 Millionen Kronen für die Kommunalisierung der Straßenbahn, den Bau der zweiten Hochquellenleitung und weitere kleinere Projekte sowie 1908 weitere 360 Millionen Kronen an Schulden auf.

So nachhaltig Luegers Wirken für die Wiener Kommunalpolitik war, so wenig kümmerte er sich um die Organisation seiner Partei. Die erfolgreiche Personalisierung der Politik ließen Strukturen entbehrlich erscheinen. Die einigende Klammer des Konglomerats an verschiedenen Gruppen, Vereinen und Vorfeldorganisationen war einzig und allein der charismatische Bürgermeister, was sich besonders nach dessen Tod negativ auf den Zusammenhalt der Christlichsozialen auswirkte.

Innenpolitisch wurde der Kampf gegen den Liberalismus von Auseinandersetzungen mit der aufstrebenden Sozialdemokratie und den radikalen deutschnationalen Strömungen abgelöst. Auch auf gesamtstaatliche Probleme − die Christlichsozialen stellten mit Einführung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts 1907 und nach der Vereinigung mit den Katholisch-Konservativen die stärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus des Reichsrats − nahm Lueger Einfluss. Neben der Wahlrechtsreform (die in Wien aus wahltaktischen Gründen nicht nachgebildet wurde) trat er für einen Bundesstaat mit nationalen Gliedstaaten ein und führte als Vertreter der Gesamtstaatsidee einen unablässigen Kampf gegen die ungarische Reichshälfte, was ihm wiederum besondere Sympathien bei den Rumänen eintrug.

Tod

Bedingt durch seinen rastlosen Arbeitsstil betrieb Lueger nachhaltigen Raubbau an seiner Gesundheit, die sich durch schweren Diabetes weiter verschlechterte, sodass ab etwa 1906 seine Amtsführung zunehmend beeinträchtigt war. Nach schwerem Leiden starb er am 10. März 1910, fast völlig erblindet, und wurde am 14. März unter großer Beteiligung der Bevölkerung und des öffentlichen Lebens am Wiener Zentralfriedhof begraben.[1] Nach der Fertigstellung der "Gedächtniskirche" im Herbst des Jahres wurden seine Gebeine in deren Krypta überführt. Sie ruhen in der Kirchengruft 6, der sogenannten "Bürgermeistergruft". Der Schlüssel zum Sarg wird im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrt.

Schlüssel zum Sarg von Bürgermeister Karl Lueger

Bewertung

Es gibt wohl kaum einen Wiener Bürgermeister, dessen Anhänger und Gegner ein so unterschiedliches Bild von seiner Persönlichkeit entwarfen, wie dies bei Lueger der Fall ist. Glorifizierung auf der einen stand und steht oft pauschalisierende Ablehnung auf der anderen Seite gegenüber. Außer Zweifel steht, dass der "schöne Karl" und "Herrgott von Wien", wie ihn manche seiner Anhänger in grenzenloser Bewunderung nannten, eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Persönlichkeit war. Volkstümlich und in weiten Kreisen der Bevölkerung außerordentlich populär, war er "der erste bürgerliche Politiker, der mit Massen rechnete, Massen bewegte, der die Wurzeln seiner Macht tief ins Erdreich senkte" (Arbeiter-Zeitung, 11.03.1910).

Lueger konzentrierte sich in seinem politischen Tun in erster Linie auf das von den Auswirkungen des „Schwarzen Freitags“ von 1873 schwer betroffene Kleinbürgertum, das teilweise zugleich „Modernisierungsverlierer“ war (der „kleine Mann“). Mit blendender Rhetorik, Sarkasmus und Demagogie verstand er es, in der Ära der eben erst entstehenden Massenparteien große Teile der öffentlichen Meinung für sich zu gewinnen, sodass seine Opposition wirkungsvoll und gefürchtet war, sprach durchaus auch niedrige Instinkte an und scheute Auseinandersetzungen nicht, was bis zu handfesten Schlägereien seiner Anhänger bei politischen Veranstaltungen reichte. Er wandte sich zunehmend stärker gegen das „liberale Finanzjudentum“ und machte sich bereits vorhandene antisemitische Strömungen zunutze, wobei er mehr wirtschaftlich als religiös und sicherlich nicht rassistisch motiviert war. Bei aller Betonung des „deutschen Charakters“ Wiens war er ein Gegner des Großdeutschtums. Ob er persönlich überzeugter Antisemit war, oder ob er lediglich populistisch agierte, wird bis heute unterschiedlich gesehen, doch sprechen verschiedene Indizien für letzteres. Berühmt geworden ist der kolportierte Ausspruch „Wer ein Jud’ ist, bestimme ich!“. Er verstärkte den Antisemitismus jedenfalls und wurde neben Schönerer zu einer Schlüsselfigur für die Wandlung Adolf Hitlers zum Antisemiten.

Problematisierung

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war die politische Rhetorik von Karl Lueger von aggressiver antijüdischer und deutschnationalistischer Polemik geprägt. Als maßgeblicher Politiker der damaligen Zeit verstärkte Lueger, der durchaus gute Kontakte zu Personen jüdischer Herkunft pflegte, die antisemitischen und diskriminierenden Tendenzen in der öffentlichen politischen Diskussion (etwa wenn er auf Grund der "Verjudung" der Wiener Universität einen Numerus clausus zugunsten von "Deutschösterreichern" forderte). Damit fungierte er als Vorbild für nachfolgende Politiker.

Gedenken

Neben einer Medaille von K. M. Schwerdtner (1907) gibt es ein Ölgemälde Luegers von Kasimir Pochwalsky in der Bürgermeistergalerie (Rathaus, Roter Salon). Gedenktafeln befinden sich in Wien 5, Hamburgerstraße 9 (Porträtrelief von Josef Tautenhayn; Lueger wohnte hier 1892−1897) und 14, Penzinger Straße 72 (hier sprach Lueger am 18. Oktober 1909 zum letzten Mal in einer öffentlichen Versammlung [heute Bildungsheim Penzing]). Nach ihm benannt wurden: Dr.-Karl-Lueger-Platz, Dr.-Karl-Lueger-Ring, Dr.‐Karl‐Lueger‐Brücke, Luegerbrunnen, Luegerbüste, Luegerdenkmal (1), Luegereiche, Luegerherme, Luegerhof und die bis 2000 sogenannte Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche (volkstümlich Luegerkirche), heute Zum Heiligen Karl Borromäus. Darüber hinaus wurden dem Politiker auch zahlreiche kleinere Gedenkstätten (zum Beispiel die "Luegereiche" im Rathauspark), Büsten wie auch Werke der darstellenden Kunst (beispielsweise das "Lueger-Lied", 1932) gewidmet.

Aufgrund der Erkenntnisse der HistorikerInnen-Kommission beschloss der Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft am 5. Juni 2012 die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings in Universitätsring.

Im Juni 2016 enthüllten der Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl, eine Zusatztafel beim Luegerdenkmal. Der vom Historiker Oliver Rathkolb in Zusammenarbeit mit der Kulturkommission des 1. Bezirks verfasste Text bietet eine differenzierte Betrachtung zur Person des Bürgermeisters.[2]

Seit Oktober 2022 setzt sich eine 39 m lange, 11 m hohe und 5 m breite Holzkonstruktion mit nach wie vor in Wien bestehenden Erinnerungszeichen an Lueger auseinander. Die Installation wurde von Nicole Six und Paul Petritsch geschaffen.

Video

Filmisches Gruppenporträt einer inszeniert ausgelassenen Festgesellschaft zu Karl Luegers 64. Geburtstag (Lovran, Kroatien), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 026B
Luegerfeier 1935 (1935), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 020 (Ausschnitt)

Quellen

Literatur

  • KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien präsentiert: Künstlerische Installation "LUEGER TEMPORÄR" eröffnet. Die Arbeit von Nicole Six und Paul Petritsch setzt das Lueger-Denkmal ein Jahr lang künstlerisch in einen Kontext. In: Rathauskorrespondenz vom 12.10.2022
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. 9. Auflage. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 71
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 141-143
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Andreas Pittler: Karl Lueger. 1844−1910. Wien: Gerold 2012 (Edition Wiener Bürgermeister)
  • Anna Ehrlich: Karl Lueger. Die zwei Gesichter der Macht. Wien: Amalthea 2010
  • John W. Boyer: Karl Lueger (1844−1910). Christlichsoziale Politik als Beruf. Wien [u. a.]: Böhlau 2010 (Studien zu Politik und Verwaltung, 93)
  • Christian Mertens: Richard Weiskirchner (1861−1926). Der unbekannte Wiener Bürgermeister. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 2006
  • John W. Boyer: Culture and political crisis in Vienna. Christian socialism in power 1897−1918. Chicago, Ill. [u.a.]: University of Chicago Press 1995
  • Günther Berger: Ein Leben für Wien − Bürgermeister Dr. Karl Lueger. In: Christliche Demokratie 11 (1994), Heft 3, S. 21-73
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 65
  • Ernst Bruckmüller: Die Entwicklung der Christlichsozialen Partei bis zum Ersten Weltkrieg; in: Christliche Demokratie 9 (1991/1992), Heft 4, S. 343-368
  • Rudolf Spitzer: Des Bürgermeisters Lueger Lumpen und Steuerträger. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1988
  • Johannes Hawlik: Der Bürgerkaiser. Karl Lueger und seine Zeit. Wien / München: Herold 1985 [mit Bibliografie]
  • Tino Erben [Red.]: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870−1930. Eigenverlag 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 93), S. 148 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740−1934. Entwicklung und Bestimmungskräfte großstädtischer Politik. (Geschichte der Stadt Wien, 1). Teil 2: 1896−1934. Wien: Verlag für Jugend & Volk 1985
  • Heilmut Andics: Luegerzeit. Das Schwarze Wien bis 1918. Wien [u. a.]: Jugend und Volk 1984
  • Felix Czeike: Geschichte der Stadt Wien. Wien: Molden 1981, S. 245 ff.
  • John W. Boyer: Karl Lueger and the Viennese Jews. In: Leo Baeck Institute: Year-book 26 (1981)
  • John W. Boyer: Political radicalism in late imperial Vienna. Origins of the christian social movement. 1848−1897. Chicago, Ill. [u. a.]: University of Chicago Press 1981
  • Vor hundert Jahren. Wien 1879 als Beispiel für die Zeit des Historismus. Wien: Eigenverlag des Museums 1979 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 60), S. 43
  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u. a.]. Band 2: I−R. München: A. Francke 1974
  • Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3: Der Parlamentarismus und die modernen Republiken. Wien / München: Jugend & Volk 1974, S. 46 ff.
  • Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u. a.]: Jugend & Volk 1974, S. 357 ff., 363 ff.
  • Reinhold Knoll: Zur Tradition der christlichsozialen Partei. Ihre Früh- und Entwicklungsgeschichte bis zu den Reichsratswahlen 1907. Wien / Graz [u. a.]: Böhlau 1973 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, 13), S. 263 f. und Register
  • Österreichisches Biographisches Lexikon 1815−1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 5: Lange v. Burgenkron−[Maier] Simon Martin. Wien [u. a.]: Böhlau 1972, S. 352 f.
  • Felix Czeike: Liberale, christlichsoziale und sozialdemokratische Kommunalpolitik (1861−1934). Dargestellt am Beispiel der Gemeinde Wien. München: Oldenbourg 1962, S. 61 ff.
  • Heinrich Schnee: Karl Lueger. Leben und Wirken eines großen Sozial- und Kommunalpolitikers. Umrisse einer politischen Biographie. Berlin: Duncker & Humblot 1960
  • Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u. a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 63, 153, 166, 260
  • Neue österreichische Biographie. 1815−1918. Band 12. Wien [u. a.]: Amalthea-Verlag 1957
  • Kurt Skalnik: Dr. Karl Lueger. Der Mann zwischen den Zeiten. Wien [u. a.]: Herold 1954
  • Rudolf Kuppe: Dr. Karl Lueger. Persönlichkeit und Wirken. Wien: Hollinek 1947
  • Rudolf Kuppe: Karl Lueger und seine Zeit. Wien: Österreichische Volksschriften 1933
  • Marianne Beskiba: Aus meinen Erinnerungen an Dr. Karl Lueger. Wien: Edhoffer 1911
  • Franz Stauracz: Dr. Karl Lueger. Zehn Jahre Bürgermeister im Lichte der Tatsachen und nach dem Urteile seiner Zeitgenossen, zugleich ein Stück Zeitgeschichte. Wien [u. a.]: Braumüller 1907
  • Leopold Tomola: Unser Bürgermeister Dr. Karl Lueger. Festschrift zu seinem 60. Geburtstage. Wien: Gerlach & Wiedling 1904


Karl Lueger im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. Laut Totenbeschau verstarb Lueger an "Zuckerharnruhr"; siehe: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Totenbeschreibamt, B1 - Totenbeschauprotokoll, J.A. 3902
  2. Meldung der Rathauskorrespondenz vom 20. Juni 2016