Victor Silberer

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Victor Silberer mit seiner Gattin Johanna Silberer und dem Sportredakteur Georg Ernst im Korb der "Vindobona", 1882
Daten zur Person
Personenname Silberer, Victor
Abweichende Namensform Silberer, Viktor
Titel
Geschlecht männlich
PageID 19263
GND 119325713
Wikidata Q2524401
Geburtsdatum 25. Oktober 1846
Geburtsort Wien
Sterbedatum 11. April 1924
Sterbeort Wien 4066009-6
Beruf Journalist, Schriftsteller, Politiker, Verleger
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 2.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
Begräbnisdatum 15. April 1924
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 32 C, Nummer 5
Ehrengrab Ehrengrab
Bildname Victorsilberer3.jpg
Bildunterschrift Victor Silberer mit seiner Gattin Johanna Silberer und dem Sportredakteur Georg Ernst im Korb der "Vindobona", 1882
  • 1., Annagasse 3 (Sterbeadresse)
  • 6., Magdalenenstraße 13 (Geburtsadresse)
  • 1., Kohlmarkt 24 (Wohnadresse)
  • 1., Schulhof 4 (Wohnadresse)
  • 1., Getreidemarkt 15 (Wohnadresse)
  • 1., Nibelungengasse 7 (Wohnadresse)
  • 1., Elisabethstraße 15 (Wohnadresse)
  • 1., Elisabethstraße 17 (Wirkungsadresse)
  • 1., Hegelgasse 4 (Wohnadresse)
  • 1., Schottenring 7 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Mitglied des Gemeinderats (1891 bis 1895)
  • Mitglied des Gemeinderats (1904 bis 1913)
  • Abgeordneter zum Reichsrat (1907 bis 1911)
  • Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag (1902 bis 1908)
  • Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag (1909 bis 1915)
  • Mitglied der Vereinsleitung des Wiener Trabrennvereins (1878 bis 1885)
  • Präsident des österreichischen Ruderverbandes (1899 bis 1914)
  • Präsident des Regattavereins (1901 bis 1908)
  • Präsident des Raimundtheater-Vereines
  • Präsident des Wiener Aero-Clubs (1900)

Victor Silberer, * 25. Oktober 1846 Wien, † 11. April 1924 Wien, Sportler, Journalist, Schriftsteller, Politiker, Unternehmer, Aeronaut (Ballonfahrer).

Biografie

Victor Silberer kam als Sohn des Zivil-Gerichtsbeamten Philipp Matthäus Silberer und dessen Ehefrau Maria Anna, geborene Raumer, in der Laimgrube 128 zur Welt. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, trat danach in eine Wechselstube ein und war später als Bankbeamter in der Anglo-österreichischen Bank tätig. Im Herbst 1868 ging er in die USA und konnte rasch im Journalismus Fuß fassen. Er war Mitarbeiter der "New Yorker Abendzeitung", Korrespondent des "Wiener Journals" und verfasste mit "New Yorker Briefe" und "Skizzen aus Amerika" Feuilletons für das "Wiener Fremdenblatt" und die "Abendzeitung". Nach seiner Rückkehr nach Wien 1869 gründete er die belletristische Wochenschrift "Wiener Salonblatt", die er jedoch nach wenigen Ausgaben verkaufte. Stattdessen zog er während des Deutsch-Französischen Kriegs als Spezialberichterstatter der "Neuen Freien Presse" nach Frankreich. 1871 gründete er mit "Der Kapitalist" ein Wochenblatt, das wie viele andere Zeitungen auch, den Börsenkrach von 1873 nicht überdauerte. Zudem machte er sich als Herausgeber des militär-biographischen Werks "Die Generalität der k. u. k. Armee" (1877) und als Eigentümer und Redakteur der "Militär-Zeitung" (1875–1880) einen Namen. 1880 gründete er schließlich die "Allgemeine-Sport-Zeitung", eine der ersten deutschsprachigen Sportzeitungen, die sein größter Erfolg werden sollte. Silberer gab auch eine Reihe von Handbüchern zu verschiedenen Sportarten heraus, darunter "Handbuch des Renn-Sport" (1881), "Handbuch des Traber-Sport" (1880), "Handbuch für Hindernisreiter" (1886), "Handbuch des Ruder-Sport" (1897), "Handbuch des Bicycle-Sport" (1885) sowie "Handbuch der Athletik nebst einer Anleitung zum Boxen" (1900). Gegen Ende seines Lebens verfasste er – nach Zerwürfnissen mit der Christlichsozialen Partei – auch Beiträge für die "Arbeiterzeitung" (1919–23).

Am 7. November 1881 ging Victor Silberer in der Pfarre St. Stephan die Ehe mit Johanna Theresia Blümel ein. Der gemeinsame Sohn Herbert Adolph Victor (* 28.02.1882–12.01.1923) war dazu ausersehen, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Er wurde ebenfalls ein ausgezeichneter Sportler, Sportjournalist und Ballonfahrer, wandte sich später aber verstärkt der Psychoanalyse zu. Er beendete sein Leben durch Suizid. Victor Silberer, der bereits ab 1890 von seiner Ehefrau getrennt lebte, schloss 1920 mit der wesentlich jüngeren Josefine Tittelbach eine so genannte Sever-Ehe.

Victor Silberer war über viele Jahre eine schillernde Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. In vielen Bereichen, nicht nur im Sport und der Sportjournalistik, setzte er neue Impulse.

Der Sportler und Geschäftsmann

Von Jugend an hatte sich Victor Silberer für Sport interessiert und in den Jahren 1864 bis 1879 war er vor allem als Ruderer erfolgreich. Parallel zu seiner aktiven Karriere publizierte er auch Fachartikel über Rudersport. Erste Beiträge des knapp 18-Jährigen erschienen in der "Deutschen Turnzeitung" (1864), wenig später publizierte er auch im Wiener "Der Sport". Neben dem Rudersport betrieb Victor Silberer zahlreiche weitere Sportarten wie Schwimmen, Eislaufen, Turnen und Fechten auf höchstem Niveau. Nachdem er seine aktive Karriere als Ruderer beendet hatte, wandte er sich vor allem dem Pferdesport zu. Er besaß einen erfolgreichen Rennstall sowie Deckhengste. Das erste Traberderby in der Freudenau ging auf seine Initiative zurück. Der Sportwissenschaftler Rudolf Müllner bezeichnet Victor Silberer als den mit Abstand wichtigsten Sport- und Sportmedienpionier Österreichs.

Silberer, der es stets verstand, verschiedene Geschäftszweige lukrativ miteinander zu verbinden, war auch Organisator zahlreicher Sportveranstaltungen und gründete verschiedene Sportvereine, in deren Leitungsgremien er häufig auch vertreten war. Früh erkannte er auch das Potenzial des Tourismus. 1882 rief er den "Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Wien" ins Leben und förderte die touristische Erschließung des Semmeringgebiets, wo er selbst Besitzungen hatte und Hotels betrieb. Von 1900 bis 1909 gab er zudem die "Semmeringer Zeitung" heraus. 1914 verkaufte er den Grundbesitz am Semmering und widmete den Erlös humanitären Gesellschaften. Mit seinem "Verzeichnis der Wiener Automobil-Besitzer mit deren Adressen, nach den Erkennungsnummern geordnet" sprach er wiederum eine neue, kaufkräftige und rasch wachsende Zielgruppe an. Auch als Förderer des Raimundtheaters (Präsident des Raimundtheater-Vereines), des Deutschen Volkstheaters, an dem er materiell beteiligt war, sowie des Kaiser-Jubiläums-Stadttheaters trat er hervor.

Vermutlich war Silberer auch als Börsenspekulant und Buchmacher erfolgreich. Gesichert ist, dass er mehrere Häuser besaß, etwa das Haus Lange Gasse 11. Als Bauherr ließ er die Häuser Annagasse 3 (Annenhof, 1894), Schubertgasse 20 (1905) und Roßauer Lände 39 (Berliner Hof, 1906/1907) errichten.

Der Aeronaut

Im Juni 1882 bestellte Victor Silberer in Paris bei der Firma Brissonnet einen Rohseidenballon (1100 m3 Inhalt), der ihm bereits am 10. August von Herrn Brissonnet junor persönlich nach Wien geliefert wurde. Eigenen Angaben zufolge erfüllte er sich damit einen Kindheitstraum: Seit er 1853 als siebenjähriger Knabe den französischen Ballonfahrers Eugène Godard, der von Wien aus die österreichischen Alpen überflog, auffahren hatte sehen, hatte er den Wunsch gehegt, selbst in die Lüfte zu steigen. Die erste Auffahrt sollte am 13. August stattfinden und wurde auch entsprechend in den Zeitungen annonciert. Eine medienwirksam inszenierte private Probe-Auffahrt vor Journalisten und geladenen Gästen fand jedoch bereits zwei Tage vorher, am 11. August, statt. In Summe unternahm Silberer rund 150 Luftfahrten mit der "Vindobona", 15 davon bereits im Herbst 1882. Besonderes Interesse rief die Auffahrt vom 8. Oktober 1882 hervor, als er in Begleitung zweier Damen –seiner Ehefrau Johanna Silberer und der Schriftstellerin Caroline Murau in die Lüfte stieg.

Die Wiener Aeronautische Anstalt, die selbst Ballone erzeugte, war Silberers Gründung (1885); an ihr absolvierte Franz Hinterstoisser 1890/1891 den ersten militäraeronautischen Kurs. 1888 veranstaltete Silberer die erste "Internationale Aeronautische Ausstellung" in Wien, 1900 gründete er den "Wiener Aero-Club" (der 1908 den Namen "Österreichischer Aero-Club" annahm) und wurde dessen Präsident. Silberer initiierte auch die Errichtung des ersten österreichischen Flugfelds (Rollfläche in Wiener Neustadt). Von 1902 bis 1914 gab er die "Luftschiffer-Zeitung" heraus.

Der Politiker

Ab 1885 war Victor Silberer politisch tätig. Er fungierte als Obmann des "Demokratischen Wiener Wählervereins", für den er von 1891 bis 1895 im Wiener Gemeinderat saß. Von 1904 bis 1913 gehörte er erneut dem Gemeinderat an, in welchem er seit 1912 die Liberalen unterstützte. Von 1902 bis 1915 gehörte er als Abgeordneter dem Niederösterreichischen Landtag an, von 1907 bis 1911 war er Reichsratsabgeordneter der Christlichsozialen Partei. Aufgrund parteiinterner Kritik verzichtete er auf eine neuerliche Kandidatur. Zu Beginn der Republik (1918/19) entsandten ihn die Christlichsozialen in die provisorische Landesversammlung.

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe seien noch weitere Forschungen zur umfassenden Bewertung der Person Silberers nötig. Hier verweist die Kommission insbesondere auf Gemeinderatsprotokolle in Hinblick auf mögliche antisemitische Äußerungen (vgl. diesbezügliche Stellen in der Lueger-Biografie Boyers) in seinen Reden während seiner (kurzen) Zeit als Parteigänger Karl Luegers.


Werke (Auswahl)

Quellen

Literatur

  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 226 f.
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Rudolf Müllner: Perspektiven der historischen Sport- und Bewegungskulturforschung. Wien: Lit Verlag 2011, S. 243–250 (Österreichische Kulturforschung, 13)
  • Victor Silberer: Ein Sportsmann, der viele Millionen machte. In: Die Presse, 29.10.2011 [Stand: 29.07.2021]
  • Rudolf Müllner: Der Urvater der österreichischen Sportpublizistik: Victor Silberer (1846–1924). In: "Sind’s froh, dass Sie zu Hause geblieben sind.“ Mediatisierung des Sports in Österreich. Hg. von Matthias Marschik / Rudolf Müllner. Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2010, S. 129–138
  • John W. Boyer: Karl Lueger. Christlichsoziale Politik als Beruf. Eine Biografie. Wien: Böhlau 2010
  • Robert S. Budig / Gertrude Enderle-Burcel / Peter Enderle: Ehrengräber am Wiener Zentralfriedhof. Wien: Compress Verlag 1995, S. 66
  • Niederösterreichische Kulturberichte, Juli-August 1992, S. 20 ff.
  • Helmut Kretschmer: Aus der Geschichte des Flugwesens in Wien. Wien: Eigenverlag 1990 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs Reihe B, 32), S. 6
  • Hans Kronberger: Das österreichische Ballonbuch. Wien: Hora-Verlag 1987
  • Christine Eva Braun: Victor Silberer. Biographie. Diss. Univ. Wien. Wien 1968
  • Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 206
  • Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 271
  • Ludwig Eisenberg: Das geistige Wien. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon. Mittheilungen über Wiener Architekten, Bildhauer, Bühnenkünstler, Graphiker, Journalisten, Maler, Musiker und Schriftsteller. Wien: Daberkow 1889–1892
  • Biographisches Handbuch des NÖ Landtages 1861−1921: Silberer, Viktor [Stand: 29.07.2021]
  • Deutsche Biographie: Silberer, Victor [Stand: 29.07.2021]
  • Österreichisches Biographisches Lexikon: Silberer, Viktor [Stand: 29.07.2021]
  • Österreichisches Parlament: Silberer, Viktor [Stand: 29.07.2021]
  • Literatur von und über Victor Silberer im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus