Robert Musil

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Daten zur Person
Personenname Musil, Robert
Abweichende Namensform
Titel Ing., Dr. phil., Edler von
Geschlecht männlich
PageID 14923
GND 118585916
Wikidata Q78487
Geburtsdatum 6. November 1880
Geburtsort Klagenfurt
Sterbedatum 15. April 1942
Sterbeort Genf
Beruf Schriftsteller, Bibliothekar
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Österreichische Nationalbibliothek
Objektbezug Zwischenkriegszeit, NS-Zeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 7.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 3., Ungargasse 17 (Wohnadresse)
  • 3., Rasumofskygasse 20 (Wohnadresse)
  • 3., Untere Weißgerberstraße 61 (Wohnadresse)
  • 8., Florianigasse 2 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Kleist-Preis (Verleihung: 1923)
  • Kunstpreis der Stadt Wien (Verleihung: 1924)

Robert (bis 1919 Edler von) Musil, * 6. November 1880 St. Ruprecht bei Klagenfurt, † 15. April 1942 Genf, Schriftsteller.

Biografie

Robert Musil kam in St. Ruprecht bei Klagenfurt auf die Welt. Ein Jahr später, 1881, zog die Familie nach Komotau in Böhmen (heute Chomutov), ab 1882 lebten die Musils in Steyr. Hier besuchte Robert Musil auch die Volksschule und die erste Klasse des Realgymnasiums. 1891 übersiedelte die Familie nach Brünn, wo der Vater Alfred Musil eine Professur für Maschinenbau an der Technischen Hochschule antrat und Robert Musil zunächst die Realschule besuchte. Von seinem Vater für die Offizierslaufbahn bestimmt, wechselte er in die Militär-Unterrealschule in Eisenstadt (1892–1894), danach absolvierte er die Militär-Oberrealschule in Mährisch-Weißkirchen. Der nächste Schritt war die Ausbildung zum Artillerieoffizier an der k.u.k. Technischen Militärakademie in Wien, die er aber abbrach.

1898 inskribierte Musil an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn und schloss das Studium 1901 mit der zweiten Ingenieurs-Prüfung und der Gesamtnote "sehr befähigt" ab. Nach dem Wehrdienst in einem Brünner Infanterieregiment arbeitete er zwei Jahre als Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart und begann 1903 ein Studium der Philosophie und Psychologie mit den Nebenfächern Mathematik und Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Die dazu benötigte Gymnasialmatura, etwa in den Fächern Latein und Altgriechisch, legte Musil im Juni 1904 ab. Im Jahr 1908 wurde er schließlich zum Dr. phil. mit der Dissertation "Beitrag zur Beurteilung der Lehren Mach's" promoviert.

Auf Wunsch des Vaters bewarb sich Musil um einen Bibliothekarsposten in Wien und erhielt 1911 eine Stelle an der Bibliothek der Technischen Hochschule Wien. Kurz darauf heiratete er Martha Marcovaldi (1874–1949), geborene Heimann, die zwei Kinder aus ihrer ersten, geschiedenen Ehe mitbrachte. Die Stelle als Bibliothekar gab Musil auf, kurz nachdem er Anfang 1914 Redakteur der renommierten Zeitschrift des S. Fischer-Verlages "Neue Rundschau" geworden war.

Als Reserveoffizier rückte Musil zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Linz zum Landsturm ein. Er war zuerst an der Dolomitenfront (kurzzeitig als Kompagnie-Kommandant), dann am Isonzo stationiert, wo er die vierte Isonzo-Schlacht mitmachen musste. Nach einer schweren Erkrankung war Musil 1916/1917 federführend an der Herausgabe der "Tiroler Soldatenzeitung" beteiligt. Im Herbst 1917 wurde er nicht nur zum Landsturm-Hauptmann befördert, sondern vermittels der Erhebung seines Vaters und dessen Nachkommen in den erblichen Adelsstand auch geadelt. Die letzten Kriegsmonate wirkte Musil an dem vom Wiener Kriegspressequartier herausgegebenen militärischen Wochenblatt "Heimat" mit, deren Gesamtleitung er im Mai 1918 übernahm.

Musil schied am 15. Dezember 1918 aus dem Militär aus und trat einen Monat später eine Stelle im Archiv des Pressedienstes im Staatsamt für Äußeres an, dessen vorrangige Agenda der Anschluss an Deutschland war. Von September 1920 bis 1922 war er schließlich als Fachbeirat im Österreichischen Staatsamt für Heereswesen tätig, wo er sich mit Aus- und Weiterbildung im republikanischen Heer beschäftigte. Danach lebte Musil als freier Schriftsteller, bis August 1938 vorwiegend in Wien. Hier gehörte er zu den Stammgästen der Cafés Central und Herrenhof.

Musils erste nachgewiesene Publikation ist der Prosatext "Variéte" in der "Brünner Neuen Zeitung" vom 19. April 1900. Es folgten Essays für die Münchner Zeitschrift "Natur und Kultur". Von Oktober 1902 bis Februar 1905 verfasste Musil den Roman "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß", in dem er seine Jahre an den Militärschulen verarbeitete und der 1906 beim Wiener Verlag erschien. Der Kritiker Alfred Kerr unterstützte den Autor nicht nur bei den Korrekturen an dem Romantext, sondern lancierte in der Berliner Zeitung "Der Tag" auch eine enthusiastische Rezension, die für Musils schriftstellerische Karriere bahnbrechend wurde. Ebenso war Franz Blei vom "Törleß" begeistert und wurde in Folge zu einem der wichtigsten Förderer und Vermittler von Musils Werk. Mit Heinrich Manns "Professor Unrat" (1905), Hermann Hesses "Unterm Rad" (1906) und dem deutlich später erschienenen Roman "Der Schüler Gerber" (1930) von Friedrich Torberg gehört Musils Debüt zu den Klassikern deutschsprachiger Schulromane.

Musil lieferte in den folgenden Jahren Beiträge für verschiedene Periodika, darunter die von Franz Blei verantworteten Zeitschriften "Hyperion" (1908), "Der Lose Vogel" (1912, 1913) und "Summa" (1918). Sein zweites selbstständiges Buch erschien 1911 bei Georg Müller unter dem Titel "Vereinigungen". Die darin enthaltenen Novellen "Vollendung der Liebe" und "Versuchung der stillen Veronika" sind unter anderem in Auseinandersetzung mit Josef Breuers und Sigmund Freuds "Studien über Hysterie" von 1895 entstanden und brachten Musil die Charakterisierung als "Entdecker von Neuseel-Land" (Ernst Blaas) ein. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten das Theaterstück "Die Schwärmer" (1921), das 1923 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet wurde, der Novellenband "Drei Frauen" (1923) sowie die Komödie "Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer" (1924). In den Jahren 1921 bis 1923 wirkte Musil darüber hinaus als freier Theaterkritiker der "Prager Presse".

Das "Erste Buch" des Romans "Der Mann ohne Eigenschaften" wurde 1930 im Rowohlt-Verlag publiziert. Das "Zweite Buch" sollte 1933 folgen. In diesem (unvollendet gebliebenen) Hauptwerk, einem der bedeutendsten Werke der Weltliteratur, schildert Musil in ironischer, fast schmerzhaft genauer Weise den Zerfall der Habsburger-Monarchie. Bei der jahrzehntelangen Arbeit standen im Zentrum seines Interesses der Krieg sowie die Begeisterung, die ihm vorangegangen war. Musil verschrieb sich mit der ihm eigenen "Tugend des kühnen Zweifels" der Herkulesaufgabe, im "babylonische[n] Narrenhaus" der Vorgeschichte des Krieges ein wenig Ordnung zu machen und Figuren für die verschiedenen Wirkkräfte und Ursachen zu erschaffen, die den Krieg herbeigeführt hatten. In Musils Konstruktion von "Kakanien" kam der modernen Gesellschaft ein zentral gestaltender Wille abhanden, es regierte eine Leere, was den verschiedenen Spezialisten die Chance bot – vom Ganzen losgelöst –, das Gesetz des Handelns zu bestimmen. Trotz begeisterter Kritiken konnte Musil von den Einnahmen aus seinem Schaffen nicht leben. Eine Unterstützungsgesellschaft wurde gegründet. Verschiedene kleinere Texte erschienen 1934 in Buchform, versammelt unter dem berühmten Titel "Nachlass zu Lebzeiten". Seine große Leidenschaft galt aber weiterhin der Arbeit an "Der Mann ohne Eigenschaften", an dem er bis zu seinem Tod arbeitete. Im Nachlass häuften sich etwa 6.000 Seiten mit Entwürfen, Konzepten, Varianten. Teile wurden aus dem Nachlass in verschiedenen Ausgaben rekonstruiert, erstmals von Adolf Frisé in den 1950er Jahren.

Musils Werke wurden nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland verboten. 1936 erlitt Musil einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr richtig erholte. Dennoch hielt er am 11. und 17. März 1937 seinen berühmten zeitkritischen Vortrag "Über die Dummheit", der noch im selben Jahr vom Bermann-Fischer Verlag innerhalb der Schriftenreihe "Ausblicke" veröffentlicht wurde. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland emigrierte Musil in die Schweiz, wo er zuerst in Zürich, dann in Genf wohnte. Am 15. April 1942 starb er an einem Gehirnschlag, seine Asche wurde in einem Wald bei Genf verstreut.

Robert Musils Ruhm als einer der wichtigsten Schriftsteller der Moderne setzte sich in der Nachkriegszeit durch. Seine umfangreichen Tagebücher (1976) und Briefwechsel (1981) wurden erstmals in den "Gesammelten Werken" aus dem Nachlass herausgegeben. In Wien und in Klagenfurt erfolgte in wissenschaftlichen Forschungsinstituten die Arbeit am Nachlass.

Nach Robert Musil ist der Musilplatz benannt.

Werke (Auswahl)

  • Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Wien / Leipzig: Wiener Verlag 1906
  • Robert Musil: Vereinigungen. Novellen. München / Leipzig: Georg Müller 1911
  • Robert Musil: Die Schwärmer. Schauspiel in drei Aufzügen. Dresden: Sibyllen-Verlag 1921
  • Robert Musil: Grigia. Novelle. Mit 6 Originalradierungen von Alfred Zangerl. Potsdam: Müller & Co 1923 (Sanssouci-Bücher, 8)
  • Robert Musil: Drei Frauen. Novellen. Berlin: Rowohlt 1924
  • Robert Musil: Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer. Schauspiel. Berlin: Rowohlt 1924
  • Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften. Roman. Berlin: Rowohlt 1930
  • Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften. Zweites Buch. Berlin: Rowohlt 1933
  • Robert Musil: Nachlaß zu Lebzeiten. Zürich: Humanitas Verlag 1936
  • Robert Musil: Über die Dummheit. Wien: Bermann-Fischer 1937 (Ausblicke)

Literatur (Auswahl)

  • Walter Fanta: Krieg. Wahn. Sex. Liebe. Das Finale des Romans "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil. Klagenfurt: Drava 2015
  • Regina Schaunig: Robert Musils "Achillesroman". Klagenfurt: Kitab 2015
  • Regina Schaunig: Der Dichter im Dienst des Generals. Robert Musils Propagandaschriften im Ersten Weltkrieg. Klagenfurt: Kitab 2013
  • Norbert Christian Wolf: Kakanien als Gesellschaftskonstruktion. Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts. Wien: Böhlau 2011
  • Herbert Kraft: Musil. Wien: Zsolnay 2003
  • Karl Corino: Robert Musil. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2003
  • Karl Corino [Hg.]: Robert Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1988
  • Adolf Frisé: Plädoyer für Robert Musil. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1987
  • Roger Willemsen: Robert Musil. Vom intellektuellen Eros. München [u. a.]: Piper 1985
  • Gabi Mejovsek: Gedanken zu Musil und Emerson. In: Tino Erben [Red.]: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 93), S. 578 ff.
  • Karl Dinklage: Robert Musil. In: Tino Erben [Red.]: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 93), S. 572 ff.
  • Rolf Schneider: Die problematisierte Wirklichkeit. Leben und Werk Robert Musils. Versuch einer Interpretation. Berlin (DDR): Volk und Welt 1975
  • Marie-Louise Roth: Robert Musil. Ethik und Ästhetik. Zum theoretischen Werk des Dichters. München [u. a.]: List 1972
  • Musil-Studien. Hg. ... in Verbindung mit der Vereinigung Robert-Musil-Archiv Klagenfurt. München / Salzburg: Fink 1971 ff.

Weblinks