Zwangsarbeiterlager Gänsbachergasse 3

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Arbeitssaal in der Beschäftigungsanstalt des Obdachlosenheimes 10 (1937).
Daten zur Organisation
Art der Organisation NS-Institution Zwangsarbeiterlager
Datum von 1942
Datum bis 1944
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 58893
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle NS-Lager in Wien
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Bildname Obdachlosenheim 10.jpg
Bildunterschrift Arbeitssaal in der Beschäftigungsanstalt des Obdachlosenheimes 10 (1937).

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48° 10' 37.06" N, 16° 23' 48.69" E  zur Karte im Wien Kulturgut

In 3., Gänsbachergasse 3 befand sich von 1939 bis 1940 ein Sammellager für Jüdinnen und Juden sowie von 1942 bis 1944 ein Gestapolager beziehungsweise Durchgangslager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit.

Das Sammellager Gänsbachergasse 3

Von Oktober 1939 bis Februar 1940 diente das Obdachlosenheim Gänsbachergasse als Sammellager für Deportationen in das geplante "Judenreservat" Nisko am San (Generalgouvernement).

Dies betraf auch den jüdischen Vater einer Wiener Schülerin. Vom 30. Oktober bis 22. Dezember 1939 waren die damals Elfjährige sowie ihre Mutter und Geschwister "aus rassischen Gründen in Haft" beziehungsweise im Sammellager Gänsbachergasse "zum Zwecke des Abtransportes nach Polen kaserniert". Während ihr Vater nach Nisko deportiert wurde, wurden sie und ihre Geschwister in einer anderen Sammelwohnung untergebracht und bis Kriegsende als "Müllsortierer", bei einer Wiener Dachdeckerei beziehungsweise bei der "Müllauswertung" zwangseingesetzt. Die "Arbeitsstelle" war bei der "Mistgstätten" beziehungsweise dem "Bretteldorf" im späteren Bereich Donaupark beziehungsweise Papstwiese.

Planungen für eine Arbeitsanstalt für "minder-Einsatzfähige"

Im Rahmen von "Maßnahmen zur Asozialenbekämpfung" ordnete der Leiter der Abteilung E 8, Stadtsyndicus Dr. Rudolf Parville, am 12. Juni 1942 an, dass die "[b]ei der von der Partei, der Polizei und dem Hauptwohlfahrtsamte der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien in die Wege geleiteten Durchkämmung Wiens nach asozialen Elementen [...] auch zahlreiche alte und auf Grund ihres körperlichen Zustandes 'minder einsatzfähige' [im Schreiben unterstrichen] Asoziale festgestellt" wurden, die für die "Einweisung in die bestehenden städtischen Arbeitsanstalten Klosterneuburg und Am Steinhof, wie auch für die Arbeitserziehungslager der Gestapo in Oberlanzendorf nicht in Betracht kamen."[1]

Aus diesem Grund wurde die bereits am 6. Juli 1939 vom Bürgermeister genehmigte Umwandlung "des Dauerheimes der städtischen Herberge für Obdachlose, Wien III., Gänsbacherstraße 3 in eine Arbeitsanstalt für 'minder-Einsatzfähige' ab 23. September 1942 durchgeführt."[2]

Das Gestapo- beziehungsweise Durchgangslager Gänsbachergasse 3

Zumindest ab 1942 erfüllte die Einrichtung in der Gänsbachergasse für die Wiener Gestapo auch für nichtjüdische Gruppen spezielle Funktion als Durchgangslager, so etwa im Fall eines serbischen Zwangsarbeiters. Dieser wurde vom kroatischen Satellitenregime nach Wien deportiert, wo er laut Meldedaten via "Durchgangslager Gänsbacherg." im Oktober 1942 in das Lager Seitenberggasse kam. Ebenfalls im Oktober 1942 kam ein weiterer serbischer Zwangsarbeiter laut Meldedaten via "Gestapolager 11, Gänsbacherg. 9" in eine Lagerunterkunft in "Albern, Hafen", wo er bis Kriegsende in einer Lagerküche tätig war. Im Mai 1944 kam ein französischer Zwangsarbeiter laut Meldedaten via "Lager Gänsbachergasse" in das Lager Aichholzgasse 11 in Wien 12 und ab Dezember 1944 in das "Ausländerlager Murlingengasse 66" in Wien 12.

In einigen Fällen hatte der Standort Gänsbachergasse offenbar polizeilichen Strafcharakter so etwa im Fall eines französischen Zwangsarbeiters, der via Gestapohaft in Dijon laut Meldevermerk im Juni 1944 vorübergehend im "Lager Gänsbachergasse" inhaftiert war. Ähnlich war im Fall eines weiteren französischen Zwangsarbeiters, der im Juni 1944 im Lager Gänsbachergasse interniert war und dann in zwei Wiener Reichspostlagern (siehe Lager Straße des Ersten Mai 55 und Lager Roggendorfgasse 10-14) unter anderem bei Räumarbeiten zwangseingesetzt war. Bei einem rumänischen Zwangsarbeiter folgte auf die Haft im Arbeitserziehungslager (AEL) Oberlanzendorf der Wiener Gestapo laut Meldekarte der "Gestapo Transport, Lg. Gänsbachg. 4" (vermutlich verschrieben für 3) und von dort ab August 1944 der Zwangseinsatz bei der Lackfabrik Megerle in Wien 21. Im "Durchgangslager Gänsbachergasse" war aber auch ein slowakischer Soldat nach dem slowakischen Aufstand im November/Dezember 1944, nachdem er davor im Gefangenenlager Kaisersteinbruch inhaftiert gewesen war. Ab 4. Dezember 1944 war in einer Unterkunft der Lackfabrik Megerle in Floridsdorf gemeldet (siehe Lager Christian-Bucher-Gasse 35). Auch ein russischer Zwangsarbeiter, der zeitgleich im Lager "Gänsbachergasse 3" war, wurde von dort ab 5. Dezember 1944 zu einer Lagerunterkunft in 16., Herbststraße 64 umgemeldet.

Weiters finden sich im Bestand Landesgericht für Strafsachen im Wiener Stadt- und Landesarchiv mehrere Strafakten[3] mit Bezügen zu Lagern für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Flüchtlinge, Ausländer und Internierte in den Jahren 1944/1945.

Im Strafakt LG I Vr 80/1945 wird das Lager 3., Gänsbachergasse als Durchgangslager genannt.[4]

Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien, Sammellager Gänsbachergasse 3

Quellen

Weblinks

Literatur

  • Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
  • Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 455, 464 und 570

Einzelnachweise