Wilhelm Börner

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Stephanie und Wilhelm Börner in deren Wohnung, 1915
Daten zur Person
Personenname Börner, Wilhelm
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 2046
GND 11622505X
Wikidata Q19311650
Geburtsdatum 26. Juni 1882
Geburtsort Laa an der Thaya, Niederösterreich
Sterbedatum 17. Dezember 1951
Sterbeort Wien
Beruf Schriftsteller, Philosoph
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 24.10.2023 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum
Friedhof Feuerhalle Simmering
Grabstelle Abteilung 8, Ring 3, Gruppe 7, Nummer 41
Ehrengrab ehrenhalber gewidmetes Grab
Bildname StephanieUndWilhelmBörner.jpg
Bildunterschrift Stephanie und Wilhelm Börner in deren Wohnung, 1915
  • 14., Beckmanngasse 4 (Sterbeadresse)
  • 14., Beckmanngasse 4 (Letzte Wohnadresse)
  • 3., Obere Viaduktgasse 32 (Wohnadresse)
  • 2., Vereinsgasse 24 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Wilhelm Börner, * 26. Juni 1882 Laa an der Thaya (Niederösterreich), † 17. Dezember 1951 Wien, Schriftsteller, Philosoph, Pazifist.

Kindheit und Jugend

Wilhelm Börner war der Hauptvertreter der freireligiösen Moralpädagogik und ein Vorkämpfer der Friedensbewegung in Österreich. Er kam 1882 als Sohn des Eisenbahningenieurs Wilhelm Börner († 5.12.1914) und dessen Ehefrau Ida, einer aus Böhmen stammenden Advokatentochter, zur Welt. Die Eltern hatten am 21. November 1870 geheiratet. Die Familie, zu der noch Wilhelms älterer Bruder Emil (07.10.1877–23.12.1945) zählte, lebte zu diesem Zeitpunkt aufgrund beruflicher Verpflichtungen des Vaters in Laa an der Thaya. Ein Jahr nach der Geburt des jüngeren Sohnes übersiedelte die Familie nach Wien. Wilhelm Börner besuchte die Volksschule in der Kolonitzgasse 15, anschließend ein Gymnasium ebenfalls im 3. Bezirk. Nach dem frühen Tod der Mutter, Wilhelm Börner war zehn Jahre alt, zog Wilhelm Börner senior mit seinen beiden Söhnen in das Haus von Emilie Iffinger († 27.12.1914). Bei ihr handelte es sich um eine verwitwete Schwester von Ida Börner, sie war also Wilhelms Tante und zugleich Taufpatin. Rund 46 Jahre lang, bis zu seiner Vertreibung 1938, lebte Wilhelm Börner im Haus mit der Nummer 32 in der Oberen Viaduktgasse im 3. Bezirk. Mehrere Aufnahmen von dem Haus, die sich in den Beständen in der Wienbibliothek im Rathaus erhalten haben, zeugen von seiner Verbundenheit mit dieser Adresse.

Während sich Emilie Iffinger in Wien um den heranwachsenden Wilhelm kümmerte, besuchte der ältere Bruder bereits eine Mittelschule in Krems und studierte anschließend in Wien. Eine Zeit lang arbeitete er als Mittelschulprofessor in Mähren, ehe er später wieder in Wien tätig war.

Studienzeit und die Ethische Gemeinde

Wilhelm Börner war ab dem Wintersemester 1902/03 für fünf Semester an der philosophischen Fakultät der Universität Wien inskribiert. Er studierte unter anderem bei Wilhelm Jerusalem, Friedrich Jodl, Klemens Kreibig und Laurenz Müller und belegte vor allem Kurse zu Ethik und Philosophie. Einen Studienabschluss erreichte er vermutlich nicht. Vor allem Friedrich Jodl prägte den jungen Wilhelm Börner sehr. 1902 hatte er Jodls Schrift "Über das Wesen und die Aufgabe der Ethischen Gesellschaft" gelesen, den verschriftlichten Eröffnungsvortrag anlässlich der Gründung der Gesellschaft 1894, und wurde – etwa zeitgleich zum Studieneintritt – auch Mitglied in der Ethischen Bewegung. Bis an sein Lebensende sollte Börner aufs Engste mit der Ethischen Gesellschaft (später: Ethische Gemeinde) verbunden bleiben. Aber nicht nur in die Ethische Gesellschaft folgte Börner seinem Lehrer und späteren Vertrauten Jodl, sondern auch in andere Vereine und Organisationen, wie etwa dem von Jodl geleiteten Wiener Volksbildungsverein, in dem Börner von 1906 bis 1909 als erster Sekretär tätig war. Nach Jodls Tod 1914 wurde Börner mit der Herausgabe dessen Nachlasses betraut und hielt auch Kontakt zur Witwe Margarete Jodl, die er mit der Zeit in Briefen liebevoll als "Tante" ansprach.

Wie sein Vorbild Jodl setzte sich Wilhelm Börner für eine strikte Trennung von Kirche und Staat und für einen konfessionslosen Moralunterricht anstatt des konfessionellen Religionsunterrichts an Schulen ein. Börner, der formal erst 1914 aus der katholischen Kirche austrat, wurde 1911 in Prag das erste Mal wegen "Verbrechen der Religionsstörung" angeklagt und verurteilt, nachdem er im Rahmen einer "Ferrer-Feier" eine Rede gehalten hatte. Eine von Jodl verfasste Solidaritätserklärung wurde von zahlreichen namhaften Persönlichkeiten unterzeichnet. Auch mediale Aufmerksam erreichte der Prozess. 1912 wurde Börner zum ersten Zentralsekretär der österreichischen Freidenker ernannt. Er verstand sich aber auch als Monist, fühlte sich einem naturwissenschaftlichen Weltbild verpflichtet und lehnte Metaphysisches ab. 1913 übersiedelte er nach Leipzig, um für den Deutschen Monisten Bund die 14tägig erscheinende Jugendzeitung "Sonne" als Schriftleiter zu betreuen. Im Jahr darauf erschien sein auf einem Vortragszyklus basierendes Buch "Charakterbildung für Kinder".

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang ihn zur Rückkehr nach Wien. Noch im ersten Kriegswinter, im Februar 1915, heiratete Wilhelm Börner Stephanie Wolf. Die beiden kannten sich zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits seit 15 Jahren. Bis zu seiner Vertreibung 1938 lebte das Paar in der Unteren Viaduktgasse 32. Stephanie Börner unterstützte ihren Ehemann bei seinen Tätigkeiten und war ihm eine wichtige Partnerin im intellektuellen Austausch, die – so legt es der Briefwechsel des Ehepaares nahe – an seiner nach außen hin sichtbaren Arbeit vermutlich ebenfalls wesentlichen Anteil hatte. Börner, der aufgrund eines Herzfehlers zunächst für untauglich befunden und nicht in den Ersten Weltkrieg eingezogen wurde, war in der Kartothek des Regimentes in Ödenburg eingesetzt und arbeitete später in der Bücherzensurstelle in Wien. Bei einer Nachmusterung 1916 wurde er allerdings für "militärdiensttauglich" befunden. Er verfasste daraufhin ein Schreiben, in dem er den Dienst an der Waffe mit Verweis auf seine pazifistische Einstellung verweigerte. Schließlich kam es zu einer Hausdurchsuchung samt Konfiszierung von Materialien und Börner wurde wegen Verdachts des Hochverrates verhaftet. Juristisch vertreten wurde er in der Angelegenheit von Julius Ofner, einem Freund der Familie, dem es gelang, seine Enthaftung zu erreichen. Das Verfahren wurde erst nach Zusammenbruch der Monarchie, im November 1918, eingestellt.

Zentrale Stätte seines Wirkens war vor allem die Ethische Gesellschaft (später: Ethische Gemeinde), deren Sekretär (ab 1909) und Leiter (ab 1919) er war und die er weiter ausbaute. Über diese war er auch international vernetzt; Kontakte pflegte er nicht nur nach Deutschland sondern etwa auch zu Felix Adler, dem Gründer der Gesellschaft für Ethische Kultur in New York, und 1921 reiste Börner auf Einladung von John Lovejoy Elliott nach New York und traf mit Vertretern der dortigen Ethischen Gesellschaft zusammen. Zu den Angeboten der Ethischen Gemeinde zählten Kurse für Kinder in "Sittlicher Lebenskunde", Einführungskurse in die Ethik für Lehrer am Pädagogischen Institut der Stadt Wien, Vorträge in Elternvereinigungen und in der Gesellschaft für Friedenserziehung – häufig von Börner selbst gehalten. Ab 1926 befasste sich Wilhelm Börner verstärkt mit dem Thema Suizid und im Mai 1928 eröffnete die Ethische Gemeinde eine "Beratungsstelle für Lebensmüde". Diese Beratungsstelle wurde – wie auch die Ethische Gemeinde selbst – ab 1933 vom austrofaschistischen Regime noch geduldet und im März 1938 von der GESTAPO aufgelöst.

New Yorker Exil und Rückkehr nach Wien

Wilhelm Börner wurde am 21. März 1938 verhaftet und auch Walter Eckstein, Vorsitzender der Ethischen Gemeinde, war wenige Wochen nach Börner inhaftiert worden. Aufgrund prominenter Führsprecher – John L. Elliott reiste persönlich nach Europa, um sich in Berlin und Wien für die Freilassung der beiden einzusetzen – kamen die zwei Männer am 23. Mai 1938 unter der Auflage, dass sie mit ihren Frauen das Land verlassen, frei.

Im New Yorker Exil setzten sich Stephanie und Wilhelm Börner für andere Flüchtlinge aus Europa ein und versuchte Affidavits zu organisieren. Auch hielt Wilhelm Börner Vorträge in deutscher Sprache. Im Februar 1946 erkrankte er am Herzen, was die geplante Rückkehr nach Wien verzögerte. Im Herbst 1949 kehrte das Ehepaar Börner in das zerstörte Wien zurück und fand hier nur noch wenige Freunde vor, wohnhaft war es nun in der Beckmanngasse 4. Rasch nahm das Paar seine Arbeit für die 1948 neu gegründete Ethische Gemeinde, zu deren Leiter Wilhelm Börner in Abwesenheit wiedergewählt wurde, auf und baute diese neu auf. Wilhelm Börner verstarb am 17. Dezember 1951 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Ein sieben Archivboxen umfassender "Teilnachlass Wilhelm Börner" sowie seine Bibliothek, eine rund 2.700 Inventarnummern und drei Archivboxen umfassende "Sammlung Wilhelm Börner" sowie das zehn Archivboxen umfassende "Teilarchiv Gesellschaft für Ethische Kultur" befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus.


Werke (Auswahl)

  • Wilhelm Börner: Die "Ethische Gesellschaft" in Österreich. Wien: Verlag der österreichischen "Ethischen Gesellschaft" 1910
  • Wilhelm Börner: Die Schundliteratur und ihre Bekämpfung. Wien: Selbstverlag 1910
  • Wilhelm Börner: Friedrich Jodl. Eine Studie. Stuttgart / Berlin: Cotta 1911
  • Wilhelm Börner: Charakterbildung für Kinder. München: Beck 1914
  • Wilhelm Börner: Werdet Helden! Ein offener Brief in der Kriegszeit an die deutschen Kinder. München: Beck 1916
  • Wilhelm Börner: Erziehung zur Friedensgesinnung. Wien: Ethische Gesellschaft 1918
  • Wilhelm Börner: Antisemitismus. Rassenfrage. Menschlichkeit. Wien: Verlag der Ethischen Gemeinde 1936

Quellen

Literatur

  • Marcel Atze / Kyra Waldner [Hg.]: "Es ist Frühling, und ich lebe noch". Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs in Infinitiven. Von Aufzeichnen bis Zensieren. Wien: Residenz 2014, S. 404–407
  • Sonja Kato-Mailath-Pokorny: Wilhelm Börner (1882-1951). Sein Leben an Hand ausgewählter Werke. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2007
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980-1999
  • Wilhelm Börner: Kritischer Optimismus. Wien: Sensen-Verlag 1971
  • Rathauskorrespondenz, 23.06.1952, 24.06.1957, 15.12.1976
  • Hans Pemmer / Franz Englisch: Landstraßer Häuserchronik. Manuskript in 11 Bänden (WStLA). Wien: 1958 ff., Bände 6, 7
  • Wilhelm Börner. Biographische Skizze von Stephanie Börner. In: Zum Gedächtnis Wilhelm Börners. Hg. von der Ethischen Gemeinde in Wien. Wien: 1952, S. 17–27


Wilhelm Börner im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks