Wiener Verlag

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Titelblatt des 1902 im Wiener Verlag erschienenen Werks "Die Gedenktafel der Prinzessin Anna" von Felix Salten (Wienbibliothek Digital)
Daten zur Organisation
Art der Organisation Verlag
Datum von 1. November 1899
Datum bis 1. Jänner 1929
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 71767
GND 10074501-5
WikidataID
Objektbezug Verlagsgeschichte
Quelle Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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Letzte Änderung am 13.04.2021 durch DYN.krabina
Bildname WienerVerlag.jpg
Bildunterschrift Titelblatt des 1902 im Wiener Verlag erschienenen Werks "Die Gedenktafel der Prinzessin Anna" von Felix Salten (Wienbibliothek Digital)
  • 9., Garelligasse 2

Frühere Adressierung
  • Wiener Verlag (Sep.-Cto. L. Rosner) (1899)
  • Wiener Verlag Fritz Freund (1904, bis: 1906)
  • Wiener Verlag. Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei Ges.m.b.H. (1906)

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48° 12' 54.13" N, 16° 21' 22.11" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Wiener Verlag. Der "Wiener Verlag" wurde im Herbst 1899 gegründet und stand anfangs in Verbindung zu Leopold Rosner, einer in Wien sehr bekannten und allgemein geschätzten Persönlichkeit jener Zeit.

Leopold Rosner und der Wiener Verlag

Der zunächst als Schauspieler tätige Rosner trat 1861 in den Buchhandel ein und etablierte sich zu Beginn der 1870er Jahre als Verleger und Sortimenter unter den Tuchlauben im 1. Bezirk. Am 7. August 1874 wurde er als Inhaber der Firma "L. Rosner" ins Wiener Handelsregister eingetragen. Nach einer schweren Erkrankung im Jahre 1885 war Rosner gezwungen, die Geschäftsleitung abzugeben und seinen Theaterverlag an die Wallishausser’sche Hofbuchhandlung zu verkaufen. Das Sortimentgeschäft neben den übrigen Verlagsartikeln ging an August Schulze über. Rosner hatte sich auf vielfältige Weise eingebracht: Selber ein Schaffender, war er auch Bearbeiter und Übersetzer von französischen und ungarischen Werken und zeichnete sich als Verleger durch einen guten Spürsinn und Unternehmungsgeist aus. Mit Heinrich Laube zählte er zu den Entdeckern Ludwig Anzengrubers. Er veranlasste den "Wiener Spaziergänger" Daniel Spitzer, seine Feuilletons zu sammeln und brachte die Klassiker der Wiener Geschichte, Friedrich Schlögl und Ferdinand Kürnberger, sowie Adolf Wilbrandt und Albrecht von Wickenburg heraus. Auch schuf Rosner das "Neue Wiener Theater-Repertoire", in welchem viele Burgtheaterstücke zum Abdruck gelangten. Am 23. Juli 1889 wurde der neue Firmenwortlaut – "Buchhandlung L. Rosner" – ins Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig wurde Rosner als Firmeninhaber gelöscht. Zehn Jahre später, am 17. März 1899, wurde nun diese Firma aus dem Handelsregister gelöscht. Am selben Tag wurde das Geschäft in eine Kommandit-Gesellschaft umgewandelt mit Carl Wilhelm Stern als öffentlichem Gesellschafter und Franz Ludwig Liebeskind in Leipzig als Kommanditist.

Gegen Ende 1899 begannen Bücher mit dem Impressum "Wiener Verlag. (Buchhandlung L. Rosner-Sep.-Cto.)" zu erscheinen. Der Gründer des Unternehmens war der ältere Bruder Egon Friedells, Oskar Friedmann, aber in welcher geschäftlichen Verbindung die Firma "Wiener Verlag" zum Inhaber der "Buchhandlung L. Rosner", Carl Wilhelm Stern, stand, lässt sich nicht rekonstruieren. Man kann jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der "Nur-Verleger“ Friedmann, um das Problem der Beschaffung einer Konzession zu umgehen, die Verbindung zu einem konzessionierten Unternehmen gesucht hatte. Fest steht, dass bis September 1900 bereits 20 Titel – Essays, Romane, Novellen, Theaterstücke – auf dem Markt waren, drei weitere waren für September angekündigt.

Der Wiener Verlag unter Fritz Freund

Schon 1901 soll der Jungschriftsteller Fritz Freund (* 7. April 1879, Wien), der in der Firma L. Rosner den Buchhandel erlernt hatte, seine Absicht bekannt gemacht haben, den Verlag zu übernehmen. Am 6. November 1902 bewarb er sich um die Mitgliedschaft bei der Corporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler und gab seine Absicht bekannt, eine Konzession für "den Verlagsbuchhandel Wiener Verlag Rosner" erwerben zu wollen. Spätestens im März 1903 war Friedmann aus dem Verlag ausgeschieden und dessen Leitung von Freund übernommen worden.

Fritz Freund übernahm den Verlag mit einem Kapital von 20.000 Kronen, die er von seiner Mutter erhalten hatte, und am 26. April 1904 wurde der "Wiener Verlag Fritz Freund" in das Register für Einzelfirmen beim Wiener Handelsgericht eingetragen. Seine Konzession als Verleger hatte Freund kurz zuvor, in einer Sitzung der Corporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler am 7. April 1904, erhalten.

Unter der Leitung Freunds nahm der an sich recht produktive Verlag eine ungeheure Ausdehnung an, doch war Freund gezwungen, übermäßigen Kredit in Anspruch zu nehmen. Auch die Regiekosten, die monatlich 14.000 Kronen betrugen, waren für die Verlagsbranche viel zu hoch. Der Verlag hatte zwar außerordentlich große Verkaufserfolge aufzuweisen, aber für jeden "Verkaufshit" – Beispiele werden weiter unten angeführt – gab es ein Mehrfaches an Ladenhütern. Um sich eine finanzielle Verschnaufpause zu verschaffen, entschloss sich Freund, sein Unternehmen in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umzuwandeln. Am 12. Oktober 1906 ließ er den "Wiener Verlag Fritz Freund" aus dem Handelsregister löschen, um am selben Tag den "Wiener Verlag. Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei Ges.m.b.H." in Wien V., Wienstraße 89a eintragen zu lassen. Das Stammkapital betrug 40.500 Kronen, doch existierte die Summe mehr auf dem Papier als in Wirklichkeit. Es handelte sich bis auf die eingezahlten 500 Kronen des Wiener Verlag-Autors und nunmehrigen zweiten Geschäftsführers Willi Handl um eingebrachte Vermögenswerte, die also nicht unbedingt mit flüssigem Betriebskapital zu verwechseln waren. Als der Gesellschaftsvertrag beim Notar aufgesetzt wurde, gehörten 80 Prozent der Geschäftsanteile Freund und die restlichen 20 Prozent Handl.

Ein dem Notariatsakt beiliegendes Verzeichnis führte nicht weniger als 136.230 Bände bzw. 210 verschiedene Titel an. Von manchen Titeln gab es anlässlich der Umwandlung mehr als 4.000 Exemplare auf Lager, so beispielsweise von Arthur Schnitzlers "Reigen" (4.010), Hans Kirchsteigers "Beichtsiegel" (4.200) oder Karl Schönherrs "Caritas" (4.350). Die Produktion dürfte insgesamt zwischen 250 und 300 Werke umfasst haben.

Schon Mitte 1907 wurde erneut über Zahlungsschwierigkeiten beim Wiener Verlag spekuliert. Der Verlag strebte durch den Advokaten Dr. Robert Lazarsfeld ein Arrangement mit seinen Gläubigern an, doch die Höhe der Passiva, die mit einer halben Million Kronen beziffert wurde, war enorm. Der Verlag stellte fortan die teuren Anzeigen im Börsenblatt ein – betroffen davon war nicht zuletzt Robert Musil, dessen 5. Auflage von "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" dort beworben wurde. Am 7. Mai 1908 musste sich Fritz Freund vor einem Wiener Erkenntnissenat wegen selbstverschuldeter Krida und Exekutionsvereitelung verantworten. Freund hatte bald die Unmöglichkeit eingesehen, das Geschäft weiter fortzufahren, denn sein Schuldenstand betrug 176.205 Kronen, denen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nur ganz geringe Aktiva gegenüberstanden. Freund hingegen bezifferte den Wert seines Warenlagers mit 400.000 Kronen. Doch waren die Bücher und Werke längst gepfändet, zum Teil schon exekutiv verkauft worden. Der Senat erkannte den Angeklagten für schuldig und verurteilte ihn zu drei Wochen strengen Arrests.

1910 wurde Fritz Freund vom Handelsgericht aufgefordert, seine Firma zu liquidieren und aufzulösen, was allerdings daran scheiterte, dass die Geschäftsanteile gepfändet waren. Trotz der Absicht, den Geschäftsbetrieb mit 1. April 1911 wieder aufzunehmen, ist es dazu nicht gekommen. Am 1. Jänner 1929 wurde die Firma schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.

Fritz Freund blieb der Buchhandelsbranche verbunden, wurde jedoch 1911 in Budapest wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit angeklagt, nachdem er bei einigen Budapester Buchhändlern mit "pornographischen Büchern" hausieren gegangen war. In den 1920er und 1930er Jahren gab er eine Filmzeitschrift (Österreichische Filmzeitung) heraus und konnte nach der Enteignung 1938 unter Verlust seines ganzen Eigentums 1939 nach England auswandern.

1947 erschien eine gedruckte Liste der "Bücher aus dem Wiener Verlag". Dem Vorwort dazu ist zu entnehmen, dass es nach Kriegsende Bestrebungen gab, den Verlag zu revitalisieren. Ob, und wenn ja, in welcher Verbindung dieser Verlag zur der 1929 aus dem Handelsregister gelöschten Firma stand, ist nicht geklärt.


Produktion

Der Wiener Verlag sticht einerseits durch die bunte Palette der Produktion, andererseits durch die juristischen Vorgänge rund um den Verlag und dessen Inhaber hervor. Zu den Vertretern der Wiener Moderne, deren Werke zwischen Ende 1899 und März 1907 im Wiener Verlag erschienen, zählten beispielsweise Felix Salten, Hermann Bahr, über den wahrscheinlich viele junge Autoren zum Verlag gekommen sind, Felix Dörmann, Karl Schönherr, Stefan Großmann, Hugo Salus, Raoul Auernheimer, Eugen Guglia, Leopold Lipschütz, Theodor Herzl, Max Kalbeck, Hans v. Kahlenberg, Max Mell, Alice Schalek, Moritz Heimann, Paul Busson, Ferdinand von Saar, Robert Musil, Richard Schaukal, Paul Wertheimer und viele weitere. Einige Bücher erlebten riesige Auflagen, und nicht selten waren es Werke, die in Deutschland früher oder später verboten wurden, darunter Hans Kirchsteigers "Das Beichtsiegel" mit in wenigen Tagen nach Erscheinen 13.000 verkaufte Exemplare.

Im Jahre 1903 glaubte Freund eine Marktlücke entdeckt zu haben, als er im Mai die neue Buchserie "Bibliothek berühmter Autoren" ins Leben rief, in der bis Mitte Juni 1905 50 Bände erschienen. Das Angebot bestand ausschließlich aus Übersetzungen nicht-deutschsprachiger, meist skandinavischer, französischer, polnischer, russischer oder englischer Autoren. Zur Gestaltung der Umschläge zog Freund erstklassige Künstler heran. 15 Umschläge stammten von Berthold Löffler, sieben von Leo Kober, sechs von Leopold Forstner und drei von Fritz Schönpflug. Auch auf die Wahl des Vorsatzpapiers und die gediegene Ausstattung wurde großer Wert gelegt.

Mit genau derselben Werbestrategie ging Freund an die Schaffung einer zweiten Buchserie, die "Bibliothek moderner deutscher Autoren", heran, die ab Oktober 1904 erschien. Er scheute keine Kosten, um unzählige ganzseitige Einschaltungen im Börsenblatt zu platzieren. In dieser Reihe erschienen insgesamt 20 Titel (bis September 1905), deren erster von Arthur Schnitzler stammte, die Novelle "Die griechische Tänzerin". Innerhalb von acht Wochen waren über 80.000 Exemplare der Reihe verkauft worden und von Schnitzlers Novelle war im Jänner 1905 schon das 11.-15. Tsd. im Druck. Zu den weiteren Autoren dieser Reihe zählten Hugo von Hofmannsthal, Felix Dörmann, Carl Hauptmann, Heinrich Mann, Johannes Schlaf, Hans von Kahlenberg, Felix Salten, Otto Ernst und Siegfried Trebitsch. Wiederum waren die farbigen Umschläge von bekannten Künstlern wie Heinrich Vogeler, Walter Hampel, Josef Engelhart und Emil Orlik gestaltet worden, damit sich die Bände besser verkaufen würden.

So viel Werbeaufwand hatte kaum ein anderer österreichischer (belletristischer) Verlag aufzuweisen, und obwohl der Wiener Verlag außerordentlich viel im Börsenblatt annoncierte (und nicht ein einziges Mal in der Österreichisch-ungarischen Buchhändler-Correspondenz seine Bücher anzeigte), gab er außerdem für Auslagendekoration und Werbeprospekte einzelner Verlagswerke sehr viel Geld aus. Ein Beispiel hierfür ist die umfangreiche Werbung (im Börsenblatt und anderswo) für Arthur Schnitzlers Reigen, der im April 1903 beim Wiener Verlag auf den Markt kam. Die Gesamtauflage des Reigen beim Wiener Verlag betrug 35.000 Exemplare.

Fritz Freund stand seit 1903 in regelmäßigen Abständen entweder vor dem Richter oder in Urheberrechtsfragen mit Inhabern von Rechten in Streit. Sein Umgang mit Verlagsautoren und Mitarbeitern vor allem in Gelddingen dürfte – wie Prozessberichte zeigen – nicht gerade großzügig gewesen sein. Wenn die Anklage nicht auf Verletzung der Sittlichkeit lautete, dann auf Ehrenbeleidigung, Vorenthaltung eines Honorars – wie im Fall seines Erfolgsautors Hans Kirchsteiger 1906, oder unautorisierte Übersetzung. In der Regel verlor Freund die Prozesse und gewann die gerichtlich nicht belangbaren Urheberrechtsstreitigkeiten. Einmal trat sogar der Mitbegründer der Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann, als Sachverständiger gegen ihn auf, als er einen bedeutenden deutschen Künstler mit einem minimalen Honorar abspeisen wollte.

Am „geschicktesten“ war der Inhaber des Wiener Verlags auf dem Gebiet der deutschen Übersetzungen aus skandinavischen und slawischen Sprachen. Unter Ausnützung aller Griffe hinsichtlich mangelnden Urheberrechtsschutzes verstand er es blendend, andere Verlage, die autorisierten Übersetzer oder auch die Autoren selber auszutricksen und eine Übersetzung in seinem Verlag erscheinen zu lassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Er veröffentlichte ein Werk von August Strindberg, und zwar rasch und bevor Schweden offiziell der Berner Convention beitrat. Strindberg ging mit leeren Händen aus, der Übersetzer auch.

Es besteht kein Zweifel, dass der Wiener Verlag sowohl unter Oskar Friedmann als auch unter Fritz Freund die österreichische Verlagsszene auf dem Gebiet der jungen österreichischen Literatur wie auch des anspruchsvollen Buchschmuckes ungemein belebte. Er förderte auch jüngere Autoren wie den völlig unbekannten 25-jährigen Robert Musil oder den 23-jährigen Leopold Perutz. Als Verleger gelegentlich etwas "schlüpfriger" Werke, die im Deutschen Reich, aber nicht in Österreich verboten wurden, und kirchenkritischer Romane, wie etwa derjenigen von Hans Kirchsteiger, zog Fritz Freund den Ärger katholischer Kreise auf sich und musste im Februar 1905 eine 5-stündige Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen. Der "unerhörte" Vorfall war kurz darauf Gegenstand einer Anfrage im Haus der Abgeordneten.

In den Beständen der Wienbibliothek im Rathaus befinden sich einige an den Wiener Verlag gerichtete Korrespondenzstücke, die beispielsweise von Robert Musil oder Ferdinand von Saar stammen.

Quellen

  • Bücher aus dem Wiener Verlag. Wien: Wiener Verlag 1947 (Wienbibliothek im Rathaus, DS, A-119611)

Literatur