Stadtbeschreibungen

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Titelblatt der statistschen Topographie "Beschreibung der k. k. Residenzstadt Wien" (1785)" von Ignaz de Luca, 1785
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Quellenkunde
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Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 24.01.2020 durch WIEN1.lanm08mic
Bildname Luca_Beschreibung_1785.jpg
Bildunterschrift Titelblatt der statistschen Topographie "Beschreibung der k. k. Residenzstadt Wien" (1785)" von Ignaz de Luca, 1785


Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1994.

Stadtbeschreibungen. Die bislang umfassendste Studie zu den Stadtbeschreibungen Wiens (mit Schwerpunkt auf 1700–1873) wurde von Kai Kauffmann erstellt. Gemäß seiner Darstellung stellte neben den bereits ab dem 13. Jahrhundert vorliegenden Lobsprüchen auf Wien – darunter der berühmteste, von Wolfgang Schmeltzl verfasste "Lobspruch der Hochlöblichen weit berümbten Khünigklichen Stat Wienn in Österreich" (11547) – und den ab dem Spätmittelalter von Besuchern Wiens verfassten Reisebeschreibungen ab Beginn der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert hinein zunächst die Historische Topographie den dominanten Typus der Stadt- und Gesellschaftsbeschreibung Wiens dar.

Topographien

Diese Historischen Topographien zielten auf ein adeliges oder gelehrtes Publikum ab, ihre bekanntesten Ausprägungen wurden von Wolfgang Lazius ("Vienna Austriae", 11547), Johannes Matthias Testarello della Massa ("Kurze doch eigentliche Beschreibung", ungedruckt, um 1685), Ignaz Reiffenstuell ("Vienna gloriosa", 11700), Antonio Bormastino ("Historische Erzehlung Von der käyserlichen Residentz-Stadt Wienn", 11715), Johann Basilius Küchelbecker ("Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kayserlichen Hofe", 11730) und Matthias Fuhrmann ("Alt- und Neues Wien", 1738/1739; "Historische Beschreibung", 1766-1770) verfasst.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Historischen Topographien von den Statistischen Topographien abgelöst, die sich insbesondere an Beamte und ein bürgerliches Publikum wandten, auf Grund ihres umfassenden Anspruchs aber oft unvollendet blieben, wie etwa Ignaz de Lucas Werke "Beschreibung der k. k. Residenzstadt Wien" (1785), "Wiens gegenwärtiger Zustand unter Josephs Regierung" (1787) und seine "Topographie von Wien" (1794).

Die Praktischen Topographien waren im Vergleich dazu mehr für den unmittelbaren Gebrauch durch Reisende und die Stadtbevölkerung gedacht, sie wurden insbesondere bei Joseph von Kurzböck (u. a. Almanach de Vienne, 1773; Almanach von Wien 1774; Neueste Beschreibung aller Merkwürdigkeiten Wiens 1779; Neuester wienerischer Wegweiser 1792) verlegt.

Satirische Werke – Moralische Wochenschriften – Broschüren

Ebenfalls wichtige Quellen der Stadtbeschreibung sind die Werke der Moral- und Sittensatire von Abraham a Sancta Clara und Johann Valentin Neiner sowie die ab den 1760er Jahren publizierten Moralischen Wochenschriften (etwa Joseph von Sonnenfels' "Mann ohne Vorurtheil", 1765-1767) und schließlich die Broschüren der "erweiterten Preßfreiheit" ("Broschürenflut", 1781-1795).

Wiener Tableau – Tableau mouvant

Ab den 1780er Jahren übernahm – angeregt durch Louis Sébastien Merciers "Tableau de Paris" – der Typus des Wiener Tableau die Funktion der Topographien; es erhob nicht mehr deren umfassenden Anspruch, sondern stellte – wie Johann Pezzl in seiner "Skizze von Wien" (1786-1790) – das städtische Leben als offen und beweglich dar; es handelt sich dabei um einen Typus der Stadtbeschreibung, der als Vorläufer der Arbeiten der empirischen Soziologie betrachtet werden kann. Noch mehr der verstärkten Dynamik moderner Städte gerecht wurde schließlich das in Zeitschriftenform erscheinende "Tableau mouvant", wie es insbesondere die nacheinander von Joseph Richter, Franz Xaver Karl Gewey und Adolf Bäuerle herausgegebenen Eipeldauer-Briefe (1785/1787, 1792-1821) lieferten.

Wiener Korrespondenz – Wiener (Historische) Lebensbilder

Ab 1820 kam Unterhaltungszeitungen wie der Theaterzeitung eine große Bedeutung für die Stadtbeschreibung zu, wobei sich ein Ausdifferenzierungsprozess feststellen lässt: Eine Berichterstattung über Lokalereignisse, deren Kommentierung sowie die Propagierung technischer Neuigkeiten fand im Typus der "Wiener Korrespondenz" statt (beispielsweise Rubrik "Telegraph von Wien" in der Theaterzeitung ab 1830, oder die entsprechenden Rubriken in "Der Österreichische Zuschauer" ab 1835), während die "Wiener Lebensbilder" erzählerische, fiktionale Mittel einsetzten und die Defizite der Modernisierung thematisierten (so Ignaz Franz Castellis "Wiener Lebensbilder" ab 1825, Karl Johann Braun von Braunthals "Antithesen" 1834 und die von Adalbert Stifter mitverfasste Anthologie "Wien und die Wiener, in Bildern aus dem Leben" ab 1842). Die "Wiener Historischen Lebensbilder" wiederum – etwa Franz Gräffers "Kleine Wiener Memoiren" (1845-1846) – verklärten die Vergangenheit.

Wiener Wochenplauderei – Wochenchronik

Schon knapp vor der Revolution von 1848 entwickelte sich aus der "Wiener Korrespondenz" die individuell-subjektive Darstellungsart der "Wiener Wochenplauderei oder Wochenchronik", die mit der Entstehung der modernen Tageszeitungen ab 1848 geradezu zum Kernstück deren Feuilletons wurde; dazu zählten etwa die von Heinrich Landesmann ab Juli 1848 in der Tageszeitung "Die Presse" veröffentlichte "Wochen-Chronik" oder Daniel Spitzers "Wiener Spaziergänge" (ab 1865). Der Darstellungstypus des "Bildes" spielte im Feuilleton demgegenüber keine so große Rolle mehr, erwähnenswert sind hier vor allem Friedrich Schlögls "Kleine Culturbilder aus dem Volksleben" (ab 1868, in Buchform als "Wiener Blut" 1873). Diese beinhalteten Moral- und Sozialkritik und erhoben den Anspruch, als eine "Art 'socialen Wegweiser'" zu dienen; sie kamen damit dem journalistischen Genre der Reportage nahe.

Höhepunkt 1873

Ihren Höhepunkt erreichte die Wiener Stadtbeschreibung rund um die Weltausstellung von 1873, als etliche Sonderbeilagen von Tageszeitungen und Bücher Wien als Weltstadt präsentierten. Der anschließende Börsenkrach sollte dieses Selbstbild nachhaltig beschädigen.

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Quellen

Literatur