Sophie von Löwenthal
Sophie von Löwenthal, * 25. Oktober 1810 Wien, † 9. Mai 1889 Wien, Schriftstellerin
Biografie
Sophie von Löwenthal wurde als das zweite von neun Kindern von Franz Joachim von Kleyle (1775–1854), dem Kanzlisten und Vertrauten von Erzherzog Carl, und Karoline von Ockel geboren und erhielt ausführlichen Privatunterricht. Ein Verehrer Sophies war Ludwig von Köchel, der spätere Autor des Verzeichnisses von Mozarts Werken. In Ihr Tagebuch notierte die 16-Jährige: „Köchel ist so ein vortrefflicher, gebildeter, geistreicher Mensch, aber er ist nicht herzlich. Es fehlt ihm das innige, herzliche Wesen“.[1] Sie entschied sich zu einer anderen Eheschließung: Mit 19 Jahren heiratete sie in Wien Max von Löwenthal, einen „Konzeptspraktikant der Allgemeinen Hofkammer“.[2] Löwenthal durchlief eine steile Karriere, wurde 1849 Sektionsrat im neu errichteten Handelsministerium, 1866 Leiter der neugeschaffenen Abteilung für Post und Telegraphenangelegenheiten und schließlich 1868 für seine Leistungen in den Freiherrnstand erhoben. Sophie von Löwenthal unterhielt mit ihrem Mann, der sich in seiner Freizeit schriftstellerisch betätigte, einen literarischen Salon – auch Sophie von Löwenthal versuchte sich immer wieder im literarischen Schreiben. Das Ehepaar hatte drei Kinder, zwei davon, Zoe (1832–1862) und Ernst (1830–1866), verlor Sophie zu ihren Lebzeiten, nur Arthur (1835-1905) überlebte die Mutter.
Im Herbst 1834 besuchte Nikolaus Lenau den Löwenthal’schen Salon, wo er aus seinem „Faust“ las. Am 8. November übergab Lenau an Sophie von Löwenthal vier Gedichte, in denen er von seiner Zuneigung zu ihr schreibt. Das war zugleich der „Beginn des intensiven Briefwechsels mit dem Ehepaar Löwenthal“.[3] Noch Ende 1834 versuchte Lenau, Max von Löwenthals Sammlung „Dramatisches und Lyrisches“ an den Verlag Cotta in Stuttgart zu vermitteln, die Publikation kam allerdings nicht zustande. Lenau schrieb eigene Aufzeichnungen für Sophie von Löwenthal, in denen von der Wichtigkeit seiner Liebe zu ihr für sein Schreiben die Rede ist und in denen er sich Gedanken zum Verhältnis zum Ehemann macht: „Er ist wohl überzeugt, daß wir nicht zu weit gehen; aber es wurmt ihn, daß du mir mehr bist, daß ich dir mehr bin, als er. Zurücksetzung schmerzt an sich […]. Er ist ein guter Mensch und verdient daher darum schon, daß wir uns Wort halten. Aber er soll uns unser ungefährliches Glück auch fortan gönnen. Das wird er auch. Er hat uns doch beide lieb.“[4]
Dieses Dreiecksverhältnis wurde in der Folge Quell zahlreicher Legendenbildungen und verschiedener Interpretationen, darunter 1906 eine psychoanalytische Lesart des Wiener „Nervenarzts“ Isidor Sadger in der von Sigmund Freud herausgegebenen Reihe „Schriften zur angewandten Seelenkunde“. Sadger geht so weit, Löwenthals Äußerungen zum Körperlichen als Frigidität zu interpretieren: Sie sei „anästhetisch für den Geschlechtsakt“ gewesen; Sadger sieht das – ganz in der psychoanalytischen Argumentation der Zeit – bei Frauen, die schon einmal geboren haben, als ein „Stigma der Hysterie“.[5] Für andere war das Ganze eine „unselige Begegnung“ (Scheibelreiter) oder die „Geschichte einer tragischen Liebe“ (Minckwitz). Die These, dass Lenaus „unerfüllte“ und „tragische“ Liebe zu Sophie von Löwenthal an seiner geistigen Zerrüttung mitschuldig war, hielt sich nachhaltig.[6] Es spricht aber einiges dafür, dass die Symptome seiner Geisteskrankheit mit einer Syphilis-Erkrankung zusammenhängen.[7]
Lenaus Briefe an Sophie von Löwenthal wurden mehrfach herausgegeben, erstmals 1906 vom Wiener Germanisten Eduard Castle. (Die Originaldokumente konnten 2024 von der Wienbibliothek im Rathaus aus Familienbesitz erworben werden.) Stefan Zweig besorgte, ohne dass sein Name im Druck genannt wird, 1916 eine Ausgabe im Rahmen der „Österreichischen Bibliothek“ im Insel-Verlag.[8] Zweigs Ausgabe stellt in der „geheimnisvollen Beziehung“ der beiden jene Korrespondenz in den Mittelpunkt, die dem Blick des Gatten verborgen bleiben sollte.[9]
Sophie von Löwenthal unterstützte Lenau während seiner Anstaltsjahre, und sie wurde neben Lenaus Schwager, dem Schriftsteller Anton Schurz, zur wichtigsten Förderin von Buchausgaben nach Lenaus Tod 1850. Einen gewichtigen Teil ihrer Zeit und Energie widmete sie in späteren Jahren der Unterstützung elternloser Pfleglinge im Kinderheim Traunkirchen (Oberösterreich). Castle, der sich 1906 zum Thema „Lenau und die Familie Löwenthal“ habilitierte, gab im selben Jahr eine Erzählung Sophie von Löwenthals aus dem Nachlass heraus: „Mesalliiert“ (mesalliieren: eine nicht standesgemäße Ehe eingehen).
Sophie von Löwenthal verstarb 1889. Ihr Grab auf dem Meidlinger Friedhof wurde von der Stadt Wien ehrenhalber gewidmet.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Nikolaus Lenau – Sophie von Löwenthal
- Wienbibliothek Digital: Löwenthal, Sophie von
Literatur
- Oliver Matuschek / Klemens Renoldner [Hg.]: Anton Kippenberg - Stefan Zweig, Briefwechsel 1905-1937. Berlin: Insel 2022
- Norbert Otto Eke / Karl Jürgen Skrodzki: Lenau-Chronik 1802–1851. Wien: Deuticke 1992
- Nikolaus Lenau: Briefe an Sophie von Löwenthal. München: Kösel 1968
- Friedrich Minckwitz [Hg.]: Nikolaus Lenau und Sophie Löwenthal. Die Geschichte einer tragischen Liebe. Briefe und Tagebücher. Weimar: Kiepenheuer 1963
- Ernst Scheibelreiter: Unselige Begegnung. Nikolaus Lenau und Sophie von Löwenthal. Graz: Querschnitt-Verlag 1947
- Nikolaus Lenau an Sophie Löwenthal [Auswahl und Nachbemerkung: Stefan Zweig]. Leipzig: Insel [1916] (Österreichische Bibliothek Nr. 16)
- Isidor Sadger: Aus dem Liebesleben Nikolaus Lenaus. Wien: Deuticke 1909
- Eduard Castle [Hg.]: Lenau und die Familie Löwenthal. Briefe und Gespräche, Gedichte und Entwürfe (Erstes Buch: Reisebriefe und Gespräche). Leipzig: Hesse 1906
- Sophie Löwenthal-Kleyle: Mesalliiert. Erzählung aus dem Nachlaß. Hg. von Eduard Castle. Leipzig: Hesse 1906
- Lenau an Sophie Löwenthal. Wien: Wiener Verlag 1906 (Liebesbriefe berühmter Männer und Frauen; 4)
- Ludwig August Frankl: Lenau und Sophie Löwenthal. Stuttgart: o.A. 1891
Sophie von Löwenthal im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.