Seitzerhof

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1., Seitzergasse 6, um 1940
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1403
Datum bis 1912
Andere Bezeichnung Tuchlaubenhof
Frühere Bezeichnung Zu den Röhren
Benannt nach Kartause Seitz
Einlagezahl
Architekt Friedrich August von Stache
Prominente Bewohner
PageID 16273
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser, Wolfgang Wirsig: Wiener Hofnamen
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Letzte Änderung am 15.02.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Seitzergasse6.jpg
Bildunterschrift 1., Seitzergasse 6, um 1940
  • 1., Tuchlauben 7-7a
  • 1., Seitzergasse 6
  • 1., Steindlgasse 1-3
  • Nr.: 230 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 427 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 460 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)

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48° 12' 37.88" N, 16° 22' 8.98" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Seitzerhof (1, Tuchlauben 7-7a, Seitzergasse 6, Steindlgasse 1-3).

Vorgängerbau "Zu den Röhren"

Schildname

Der ursprüngliche Schildname "Zu den Röhren" weist auf eine römische Wasserleitung hin, deren Spuren man noch im Jahr 1838 bei einem Umbau fand. Das führte zu der falschen Annahme, dass sich hier die gleichnamige Badestube befand. Diese hatte ihren Standort aber mit Sicherheit in der heutigen Kleeblattgasse 5, hing aber wohl an jenen Rohren.

Geschichte

Die Geschichte dieses Hauses lässt sich bis in die Zeit der Babenberger zurück verfolgen. Zur Zeit Leopolds des Glorreichen (1198 bis 1230) gehörte es zum Besitztum des reichsten Bürgers von Wien, des Stadtrichters und herzoglichen Münzmeisters Dietrich, der den Beinamen "der Reiche" führte und von dem es hieß, dass er sein Geld nie gezählt, sondern nur mit Schaufeln geschöpft und gewogen habe. In der Verkaufsurkunde von 1277 heißt es: "Wilhelm, Meister und Verwalter des Marienhospitals in Zerwalde, verkauft mit Einwilligung des Erzbischofs Friedrich von Salzburg dem Chalhoch von Ebersdorf für 40 Pfund Wr. Pf. ein Haus 'in foro lignorum' samt dem dazu gehörigem Grunde, der Nicolauskapelle, die auf dem Grunde steht, dem Patronatsrecht über die Kapelle, das an dem Grunde haftet, und dem Brunnen, so wie dieses alles einst Herr Dietrich, Wiener Bürger, gehört hatte und wie es Meister Wernhard, vormaliger Verwalter des Hospitals, von Frau Pertha Edlen von Lachsendorf und von den Herren Albert und Chadold, den Erben jenes Dietrichs, erworben hatte." (Quellen zur Geschichte der Stadt Wien I, S. 1265)

Friedrich der Schöne überließ 1310 das Haus mit der Niklaskapelle, das aus dem Nachlass des wegen Hochverrats hingerichteten Johann von Stadelau stammte, den Wiener Bürgern Wernhard und Heinrich Chrannest gegen Löschung eines Schuldbetrags.

1325 schenkte Herzog Friedrich der Kartause Mauerbach (Gründung 1313, Ausstellung des (endgültigen) Stiftsbriefs 1316) das Haus der Witwe des Bürgers Haug in der Verberstraße. Nach Friedrichs Tod tauschten dessen Brüder, die Herzöge Albrecht II. und Otto, dieses Haus ein und überließen das von den Kindern des Stadtrichters Heinrich Chrannest 1335 zurückgekaufte Haus, "darein St. Nicolaus capelle liegt zunächst dem Langen Keller zu Wien, das zu den rörn heißt" dem Stift, womit der Grund zum neuen Mauerbachhof gelegt wurde, den man in der Folgezeit (ab 1403) Seitzerhof nannte.

Seitzerhof

Namensgebung

Der Name Seitzerhof leitet sich von der steirischen Kartause Seitz ab, weil die erste Besiedlung der Kartause Mauerbach aus dem untersteirischen Konvent Seitz (heute Slowenien) erfolgt war.

Geschichte

Der neu erbaute Stiftshof hatte drei Gassenfronten und bildete einen ausgedehnten Gebäudekomplex. Auch die Kapelle zum heiligen Nikolaus verblieb im Seitzerhof. Nach der Türkenbelagerung von 1529 wurde die Kartause Mauerbach von türkischen Truppen durchsucht und die dortige Gruft verwüstet. Diese schleppten die Särge von Friedrich dem Schönen und seiner Tochter Elisabeth auf eine Wiese neben dem Kloster und warfen deren Gebeine durcheinander ohne jedoch die erhofften Kostbarkeiten zu finden. Heimkehrende Flüchtlinge sammelten die Gebeine wieder ein und brachten sie in den Wiener Seitzerhof. Bereits nach wenigen Wochen überführten die Mönche die Särge wieder zurück nach Mauerbach.

Als 1782 die Klöster aufgehoben wurden, wurde der Seitzerhof dem Wiener Bürger und Handelsmann Johann Georg Reich, der auch Taufpate Castellis war, verkauft, die Kapelle gesperrt und aufgelassen.

In den Jahren 1838/1840 wurde das alte Gebäude des ehemaligen Stiftshofes abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.

1., Tuchlauben 7-7a, um 1940

Seitzerkeller

Den Mauerbachern wurde das Recht der freien Weinausschank eingeräumt, von dem sie ausgiebigen Gebrauch machten. Ihr Keller war wohl ein würdiger Repräsentant jener mittelalterlichen Keller Wiens, die der Geheimsekretär Friedrichs III., Aeneas Sylvius Piccolomini, in der Mitte des 15. Jahrhunderts so beschrieb: "die Weinkeller in Wien sind so tief und geräumig, dass das unterirdische als kaum weniger ausgedehnt gelten kann als das oberirdische Wien. Fast alle Bürger haben Weinschenken und Garküchen. Da kommen die Säufer und die liederlichen Frauenzimmer zusammen. Die Kost ist frei; dafür wird der Wein umso teurer geschenkt. Die Wiener bringen gar oft an einem Sonntag den Verdienst der ganzen Woche an." (Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien XIII, S. 94)

Die Weinschenken, die die Mauerbacher auch in anderen Teilen der Stadt unterhielten, brachten dem Kloster große Einnahmen ein. Da der Haupterwerb der Bürger Wiens der Weinbau war, die Klöster ihren Wein jedoch von außen einführten, kam es zu ständigen Konflikten mit der Stadtverwaltung. Herzog Albrecht V. verfügte daher, dass es den Klöstern auch weiterhin gestattet sei Wein auszuschenken, "aber beschaidentlich, nicht mit Rufern oder unbeschaidenen Leuten, die Geschrey oder Unfuer machen und nicht Frühstück oder ander Essen bey den Weinschenken in ihren Häusern noch Kellern geben." (Friedrich Reischl: Die Wiener Prälatenhöfe, S. 24)

1568 wurde die Ausschank an die Bedingung geknüpft, nur echtes und unverfälschtes Getränk zu servieren. Außerdem musste jede Form der Leichtfertigkeit, ärgerliches und ungebührliches Trinken sowie Sitzen über die Bierglockenzeit (im Winter um 8, im Sommer um 9 Uhr), die den Schluss der Ausschank anzeigte, unterbunden werden (Friedrich Reischl: Die Wiener Prälatenhöfe, S. 25). Während der Türkenbelagerung 1683 öffnete sich der Seitzerkeller den Bürgern und Soldaten und zeigte sich sehr freigiebig.

Auch nach der Schließung des Klosters diente der Keller weiterhin dem Gastgewerbe und wahrte seinen Ruf. Im Todesjahr Josephs II. schrieb Johann Pezzl: "Man sitzt dort zwischen ungeheuren Fässern, mit faustdicken eisernen Reifen beschlagen, die den ganzen Keller überschwemmen und die Gäste mit einer Flut roten und weißen Weines ersäufen würden, wenn jene Reifen plötzlich absprängen. Die Kellerleute scheinen sich mit der Sonne verfeindet zu haben, denn sie sehen ihr Licht nie, sondern leben in einer ewigen Nacht, in einem unterirdischen Labyrinth. Man verbrennt in diesem Keller jährlich 18.000 Kerzen." (Johann Pezzl: Beschreibung von Wien, S. 369 f.)

Der Seitzerkeller erfreute sich über Jahrhunderte größter Beliebtheit. Der Hauptraum war nur mit schlecht gehobelten Bänken ausgestattet. Im rückwärtigen Gewölbe war ein abgesonderter Raum mit drei gedeckten Tischen für besondere Gäste. Hier gab es eine Tafelrunde, der Schauspieler, Schriftsteller, Maler und andere Künstler angehörten. Unter ihnen befanden sich auch der Dichter Ignaz Franz Castelli und der Schriftsteller und Journalist Adolf Bäuerle.

Elysium

In den Wintern 1833 bis 1838 betrieb Kaffeesieder Josef Georg Daum im gepachteten Seitzerkeller sein weltbekanntes Elysium. Dafür stattete er die Kellerräume glanzvoll aus. Die unterirdischen Räume beinhalteten nun einen Konzertsaal, Speisesäle und ein Tanzlokal, in welchem unter anderem die unter dem Namen "schwarze Redouten" bekannt gewordenen Maskenbälle abgehalten wurden.

Der Seitzerkeller fasste zu diesem Zeitpunkt 10.000 Personen und war eine Sehenswürdigkeit des alten Wien. Knapp vor seinem Abbruch bildeten die "transparenten Wandelbilder" eine besondere Attraktion. Sie stellten auf transparenten Papier die Zeitereignisse dar und waren damit ein Vorläufer der späteren Wochenschauen in den Kinos.

Neubau 1838

1838-1840 erfolgte durch Friedrich Stache der Neubau des ursprünglich zweistöckigen Gebäudes. Der neue Hof, der damals als Prachtbau angesehen wurde, sollte nichts an Anziehungskraft verlieren. Er erhielt einen Durchgang ("Basar") mit verschiedenen Geschäften und beherbergte auch ein Gasthaus, das den Schildernamen "Zum Basar" führte und sich bald großer Beliebtheit erfreute. Der Arkadengang in der erweiterten Steindlgasse fiel dem Umbau zum Opfer. 1840 schreibt die Wiener Zeitung, dass der Basar "... die prächtigsten Auslagen des in Europa gerühmten Gewerbefleißes beinhaltet, von schimmernden Gaslicht umstrahlt." (J. de Luca: Topographie von Wien, S. 397).

1853 kam der Hof des Zuckerindustriellen Ritter von Mack in den Besitz der Töchter Rosina, Ignazia (verehelichte Fürstin Wrede) und Amalia. 1911 ging er in den Besitz der Gräfin Almeida über und wurde ein Jahr später abgetragen.

Der neue Seitzerhof war ein multifunktionelles, modernen urbanen Bedürfnissen angepasstes Bauwerk, das infolge seiner Ausdehnung und Stockwerkszahl zu den größten Miethäusern der Stadt gehörte. An die Stelle des Seitzerhofs kam 1912 der Tuchlaubenhof.

Ab 1913 befand sich im Gebäude Tuchlauben 7 das Tuchlauben-Kino.

Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre

  • Beck'sche Universitätsbuchhandlung, später geführt von Alfred Hölder
  • Stöckls Kunst- und Bilderhandlung
  • Tuchlauben-Kino

Literatur

  • Bürgersinn und Aufbegehren (Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), S. 521
  • Margarete Girardi: Wiener Höfe einst und jetzt. Wien: Müller 1947 (Beiträge zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte der Stadt Wien, 4), S. 189 ff.
  • H. Adami: Alt- und Neu-Wien. 1841, S. 98
  • Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 625
  • Gerhard Robert Walter von Coeckelberghe-Dützele: Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien. Ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer und topographischer Beziehung. Wien: [o. V.] 1846, S. 163
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 424
  • Friedrich Reischl: Die Wiener Prälatenhöfe. Wien: Selbstverlag 1919, S. 24 f.
  • Johann Pezzl: Beschreibung von Wien. 1806, S. 369 f.
  • J. de Luca: Topographie von Wien, S. 397
  • * Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 2. Teil. Wien ²1951 (Manuskript im WStLA), S. 262-269