Schottenfeld (Vorstadt)

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Daten zum Objekt
Art des Objekts Vorstadt
Datum von 1777
Datum bis 1850
Name seit
Andere Bezeichnung Brillantengrund
Frühere Bezeichnung Oberneustift, Außerhalb St. Ulrich auf den Schottenäckern
Benannt nach Schottenstift
Bezirk 7
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke
PageID 12706
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 31.03.2023 durch WIEN1.lanm08trj

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48° 12' 6.47" N, 16° 20' 42.01" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Schottenfeld (7.), ehemalige Vorstadt. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts befanden sich hier ausgedehnte, dem Schottenstift gehörende Felder, die allmählich (insbesondere unter Abt Wenzel 1807) verbaut wurden. Bis 1820 hieß das Gebiet "Oberneustift", vor der Verbauung hingegen einfach "Außerhalb St. Ulrich auf den Schottenäckern", wobei noch eine Reihe verschiedener anderer Riednamen gebräuchlich war, etwa die westlich der Kaiserstraße gelegenen "Spitzäcker" oder das "Buchfeld".

Schottenfeld war ab 1777 eine eigene Vorstadt und hatte zuvor zu Neubau-Neustift gehört. Auf dem Schottenfeld siedelten sich viele von Joseph II. aus Südeutschland berufene Einwanderer an, die die Erzeugung von Seidenzeug und Samt fabriksmäßig betrieben und Wohlstand in die Gegend brachten. Die Anfänge des berühmt gewordenen "Brillantengrunds", wie Schottenfeld später wegen des Reichtums der dort ansässigen Fabrikanten genannt wurde, fallen in die Zeit, als sich zahlreiche Gewerbetreibende dort ansiedelten. Seidenweber werden in Wien bereits 1307 erwähnt. Der Beginn der österreichischen Seidenfabrikation fällt in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1666 berief das österreichische Commerzkollegium einen vielseitigen Nationalökonomen seiner Zeit, Johann Joachim Becher, zu einem Gutachten, später zur Mitbegründung einer Seidencompagnie. Das mit kaiserlichen Privilegien ausgestattete Unternehmen betrieb zuerst in Walpersdorf, dann Am Tabor eine Seidenweberei. 1683 wurde das Werkhaus Am Tabor zerstört, nach dem Frieden von Passarowitz (1718) begründete man die "Orientalische Compagnie", die die Interessen der Seidenmanufakturen vertrat. 1702 gab es in Wien 20 steuerpflichtige Seidenfabrikanten. Matthias Hengstberger, einer der wenigen Österreicher unter den größtenteils lombardischen Seidenwebern, erwarb 1714 auf dem Gelände des Schottenfelds ein Gebäude mit Garten und begründete damit ein Zentrum der Seidenfabrikation. 1751 erließ Maria Theresia die erste "Qualitätsordnung" und begünstigte die Niederlassung französischer Seidenweber in Österreich. 1774 beschäftigte das Seidenmachergewerbe in Wien und Umgebung 9935 Personen, zur Zeit Josephs II. arbeiteten 29 große Seidenwebereien mit rund 3000 Webstühlen.

Nach Ausbruch der Französischen Revolution konnte Österreich die Lyoner Seidenwaren aus ganz Mitteleuropa verdrängen. 1800 arbeiteten in Wien 8000 Webstühle, auf dem Schottenfeld gab es mehr als 300 Fabriken mit mehr als 30.000 Arbeitern, die vorwiegend Band-, Seidenchenillen-, Petinet-, Strumpfwirk-, Posamentier-, Seidenzeug- sowie Gold- und Silberdrahtwaren erzeugten. Die Hochblüte des "Brillantengrunds" war 1790-1830. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts geriet die Schottenfelder Industrie in eine schwere Krise, die 1848 ihren Höhepunkt erreichte und viel zum Ausbruch der Revolution beitrug.

Die Schottenfelder Pfarrkirche wurde unter Joseph II. gegründet. Die Erbauung und Eröffnung des Apollosaales half mit, Schottenfeld auch außerhalb seiner Grenzen bekannt zu machen. Mit Benno Pointner ist die Entstehung der Vorstädte Schottenfeld und Breitenfeld eng verbunden. 1777 von Neubau-Neustift abgetrennt und zu einer eigenen Vorstadt erhoben, nahm Schottenfeld besonders während der Regierungszeit Josephs II. eine enorme Entwicklung, weil sich dort die aus Süddeutschland berufenen Einwanderer ansiedelten, die mit der Erzeugung von Seide und Samt großen Wohlstand in die Gegend brachten.

Siegel

Die Vorstadt Schottenfeld führte ein Grundgerichtssiegel, das heraldisch der Vorstadt Neubau gleich war, allerdings mit der Umschrift: * SIGILL SANCT ULRICH AM OBERNEUSTIFT. Als Gerichtssiegel führte sie einen ovalen Schild in dreipaßartigem Ornament, darüber ein Cherubskopf mit Inful, diese mit nach rechts und links abflatternden Bändern, aus den Flügeln zwei abgewendete Bischofsstäbe hervorbrechend. Im Schild ein Abt als ganze Figur, in der Rechten einen Bischofstab, dieser überdeckt durch eine waagerecht gelegte Bischofmütze. Umschrift: * GRUND · GERICHTS · SIGILL · SCHOTTEN.

Das Siegel war 1904 eine Grundlage für die Gestaltung des Bezirkswappens Neubau.

Häuser

  • 1766: 111
  • 1778: 137
  • 1783: 167
  • 1790: 379
  • 1796: 446
  • 1840: 503
  • 1851: 511

Einwohner

  • 1796: 11.642
  • 1840: 21.113
  • 1857: 27.308

Häusernummerierungen und -schematismen

Nach der Abspaltung der Vorstadt Schottenfeld (Oberneustift) von Neubau erfolgte 1786/1789 zum ersten Mal eine eigenständige Konskription. In den Jahren 1808 und 1828 wurden die Konskriptionsnummern neu vergeben (Zur Übersicht über die Phasen der Nummerierungen der Häuser [Konskriptionsnummern] in der Vorstadt siehe: Häusernummerierung). Die folgenden Verlinkungen zu den Häuserschematismen sind chronologisch geordnet.

Erste Nummerierung [1]

Nummerierung 1786/1789

Nummerierung 1808

Nummerierung 1828

Ortsrichter

  • Karl Biehler (1828)
  • Anton Heller (1832-1833)
  • Karl Biehler (1836-1839)
  • Josef Wolf (1841-1844)

Literatur

  • Anselm Weißenhofer: Das Schottenfeld. In: Alt-Wiener Kalender 1924, S. 117 f.
  • Hans Rotter: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1925, S. 16 f.
  • Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1895]). Cosenza: Brenner 1967, Band 3, S. 430 ff.
  • Siegfried Weyr: Wien. Zauber der Vorstadt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1968, S. 253 ff. (Brillantengrund)
  • Gerhard Robert Walter von Coeckelberghe-Dützele: Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien. Ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer und topographischer Beziehung. Wien: [o. V.] 1846, S. 313 f.
  • Ferdinand Mühleder: Die Schottenfelder Seidenindustrie 1820-1850. 2 Bände. Diss. Univ. Wien. Wien 1952
  • Wilhelmine Griehbaum: Beiträge zur Geschichte der Vorstädte St. Ulrich, Neubau, Schottenfeld 1620-1820. Manuskript 1958, Handschrift 20052 Wiener Stadt- und Landesarchiv
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. XI, Taf. E
  • Anton Jung: Beschreibung und Abdruck der Grundgerichts-Siegeln sämmtlicher Vorstädte und Gemeinden der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien, [Wien] 1829, S. 40

Bevölkerungsgeschichte

  • Andreas Weigl: Eine Neuberechnung der Bevölkerungsentwicklung Wiens nach Bezirken 1777-1869. In: Wiener Geschichtsblätter 50 (1995), S. 219-238.
  • Ignaz de Luca: Topographie von Wien. Bd. 1, Wien: Thad. Schmidbauer 1794, S. 61.
  • Ignaz de Luca: Statistische Fragmente. Wien: C.P. Rehm 1797, S. 50.
  • Johann Karl: Detaillirte Darstellung der Bevölkerung der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien und der Vorstädte ... nach der letzten Conscription im Jahre 1840.
  • Niederösterreichische Handels- und Gewerbekammer (Hg.), Statistische Übersicht der wichtigsten Productionszweige in Oesterreich unter der Enns. Wien: L. Sommer 1855.
  • G.A. Schimmer: Die Bevölkerung von Wien. In: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1865), S. 14, 26.

Einzelnachweise

  1. Nummerierung gemeinsam mit Neubau