Rote Armee im Lainzer Tiergarten
Der Lainzer Tiergarten stand von 1945 bis 1955 komplett unter der Kontrolle der sowjetischen Besatzungsmacht, da dieser besatzungsrechtlich nicht der Viersektorenstadt Wien, sondern dem sowjetisch besetzten Niederösterreich zugeordnet war. Die sowjetische Besatzungszone inkludierte den 23. und Teile des heutigen 13. Bezirks. Im Zug der Teil-Rücknahme der nationalsozialistischen Gebietserweiterung von 1938 ("Groß-Wien") und dem nahen Ende der Besatzungszeit wurde der Tiergarten 1954 dem 23. Bezirk (Liesing) zugeordnet, 1956 in den 13. Bezirk (Hietzing) transferiert. In der Zeit der Kontrolle durch die sowjetische Besatzungsmacht wurde der Forst- und Wildbestand durch die sowjetische Besatzung stark dezimiert.
Aktivitäten der Roten Armee im Tiergarten
In der Nachkriegszeit quartierten sich sowjetische Truppen im Lainzer Tiergarten ein. Die Truppenquartiere befanden sich im Clubhaus des Internationalen Country-Clubs, im Rohrhaus, im Forsthaus Hirschgstemm und im Torwächterhaus am Gittenbach. Die Hermesvilla wurde anfänglich nicht als Quartier genutzt, doch erging am 29. Dezember 1947 an den Forstmeister von der sowjetischen Kommandatur in Mauer der Befehl zur Räumung. Durch die im Tiergarten abgehaltenen Militärübungen wurde die Infrastruktur und die von den umliegenden Gemeinden benötigten Anbauflächen beschädigt, sowie die Wiener Bevölkerung durch die Nutzung scharfer Munition gefährdet. Die Bemühungen des Leiters des Stadtforstamtes (Magistratsabteilung 49 - Klima, Forst- und Landwirtschaftsbetrieb) die Truppen zum Abzug aus dem Tiergarten zu bewegen blieben ergebnislos. Die Rote Armee errichtete Sommerlager auf Wiesen, wofür sie Bretter aus den letzten vorhandenen Futterstadeln und dem Hirschgstemm entnahm, was mit der endgültigen Demolierung dieser Objekte einherging. Auf den Äckern und Wiesen fanden Truppenübungen statt, wodurch kein Frühjahrsanbau möglich war, die bereits geackerte Flächen wurden eingeebnet und hätten neu geackert und bestellt werden müssen, denn auf den Winterfruchtfeldern weideten Pferde, genauso wie auf den Wiesen, die für die Zugtiere der Tiergartenverwaltung und das Nutzvieh der umliegenden Ortschaften vorgesehen war. Hinzu kamen willkürliche und fallweise Absprengungen ohne vorherige Mitteilung, wodurch keine Arbeitseinteilung möglich war. Die Übungen fanden nicht nur unter Tags, sondern auch in der Nacht statt, mit Artillerie, Panzern und ähnlichen militärischen Gerät.
Intervention bei der Stadtkommandantur
Der Lainzer Tiergarten war seit dem 7. April 1946 wieder für die allgemeinen Besucher zugänglich, dies war jedoch aufgrund der aktuellen Situation mehr als gefährlich. Daher bat der Leiter des Stadtforstamtes den Wiener Bürgermeister Theodor Körner um eine Intervention bei der sowjetischen Stadtkommandantur und um eine Sicherung des Anbaus von Ackerflächen von rund 60 Hektar für die schon Saatgut wie Sommerweizen, Gerste, Hafer, Kartoffeln und dergleichen beschafft wurde.
Pachtvertrag für Schießplatz
Inzwischen fanden erneute Übungen auf der Hohenauer Wiese und Umgebung statt, wobei auch zwei schwere Panzer zum Einsatz kamen und die Wiese beschädigten. Für weitere Nachtübungen kamen ca. 400 Mann mit PAK-Geschützen, MGs, Granatwerfern und andern schweren Waffen zum Einsatz. Die Pferde grasten weiterhin die Wiesen kahl, man befürchtete schwere Schäden wie in den Kriegsjahren. Die Intervention beim sowjetischen Stadtkommandant Generalleutnant Nikita Lebedenko zeitigte allerdings Wirkung, denn Mitte April kamen zwei sowjetische Offiziere mit Vertretern der Ortsgemeinde Mauer zur städtischen Forstverwaltung Lainz und verlangten einen sofortigen Pachtvertrag für die Hohenauer Wiese als Schießplatz. Diese Wiese befindet sich gleich beim Lainzer Tor, südlich von der Straße zur Hermesvilla. Am Südende liegt der große Wasserbehälter (Hohenauer Teich) der städtischen Wasserwerke und in der Nähe der Straße das Forsthaus der Revierleitung Lainz. Diese Wiese war seit Jahren zur Nutzung an die Bewohner der Siedlung Friedensstadt und die umliegenden Ortschaften vergeben, die das Futter der Wiese für die Kleintierhaltung benötigen. Die sowjetischen Offiziere verlangten ungefähr ein Viertel bis ein Drittel der 49 Hektar großen Hohenauer Wiese als Nutzung für den Schießplatz.
Tausch
Da die Hohenauer Wiese schon seit längerem von sowjetischen Truppen als Schießplatz und Übungsgelände beansprucht und auch genutzt wurde, weswegen die ganze Wiese abgesperrt war und daher aktuell keine Nutzung als Futterwiese oder der Verkehr zum Forsthaus nicht möglich war schlug das Forstamt vor, einen Tausch mit der Stockwiese vorzunehmen. Diese Wiese liegt etwa einen Kilometer südwestlich der Hohenauer Wiese, abseits vom Verkehr und war mit 19 Hektar groß genug für einen Schießplatz. Außerdem war die Bodengüte dort schlechter, daher hatte man kaum einen Verlust durch Nichtnutzung. Nach einer nochmaligen Intervention für den Tausch kam dieser zu Stand und die Magistratsabteilung 49- Stadtforstamt erhielt die Ermächtigung einen Pachtvertrag abschließen zu dürfen.
Wiederbesiedlung
Die Nutzung als Schießplatz verhinderte die Wiederbesiedlung des Tierparks. Noch im Oktober 1953 musste der Plan der Ansiedlung von Wisenten aus diesem Grund aufgegeben werden. Im Jahr 1952 wurde der Beschußschaden am Waldbestand auf 2,3 Millionen Schilling geschätzt, die Schäden an Wegen und Brücken auf 650.000 Schilling und der Verlust an Wild auf 490.000 Schilling. Der letztere größerer Schaden war der Brand im Country-Club im Februar 1954 der diesem zum Opfer fiel. Durch Intervention von Bundeskanzler Leopold Figl gelang es ab Beginn der 1950er Jahre Schadenersatz von der sowjetischen Besatzungsmacht für eingetretene Schäden zu erlangen. Noch im Jahr 1955 befand sich der Tiergarten und vor allem die Hermesvilla in einem desaströsen Zustand.
Quellen
Literatur
- Thomas Gergely/Gabriele Gergely/Hermann Prossinagg: Vom Saugarten des Kaisers zum Tiergarten der Wiener. Die Geschichte des Lainzer Tiergartens - entdeckt in einem vergesenen Archiv. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1993
- Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien 1945-1949, Wien 1949-1951
- Manfried Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975