Rettungswesen

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Die Rettungsstation Floridsdorf (1971)
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildunterschrift Die Rettungsstation Floridsdorf (1971)

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Einsatzfahrzeuge der Wiener Rettung (1954)

Anfänge

In Wien finden sich erste Spuren eines organisierten Rettungswesens unter Maria Theresia (Patent vom 1. Juli 1769 mit Instruktion für lebensrettende Hilfeleistungen). 1803 wurde vom niederösterreichischen Sanitätsreferenten Pasqual Joseph von Ferro eine Rettungsanstalt eröffnet, die teils von der Niederösterreichischen Landesregierung und vom Sanitätsfonds, teils durch Spenden finanziert wurde. Die Regierung war zudem um eine Schulung der Ärzte und Wundärzte in Erster Hilfe bemüht. Um rasch Rettungsgeräte zur Hand zu haben, wurden an mehreren Stellen der Stadt Rettungskästen (mit Medikamenten, chirurgischem Besteck und Anleitung) aufgestellt. Bereits 1808 ging diese Einrichtung zugrunde (wurde jedoch erst am 29. April 1830 offiziell aufgelöst).

Einrichtung von Offizien

Ab 1830 richtete man in Wien eine Anzahl chirurgischer Offizien für Rettungszwecke ein. In jeder Offizie musste täglich ein Gehilfe anwesend sein. Ab 1865 gab es in jedem Gemeindebezirk zwei chirurgische Offizien als sogenannte Rettungsanstalten, deren Inhaber von der Gemeinde Wien mit ca. 5.000 Österreichischen Gulden subventioniert wurden.

Sicherheitswache

1869 übertrug man die Verbesserung der oftmals nur unvollständigen Einrichtung der chirurgischen Offizien der neu errichteten k. k. Sicherheitswache (Polizei). Das Sanitätsgesetz vom 30. April 1870 übergab die Fürsorge für Rettungsmittel dem selbständigen Wirkungskreis der Gemeinde Wien. Am 14. September 1870 beschloss der Gemeinderat, die Sicherheitswachstuben als Rettungsanstalten einzurichten und der Sicherheitswache den Hilfsdienst zu übertragen. Bereits am 1. April 1871 waren 41 Wachstuben mit Rettungskästen und einige davon mit Tragbetten ausgestattet, die die Gemeinde Wien finanzierte (später übernahm auch die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft die Ausstattung der Erste-Hilfe-Kästen). Im Lauf der Zeit lösten sich die chirurgischen Offizien auf, und sämtliche k. k. Sicherheitswachstuben wurden Rettungsstationen. 1874 wurde in den Bezirksämtern ein Krankentransportdienst mit Sanitätsdienern eingerichtet (Vorläufer der Wiener Städtischen Sanität).

Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft

Einen Tag nach dem Ringtheaterbrand gründete Jaromir von Mundy am 9. Dezember 1881 (Schriftführer) mit Hans Wilczek und Eduard Lamezan (Präsident) die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft". Nachdem das aus zwölf Personen bestehende Gründungskomitee am 2. Jänner 1882 Franz Joseph I. seine Pläne vorgelegt hatte, bezog man am 13. Jänner 1882 provisorisch einige Räume im Wilczekpalais. Nach der Genehmigung vom 31. Jänner 1882 begann die Fa. Lohner & Co. nach Plänen von Mundy mit dem Bau von drei Ambulanzwagen und zwei Küchenwagen, die am 31. März 1882 von der K. und k. Polizeidirektion kommissioniert wurden. Der erste offizielle Krankentransport wurde am 24. April 1882 durchgeführt. 1887 veranstaltete Pauline Metternich ihr Frühlingsfest im Prater zugunsten der Rettungsgesellschaft. Eigens durch Mundy im Krankentransport geschulte Medizinstudenten wurden für den Tagdienst herangezogen. Nach Schulung der ersten 30 Studenten wurde am 1. Mai 1883 die erste Rettungsstation eröffnet (1, Fleischmarkt 1, Rotenturmstraße 20; bis 30. April 1889). Mit Julius Hochenegg organisierte Mundy auch den Nachtdienst der Wiener Ärzte. Am 20. Mai 1885 bezog man ein größeres Gassenlokal (1, Giselastraße, seit 1919 Bösendorferstraße 1; bis 23. August 1889); als dieses zu klein wurde, entschloss man sich zum Bau einer Zentralstation 1, Stubenring 1, die man am 23. August 1889 bezog, jedoch 1897 aufgrund des Stadtbahnbaus räumen musste. 1890 wurde der erste Katastrophenzug gebildet. Er bestand aus sechs bespannten Ambulanzwagen mit sechs Ärzten und zehn Sanitätern. Von 1882 bis 1890 leistete die Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft in über 40.000 Notfällen Erste Hilfe. Über 20.000 Krankentransporte werden in diesem Zeitraum durchgeführt. Am 18. Juni 1897 wurde die neue Rettungszentrale 3, Radetzkystraße 1, und am 1. Februar 1905 eine Filialstation in Mariahilf (6, Mariahilfer Gürtel 20; generalsaniert 1989-1991) in Betrieb genommen. Im selben Jahr wurde das erste Automobil, ein Daimler 18 HP, in den Dienst der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft gestellt. Beim Erdbeben von Messina leisteten die Wiener Retter 1908 erstmals auch im Ausland Hilfe. 1922 wurde die Rettungsgesellschaft in einen Verein umgewandelt. Auch nach dem Krieg wuchs die Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft weiter. 1926 konnten bereits über 23.000 Einsätze pro Jahr durchgeführt werden. Eine Ausfahrt kostete damals 20 Schilling. Infolge der Inflation (1919-1924) konnte die Institution nicht mehr allein mit Spenden weitergeführt werden, worauf man (erfolglos) die Gemeinde Wien um Übernahme der Rettungsgesellschaft ersuchte. Nach einer Spendenaktion konnte der weitere Betrieb vorerst gesichert werden; 1927 wurde neuerlich die Kommunalisierung gefordert und 1928 an die Kommunalverwaltung ein (wieder erfolgloser) Antrag auf Übernahme der Rettungsgesellschaft gestellt.

Städtischer Rettungsdienst

Am 1. September 1938 erfolgte die Übernahme der Rettungsgesellschaft durch das Kommando der Feuerwehr der Stadt Wien (1, Am Hof 8; Schaffung einer eigenen Abteilung Rettungsdienst), am 15. Oktober 1938 die Angliederung der Freiwilligen Hietzinger Rettungsgesellschaft und der Städtischen Sanität (Abteilung V/1). Durch die Gebietsvergrößerung (Groß-Wien) wurden mehrere Stationen für die Rettung notwendig (ab 1940: fünf). Während des Zweiten Weltkriegs von 1939 bis 1945 wurden fast alle Rettungsfahrzeuge zerstört und die Außenstationen teils schwer beschädigt. In den Nachkriegsjahren ging der Wiederaufbau der Rettung nur langsam vonstatten. Der Rettungsdienst wurde von der Feuerwehr getrennt. Im Dezember 1945 stellte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf der Gemeinde Wien fünf Sanitätsautos (Don-Bosco-Spende) als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Wiedervereinigung der Rettung mit der Feuerwehr wurde zur Diskussion gestellt (Antrag vom 26. April 1946); der Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst (WRKD) wurde nicht getrennt und blieb somit dem Anstaltenamt. 1950 wurde eine neue Fahrzeugflotte in den Dienst gestellt, die erstmals mit Blaulicht, Folgetonhorn und Funksprechgeräten ausgestattet wurde. Bereits 1954 wurden über 33.000 Einsätze pro Jahr durchgeführt.

1947 begann die 1938 als Verein aufgelöste Hietzinger Freiwillige Rettungsgesellschaft von neuem ihre Tätigkeit und beanspruchte am 3. April 1952 ihre ehemaligen Gebiete (Bezirke 13 und 14, Rodaun und Kalksburg). Der damit ausgelöste „Rettungskrieg" (1. Oktober–31. Dezember 1957 wurden vom Städtischen Rettungsdienst 45 Leerinterventionen durchgeführt), der durch die Etablierung des Roten Kreuzes in Wien (dem sich die Hietzinger Freiwillige Rettungsgesellschaft anschloss) verschärft wurde, konnte erst durch die im Juli 1960 erfolgte Trennung des Rettungsdienstes zwischen Wien und Niederösterreich endgültig beigelegt werden. 1965 wurde der Rettungsdienst in Wien auf landesgesetzliche Ebene gestellt. 1977 folgte die Gründung der "4 für Wien", einer Rettungsgemeinschaft aus dem Arbeiter Samariter Bund, dem Roten Kreuz, der Johanniter Unfall Hilfe und dem Malteser Hospitaldienst. Gemeinsam mit dem Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst wurden Einsätze ab diesem Zeitpunkt gemeinsam abgewickelt. Seit 1. März 1978 stellt auch der Arbeitersamariterbund in Wien einen Wagen mit Arzt zur Verfügung, sodass 1981 in Wien 17 Rettungswagen mit Arzt im Einsatz standen (bereits seit 1956 über Sprechfunk erreichbar). Im Jahre 1986 wurde die Johanniter-Unfall-Hilfe in Wien Mitglied im Rettungsverbund. Seit 1. Juni 1991 führt in Wien ein Notarzthubschrauber des Innenministeriums Rettungseinsätze durch. Mit 10. Dezember 1991 wurden die Aufgaben des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes von der Magistratsabteilung 17 abgespalten und als eigene Magistratsabteilung 70 organisiert. Im selben Jahr wurde der Notarzthubschrauber MARTIN 3 sowie der neu aufgestellte Katastrophen-Zug (K-Zug) in Dienst gestellt.

Anlässlich des 120-jährigen Jubiläums der Berufsrettung Wien 2001 wurde die neue Rettungszentrale in der Radetzkystraße und die Rettungsleitstelle 144 eröffnet. Der Notarzthubschrauber "Martin 3" wurde auf "Christophorus 9" umgestellt. Das Fluggerät und der Pilot werden vom ÖAMTC gestellt. NotärztInnen, SanitäterInnen sowie das medizinische Equipment stellt die Berufsrettung Wien. Ein neuer Katastrophen-Zug wurde 2008, ein neuer Bettenintensivtransporter (BIT) 2011 in Dienst gestellt. 2010 wurde Dr. Rainer Gottwald zum Leiter der Wiener Berufsrettung bestellt. 2013 wurde die Station Simmering neu eröffnet und das Rettungsmuseum in der Rettungsstation Hernals wiedereröffnet.

Großeinsätze seit 1975

  • Beim Terrorüberfall auf die OPEC war 1975 ein Todesopfer zu beklagen. Die damals grünen Fahrzeuge der Berufsrettung Wien wurden von den Terroristen beschossen, da sie mit Polizeifahrzeugen verwechselt wurden. Diese Tatsache führte zum derzeitigen, international üblichen Design der Rettungsautos in rot und weiß.
  • Beim Brand im Hotel "Am Augarten" 1979 gab es 25 Tote und 27 Verletzte. 40 Rettungsfahrzeuge waren im Einsatz.
  • Beim Feuerüberfall auf die Synagoge 1981 waren 16 Rettungsautos im Einsatz. Zwei Personen erlagen ihren Verletzungen, 20 weitere Verletzte wurden versorgt.
  • 1989 wurden im Rahmen des Wiener "Rumänienhilfszugs" nach der Revolution Fahrzeuge und medizinische Ausrüstung, sowie Medikamente zur unmittelbaren Hilfe transportiert.
  • 2004: Beteiligung an der Rückhol-Aktion nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean
  • 2013: Großeinsatz mit 41 Verletzten nach der Kollision von zwei Schnellbahnen in Penzing
  • 2014: Einsatz der Spezialisten nach einer Hausexplosion auf der Äußeren Mariahilfer Straße, 14 verletzte Personen mussten geborgen werden

Videos

Freiwillige vor! 100 Jahre Wiener Rettungsgesellschaft (1981), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 498 (Ausschnitt)

Literatur

  • Gerald Schöpfer: Die „Erste Hilfe" im 18. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter 30 (1975), S. 143 f.
  • Helmut Wyklicky: Über Jaromir Mundy und die Anfänge des ärztlichen Rettungsdienstes in Wien 1881-1894. In: Wiener medizinische Wochenschrift 105 (1955), S. 1030 f.
  • Festschrift der Wiener Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft. Hg. anläßlich ihres 25 jährigen Bestandes 9. Dezember 1906. Wien: Verlag der Wiener Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft 1906
  • Rudolf Machala: 100 Jahre ärztlicher Rettungsdienst in Wien. Wien: Selbstverlag 1981
  • Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anläßlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken (1981)
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: Jugend und Volk 1958, S. 470 ff.
  • Magistratsabteilung 70 - Berufsrettung Wien