Raoul Auernheimer

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Raoul Auernheimer, um 1914
Daten zur Person
Personenname Auernheimer, Raoul
Abweichende Namensform Heimern, Raoul; R. Othmar
Titel Dr. jur.
Geschlecht männlich
PageID 27678
GND 118505033
Wikidata Q85479
Geburtsdatum 15. April 1876
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 7. Jänner 1948
Sterbeort Oakland, Kalifornien 4117963-8
Beruf Schriftsteller
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Raoul Auernheimer (Bestände)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Raoul Auernheimer.jpg
Bildunterschrift Raoul Auernheimer, um 1914

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Raoul Auernheimer (Pseudonym Raoul Heimern beziehungsweise R. Othmar), * 15. April 1876 Wien, † 7. Jänner 1948 Oakland, Kalifornien (Vereinigte Staaten von Amerika), Schriftsteller, Feuilletonist.

Biografie

Raoul Auernheimer wuchs als Sohn eines aus Nürnberg stammenden Kaufmanns (Johannes Wilhelm Auernheimer) und dessen aus dem deutschsprachigen Ungarn (Raab) stammender Ehefrau Charlotte (Jenny) Büchler mit zwei Geschwistern (Angela, Lothar) in Wien auf. Über die Mutter bestand eine verwandtschaftliche Beziehung zu Theodor Herzl, der in der Forschung oft fälschlich als Onkel Auernheimers bezeichnet wird. Tatsächlich aber war Auernheimers Mutter Charlotte die Cousine von Herzls Mutter Jeanette. Nach der Matura im Gymnasium Döbling studierte Auernheimer ab 1894 Jus an der Universität Wien, absolvierte 1896 den Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger und wurde 1900 zum Dr. jur. promoviert. Im Anschluss arbeitete als Gerichtsreferendar in Wien, sein eigentliches Interesse aber galt seit seiner Studienzeit der Literatur.

Literarisches Wirken in der späten Habsburgermonarchie

Bereits ab 1895 gehörte er zu den Mitarbeitern der Zeitschrift "Jugend", im Jahr 1900 wird seine erste Komödie "Talent", eine Satire auf den Literaturbetrieb, mit einigem Erfolg am Theater in der Josefstadt uraufgeführt. Auernheimer nimmt um 1900 Kontakt zur Dichtergruppe des Jungen Wien auf, die sich zu dieser Zeit bereits etabliert hatte, in deren Kern er aber nie vorstieß. Insbesondere für Arthur Schnitzler hegte Auernheimer eine (nicht ganz ungebrochene) Bewunderung, auch zu Hugo von Hofmannsthal und Richard Beer-Hofmann stand er in freundschaftlichem Kontakt, nicht zuletzt durch gemeinsame Sommerfrischen in Altaussee.

Nach seinem ersten literarischen Achtungserfolg im Josefstädter Theater publizierte Auernheimer eine Vielzahl weiterer Dramen, darunter waren mit den Lustspielen "Die große Leidenschaft" (1905) und "Die glücklichste Zeit" (1909), letzteres auch am Burgtheater aufgeführt, durchaus weitere Bühnenerfolge. Der amüsiert-nachsichtige Blick dieser Gesellschaftskomödien auf die großbürgerlich-mondäne und adlige Wiener Gesellschaft ist ebenso charakteristisch für Auernheimers zeitgleich entstandene Erzählungen, für die sich die Bezeichnung "Lustspielnovellen" etabliert hat. Auf den ersten Novellenband "Rosen, die wir nicht erreichten" (1901) folgten in kurzen Abständen die Erzählbände "Renée. Sieben Capitel eines Frauenlebens" (1902), "Die Verliebten, Novellen und Skizzen" (1904), "Die Dame mit der Maske. Dialoge" (1905) und "Die man nicht heiratet" (1908).

Neben seinem literarischen Schaffen ist besonders sein Wirken als Theaterkritiker und Feuilletonist von zentraler Bedeutung. Bereits 1906 wurde Auernheimer fester Mitarbeiter der Neuen Freien Presse, war ab 1907 in der Nachfolge Hugo Wittmanns leitender Theaterkritiker, insbesondere am Burgtheater, und behielt diese Funktion bis 1933. In diesen Jahrzehnten etablierte sich Auernheimer als hochproduktiver, stilistisch versierter und weithin geschätzter Feuilletonist im literarischen Feld sowohl der späten Habsburgermonarchie als auch der Ersten Republik. Als einer der wenigen Autoren stand Auernheimer dem Ersten Weltkrieg eher ablehnend als euphorisch gegenüber und war aufgrund eines Herzleidens vom aktiven Militärdienst befreit.

Auernheimer in der Ersten Republik und dem "Ständestaat"

Auch nach dem Krieg bediente Auernheimer die durchaus stabile Nachfrage nach "Lustspielnovellen" ("Maskenball. Novellen im Kostüm", 1920) und Komödien und erhielt für sein Lustspiel "Casanova in Wien" 1924 sogar den Volkstheaterpreis. Allerdings erweiterte er in den 1920er Jahren auch das Spektrum literarischer Formen und Sujets und wandte sich in den Romanen "Das Kapital" (1923) und "Die linke und die rechte Hand" (1927) den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen der jüngsten Vergangenheit zu. Die Handlung beider Romane setzt unmittelbar nach dem Ende der Habsburgermonarchie ein und thematisiert die Orientierungsversuche adliger Figuren in der neu gegründeten Ersten Republik.

Auf kulturpolitischem Gebiet war Auernheimer in den 1920er und frühen 1930er Jahren, nicht zuletzt durch seine prominente Stellung im Feuilleton der "Neuen Freien Presse", bestens vernetzt. 1923 wurde er erster Präsident des österreichischen PEN-Clubs und blieb dies bis 1927, als nach Auseinandersetzungen mit der PEN-Generalsekretärin, Grete von Urbanitzky, Auernheimer seine Demission nahm und Felix Salten ihm nachfolgte. Ende der 1920er Jahre intensivierte Auernheimer zudem seinen Kontakt zum geistesaristokratisch-elitären Kulturbund Karl Anton Prinz Rohans, hielt auf Einladung des Vereins 1929 und 1931 zwei kurz darauf auch monographisch publizierte kultur- und gesellschaftspolitische Reden ("Geist und Gemeinschaft. Zwei Reden", 1932) und gehörte von 1931 bis 1937 selbst dem Vorstand des Kulturbundes an, der seit 1933/34 als offizieller Exponent 'ständestaatlicher' Kulturpolitik fungierte.

Trotz des autoritären Machtwechsels in Österreich konnte Auernheimer zunächst literarisch und kulturpolitisch tätig bleiben. Als österreichischer Delegierter auf dem PEN-Kongress 1933 in Ragusa (heute Dubrovnik) zählte er zu jenen Autoren, die sich öffentlich mit den in Deutschland von den Nationalsozialisten verfemten Autorinnen und Autoren solidarisierten. Während zahlreiche deutschnational und völkisch gesinnte Schriftsteller in Reaktion auf den Kongress 1933 den österreichischen PEN verließen, fungierte Auernheimer noch bis 1935 interimsmäßig als dessen Präsident.

"Anschluss" und amerikanisches Exil

Nicht zuletzt aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Unterwandungsversuchen der NS-Kulturpolitik (und aufgrund seiner jüdischen Mutter) wurde er unmittelbar nach dem sogenannten "Anschluss" im März 1938 verhaftet und mit dem "Prominententransport" ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Insbesondere durch Bittschriften prominenter Freunde und Unterstützer wurde Auernheimer im August 1938 unter der Bedingung freigelassen, aus dem Deutschen Reich auszuwandern. Im Dezember desselben Jahres gelang ihm die Emigration nach New York.

Im amerikanischen Exil schrieb Auernheimer zwar für die "Austro American Tribune", die "Baseler Nachrichten" und den "Aufbau" und beteiligte sich als Dramaturg an der 1940 von Ernst Lothar gegründeten, bereits 1941 aber nach nur fünf Inszenierungen wieder eingestellten "Österreichischen Bühne" in New York. Dennoch gelang es Auernheimer, der seit 1944 amerikanischer Staatsbürger war, kaum, an frühere literarische Erfolge anzuknüpfen. Sein unmittelbar nach der Ankunft in den USA verfasster Erinnerungsbericht "Die Zeit im Lager", der die Erfahrungen seiner Internierung in Dachau verarbeitet, konnte nicht das Interesse amerikanischer Verleger wecken, hat sich daher lange Zeit nur in Auernheimers Teil-Nachlass in der Wienbibliothek erhalten und wurde erst 2010 ediert.

In den letzten Jahren vor seinem Tod in Oakland/Kalifornien arbeitete Auernheimer vermehrt an Biografien, von denen "Metternich. Staatsmann und Kavalier" 1940 zunächst in englischer, dann 1942 in spanischer Übersetzung und erst 1947 auch in deutscher Sprache erschien. "Franz Grillparzer. Der Dichter Österreichs" wurde erst kurz nach Auernheimers Tod 1948 veröffentlicht, ebenso wie seine Autobiographie "Das Wirtshaus zur verlorenen Zeit. Erlebnisse und Bekenntnisse".

Seit 1960 ist im 22. Wiener Gemeindebezirk die Auernheimergasse nach ihm benannt.

Quellen

Literatur

  • Barbara Beßlich: "Meine Siege auf Schnitzler". Auernheimers ambivalente Dichter-Heroisierungen in der Wiener Moderne. In: Geistesheld und Heldengeist. Studien zum Verhältnis von Intellekt und Heroismus. Hg. von Barbara Beßlich, Nicolas Detering, Hanna Klessinger, Dieter Martin und Mario Zanucchi. Baden-Baden: Ergon 2020 (Helden – Heroisierungen – Heroismen, 14), S. 223–239
  • Evelyne Polt-Heinzl: Raoul Auernheimer. Autorenporträt [Mai 2016]. In: Online-Epochenprofil "Transdisziplinäre Konstellationen in der österreichischen Literatur, Kunst und Kultur der Zwischenkriegszeit" (letzter Abruf: 23.11.2023)
  • Donald G. Daviau: "Schönheit war alles und Politik herzlich wenig." The Role of Raoul Auernheimer in the Literary Scene of Vienna from 1918–1938. In: "baustelle kultur". Diskurslagen in der österreichischen Literatur 1918–1933/38. Hg. von Primus-Heinz Kucher. Bielefeld: Aisthesis 2011, S. 475–492
  • Lennart Weiss: "In Wien kann man zwar nicht leben, aber anders wo kann man nicht leben". Kontinuität und Veränderung bei Raoul Auernheimer. Uppsala: Uppsala University Press 2009 (Acta Universitatis Upsaliensis: Studia Germanistica Upsaliensia, 54)
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933-1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980-1999
  • Josef Fraenkel: The Jews of Austria. London: Vallentine 1967
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1954 ff.


Raoul Auernheimer im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.