Mohren

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Geschäftszeichen und Schild für die Spezereienhandlung "Zum schmeckenden Wurm", 1. Hälfte 18. Jahrhundert. Exotisierende Darstellung eines prächtig gewandeten Chinesen und eines Afrikaners mit Federschmuck die exotische Herkunft des exquisiten Warenangebots versinnbildlichend.
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 28.11.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname MohrundChinese.jpg
Bildunterschrift Geschäftszeichen und Schild für die Spezereienhandlung "Zum schmeckenden Wurm", 1. Hälfte 18. Jahrhundert. Exotisierende Darstellung eines prächtig gewandeten Chinesen und eines Afrikaners mit Federschmuck die exotische Herkunft des exquisiten Warenangebots versinnbildlichend.


Zur Begrifflichkeit

'Mohr' bezeichnet im Deutschen einen Menschen mit dunkler Hautfarbe. Im Alt- und Mittelhochdeutschen steht der Begriff für die Bewohner Mauretaniens - die Mauren. Bereits im Mittelalter wird Mohr auch verallgemeinert und meint "Menschen mit dunkler Hautfarbe". Seit dem 16. Jahrhundert wird der Terminus ausschließlich in dieser erweiterten Bedeutung verwendet.[1] Mohr wurde im Gegensatz zu Begriffen wie "Heide" oder gar "Neger" nicht kulturell oder physiologisch diskriminierend gebraucht. Das Wort findet im deutschen Sprachgebrauch nur noch selten Anwendung. Seit den frühen 1960er Jahren wurde auf eine Zwiespältigkeit des Wortes zwischen historischer Entwicklung und Verwendung als stereotype Bezeichnung, die eine bestimmte Vorstellung von einem dunkelhäutigen Menschen wecke, hingewiesen, was zu Diskussionen um dessen diskriminierenden Charakter führte.[2]

Angelo Soliman, um 1760/1765

Mohren in Wien

Im 17. und 18. Jahrhundert lebten circa 100 bis 200 Afrikaner und Afrikanerinnen in Wien. Als Herkunftsort nennen die spärlichen Quellen meist nur Afrika. Konkret genannte Herkunftsregionen sind Angola, Kap Verden, Marokko, Ägypten, England (englische Kolonien) und Mauritius, aber auch Südindien.
Vor allem zwei Migrationsverläufe lassen sich ausmachen. Ein Teil der Menschen kam aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen der Habsburgermonarchie mit dem Osmanischen Reich nach Wien. Es handelte sich um sogenannte "Beutetürken", die Großteils dem osmanischen Hofstaat angehört hatten.[3] Als Herkunftsgebiete sind die dem Osmanischen Reich angehörenden beziehungsweise benachbarten Regionen entlang des Roten Meeres beziehungsweise Nordafrika denkbar.
Ein anderer Teil der Afrikaner gelangte über den kolonialen Sklavenhandel nach Mitteleuropa. Ein beträchtlicher Teil dieses Handels lief über die iberische Halbinsel. Menschen aus den spanischen und portugiesischen Kolonien kamen über diesen Weg. Weiters erfolgten Ankäufe afrikanischer Sklaven über Sizilien. Möglicherweise war auch ein früher Zusammenhang mit dem Sklavenhandel der niederländischen Generalstaaten mit Süd- oder Südostafrika beziehungsweise ihrem Kolonialbesitz im heutigen Indonesien gegeben. Im 18. Jahrhundert änderten sich die Mechanismen der Rekrutierung. In den 1770er Jahren sind Immigranten aus den britischen Kolonien in Westindien nachweisbar. Aber nicht nur aus dem British Empire kamen Sklaven. Auch die frühkolonialen Eigenaktivitäten der Habsburgermonarchie hatten Auswirkungen. So kamen vor allem Sklaven aus dem portugiesischen Estado da India, der die Küste Mocambiques und einen Teil Südindiens umfasste, nach Wien. Die Jesuitenmission in Süd- und Ostasien hatte ebenso Anteil wie Expeditionen österreichischer oder in österreichischem Auftrag tätiger Akteure.

Milieus, Berufe, Wohnsituation

Das größte einzelne Tätigkeitsfeld der Personen war der Gesindedienst im aristokratischen, zum Teil aber auch bürgerlichen (nobilitierten) Häusern. Hofmohren erlebten die Stadt als Subalterne und in Abhängigkeit von ihren fürstlichen Herren. Sie genossen keinen rechtlichen Schutz. Nur in Ausnahmefällen wurde ihnen das Recht auf Heirat und Gründung einer eigenen Familie zugestanden. Die Wohnsituation ist nur schwer zu ermitteln. Viele lebten bei oder in der Nähe ihrer Dienstherren. Wohnten sie eigenständig, so taten sie das in meist wenig prominenten Vorstadtlagen. Über die persönlichen Verhältnisse der Menschen dunkler Hautfarbe und ihre Sozialkontakte ist wenig bis gar nichts bekannt. Die Lebenssituation der "Hofmohren" war allerdings im Vergleich zur Masse der städtischen Bevölkerung, die in überbevölkerten und schlecht versorgten (Vorstadt-)Quartieren wohnte, privilegiert. Sie waren exquisit gekleidet, gut ernährt, begleiteten ihre Herren bei gesellschaftlichen Ereignissen und Reisen. Sie lebten in einem "goldenen Käfig".
Ab dem Jahr 1649 verzeichnen die Totenbeschauprotokolle immer wieder Todesfälle von Mohren, die bei der hohen Aristokratie, beispielsweise den Liechtensteins, Harrachs, Seilern und Hohenlohes, aber auch dem spanischen Botschafter und dem englischen Gesandten in deren Haushalten tätig waren. Auch am Hof Karls VI. hat ein Hofmohr namens Johann Michael Martini gelebt. Der einzige Mohr, der es zu einer bedeutenderen gesellschaftlichen Stellung brachte, war Angelo Soliman. Mit einer Wienerin verheiratet, war er Mitglied einer Freimaurerloge und Großvater des Bergbauingenieurs und Literaten Eduard von Feuchtersleben (* 1798 Krakau, † 1857 Bad Aussee), der ältere Halbbruders des Dichters Ernst von Feuchtersleben (* 1806 Wien, † 1849 Wien). Der letzte Mohr des 18. Jahrhunderts starb am 20. November 1798 im Dienst der Fürstin Hohenlohe.

Sklaven oder Freie

Aufgrund der bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts geltenden Rechtslage ist von einer strukturellen personenrechtlichen Benachteiligung des "türkischen" beziehungsweise "mohrischen" gegenüber dem übrigen Gesinde auszugehen. Juristisch gesehen blieben sie auch im Habsburgerreich Sklaven. Faktisch unterlagen die Exoten im häuslichen Dienst denselben Freiheitsbeschränkungen wie der Rest des Gesindes. Die Sklaveneigenschaft kann im gesellschaftlichen Bewusstsein als obsolet betrachtet werden. Lediglich im Falle disziplinärer Maßnahmen konnte sie eine Rolle spielen. Die Mitte des 18. Jahrhunderts brachte mit dem Inkrafttreten des Codex Theresianus die Abschaffung der Sklaverei und damit den Menschen mit dunkler Hautfarbe die Freiheit. Gegenläufig zu diesen Tendenzen der Emanzipation bildete sich biologischer Rassismus und eine fortschreitende kolonialpolitische Diskriminierung heraus. Rechtlich und politisch erfreuten sie sich folglich einer gewissen Freiheit, sozial sahen sie sich allerdings immer stärker mit einer zugeschriebenen Fremdheit konfrontiert.[4]

Mohren im Wien Geschichte Wiki

Die Einträge umfassen derzeit in erster Linie Gebäude, die im 18. Jahrhundert ein Hausschild mit dem Terminus 'Mohr' führten. Im Wiennerischen Diarium findet sich der Hinweis auf ein Mohren-Hausschild erstmals 1707.[5]

Siehe auch:

Literatur

  • Susan Arndt / Antje Hornscheidt: Afrika und die deutsche Sprache: ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast-Verlag 2004
  • Philipp Blom / Wolfgang Kos [Hg.]: Angelo Soliman. Ein Afrikaner in Wien. Wien: Christian Brandstätter Verlag 2011 (Katalog zur 376. Sonderausstellung des Wien Museums)
  • Gustav Gugitz: Zwerge und Mohren in Alt-Wien. Ein Beitrag zur Sittengeschichte. In: Wiener Geschichtsblätter 14 (1959), S. 32 ff.
  • Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Geschichte und Bewußtsein der Deutschen. Hamburg: Hamburger Edition 2001
  • Walter Sauer / Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.]: Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2007, S. 23-56

Weblinks

  • Wikipedia mit einer sprachlichen und geografischen Kontextualisierung

Referenzen

  1. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. München: dtv 1995.
  2. Susan Arndt / Antje Hornscheidt: Afrika und die deutsche Sprache: ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast-Verlag 2004, S. 18 ff. (Sprache und Gesellschaft. Koloniale Begriffe und ihre Wirkungsmacht in Geschichte und Gegenwart), S. 22 ff. (Rassistische Begriffe und gesellschaftliche Aufarbeitung), S. 168 ff. (Stichwort Mohr/Mohrin).
  3. In der Wiener Zeitung ist ein Zusammenhang mit den Osmanen erstmals 1709 nachzulesen: ANNO: Wiener Zeitung, 03.07.1709.
  4. Walter Sauer / Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.]: Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2007, S. 23-56, insbesondere S. 36-49.
  5. ANNO: Wiener Zeitung, 16.07.1707: Das Haus "Zum Mohren" in Mariahilf.