Mehlgrube

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Hotel Munsch (heute Hotel Ambassador) in 1., Neuer Markt 5, Schrägansicht, Blick gegen Schwarzenbergpalais um 1870-75
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1350
Datum bis
Andere Bezeichnung Hotel Ambassador, Hotel Krantz
Frühere Bezeichnung Zu den drei Köpfen
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner Karoline Pichler, Joseph Hollan
PageID 29199
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Letzte Änderung am 6.10.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname 1., Neuer Markt 5 - Hotel Munsch (heut. Hotel Ambassador).jpg
Bildunterschrift Hotel Munsch (heute Hotel Ambassador) in 1., Neuer Markt 5, Schrägansicht, Blick gegen Schwarzenbergpalais um 1870-75
  • 1., Kärntner Straße 22
  • 1., Neuer Markt 5

Frühere Adressierung
  • Nr.: 1045 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 1074 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1108 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)

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48° 12' 20.64" N, 16° 22' 14.97" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Mehlgrube (1, Neuer Markt 5, Kärntner Straße 22 [vorher 28]; Konskriptionsnummer 1045).

Ältestes Haus

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gehörte dieses Haus Conrad dem Herrscheftlein, der in Urkunden der Stadt zwischen 1326 und 1359 aufscheint und 1348 sowie 1354 Spitalmeister und 1352 Ratsherr war. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts trug es laut Moritz Bermann den Namen "Zu den drei Köpfen" (anderen Angaben folgend hieß ein Nachbarhaus später "Bei den drei Köpfen"). Nach 1403 stiftete es seine Besitzerin zu einer ewigen Messe. Die Lehenschaft dieser Messe stand dem Bürgermeister und Rat der Stadt Wien zu.

Mehldepot und Metzenleihanstalt

Im Jahr 1453 überließ der damalige Kaplan dieser Messe, Ulrich Hirssauer, das Haus der Stadtgemeinde zur Errichtung eines Mehlkastens und einer Mehlgrube für 32 ungarische Gulden jährlich. Grund dafür war, dass er das Gebäude schon baufällig von seinem Vorgänger übernommen hatte, und der Meinung war, dass die Stadt das Haus besser instand halten könne als er oder seine Nachfolger. Nur wenig später dürfte auch ein Nachbargebäude (siehe Hotel Krantz, Haus C) in dieses Bauwerk miteinbezogen worden sein. Danach diente es bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Mehldepot und Metzenleihanstalt. Das Metzenleihamt hatte die Aufsicht über die Mehlmesser, Sackträger und Mehlbeschauer und kontrollierte auch die Preise der Mehlhändler. In der Folge erhielt es den Namen "Zur Mehlgrube" (In der Nachbarschaft befanden sich die Häuser "Alte Mehlgrube" [1375 erstmals belegt] und "Neue Mehlgrube" [ab 1403 belegbar; beide auf dem heutigen Grundstück Kärntner Straße 20]).

Am 16. Juni 1455 erlaubte das Heiligengeistkloster, dem das Nachbarhaus gehörte, der Stadt wegen der guten Nachbarschaft auf und in ihre Hausmauer "die mauerpankch jrs ziegldach, vnd ain rynnen darein jr wasser ab demselben fleusste" zu legen. Dafür erhielten die Brüder 20 Pfund Wiener Pfennig und "ainen hauffen stein", womit sie ihr Dach höher mit Ziegeln decken wollten. Ihr Regenwasser sollte in die erwähnte Rinne geleitet werden. Es wurde daher vereinbart, dass, "wenn die rynnen erfault oder fürbasser daran ze pessern [sei] oder ze machen not geschiecht", die Kosten dafür zu gleichen Teilen zu tragen seien. Die Stadt scheint die Arbeiten sofort in Angriff genommen zu haben. Im Jahr 1463 wurde das damals zweistöckige Gebäude als der "Stat Kassten am Newenmarkt, genant melgrub" verzeichnet.

Neubau 1698

1695 verlieh Leopold I. der Stadt die "Quartierfreiheit" der Mehlgrube, wodurch das Haus von den unbeliebten Einquartierungen befreit wurde. 1698 wurde der Grundstein zu einem Neubau gelegt, den die Baumeister Georg Powanger und Christian Oedtl (oder Oettl) möglicherweise nach Plänen Johann Bernhard Fischers von Erlach errichteten. Die Räume im ersten Stockwerk dieses Monumentalbaus (mit zwei Fronten, Durchhaus in die Kärntner Straße und Laubengängen auf der Seite des Neuen Markts) dienten besonders im Fasching zu Tanzunterhaltungen. In der neu erbauten "Mehlgrube" war auch ein Gasthaus untergebracht, dessen Betrieb sich unter dem Gastwirt Johann Radelmayer infolge der zentralen Lage recht lukrativ gestaltete. Am 21. Jänner 1716 wurde die "Mehlgrube" als Tanzlokal für den Adel eröffnet, der hier geschlossene Bälle veranstaltete, die im Volksmund Ahnenbälle (wegen des nachzuweisenden Stammbaums) hießen. Auch zahlreiche Kinder- und Maskenbälle sowie Musikfeste wurden abgehalten. Über die Kinderbälle berichtet Johann Basilius Küchelbecker:

"Vornehme Eltern, welche ihren Kindern zur Karnevalszeit eine geziemende Lust machen, bestellen vors Geld, bey eben demjenigen, so die andern Bälle gibt, eine Lustbarkeit mit Essen, Trinken und Musik, da gegen Abend eine grosse Menge Kinder beyderley Geschlechts unter der gewöhnlichen Aufsicht, in schönster Kleidung erscheinen und sich mit Essen, Trinken divertieren, bis gegen 9 oder 10 Uhr, da sie sich dann wieder nach Hause begeben. Dann setzen es die Grossen fort, wo es die Kleinen gelassen und continuieren mit tantzen und spielen bis gegen Morgen."

In den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts stand der Saal fast leer, nach 1780 wandelte er sich zu einem feinen bürgerlichen Tanzsaal. Ab 1781 fanden hier die "Liebhaberkonzerte" statt, bei denen die bekanntesten Musiker auftraten. 1785/1786 gab Mozart hier mehrere Akademien, in denen er seine Werke auf dem Spinett vortrug. Bei Aufführungen von vierhändigen Stücken wirkte Johann Nepomuk Hummel mit, den Grillparzer als letzten unverfälschten Schüler Mozarts beszeichnete. Bereits 1787 bot das "Taschenbuch für Grabennymphen" die Mehlgrube als zu empfehlende Lokalität an.

In den 90er Jahren begann sich das Publikum endgültig nachteilig zu verändern, sodass sich Anfang des 19. Jahrhunderts (nicht zuletzt wegen mannigfacher in der "Mehlgrube" vorgefallener Exzesse) Adel und Bürgertum aus der "Mehlgrube" zurückzogen. Die Familie Möraus, die sich bis 1831 um den Betrieb kümmerte, konnte den Niedergang des Unternehmens nicht aufhalten. Neu eröffnete Etablissements (vor allem der Apollosaal (7)) bildeten eine starke Konkurrenz und zogen das Publikum an sich. Immerhin wurden Bälle gegeben, Konzerte abgehalten, auch die Anwerbung der Legion Erzherzog Carls ging in der "Mehlgrube" vor sich.

1740 befand sich auch das Kalenderstempelamt im Gebäude. Da es der Stadt gehörte, wurden auch Wohnungen vermietet, vor allem an Magistratsbeamte, aber auch die Schriftstellerin Karoline Pichler wohnte eine Zeitlang hier. 1831 übernahm Mathias Czermak die "Mehlgrube" und erhielt 1832 die Erlaubnis, sie als Casino zu führen, für das Lanner und Morelly engagiert wurden. In den 30er Jahren fanden Journalistenabende statt, bei denen Moritz Gottlieb Saphir eine große Rolle spielte. Später entstand daraus der Journalisten- und Schriftstellerverein "Concordia"

Eine ruhmreiche Epoche begann 1837 mit der Übernahme des Casinos durch Franz Xaver Munsch. Zwischen 1850 und 1858 ging ein benachbartes Haus, das ebenfalls der Stadt Wien gehörte, in diesem Gebäuse auf (siehe Hotel Krantz, Haus B). Im Jahr 1866 wurde die "Mehlgrube" von ihm zu einem vornehmen Hotel umgestaltet. Die Gäste speisten in einem prachtvollen Salon auf feinsten Porzellan und Silber. Besonders hervorgehoben wurde der besondere Luxus durch wertvolle Speisekarten (Marocain und Gold) und "Garcons in Ballkleidern".

Neubau 1897

1897 wurde das Hotel (Grundfläche: 1173 Quadratmeter) von Josef Krantz erworben, der es niederreißen und an seiner Stelle durch die Baumeister Kupka & Orglmeister einen Neubau auf deutlich verringerter Grundfläche errichten ließ. 1919 kaufte dieses Gebäude die Hotel Krantz AG, die es nach den Zerstörungen des Jahres 1945 bis 1955 als Hotel Ambassador wiederherstellen ließen (ausführlichere Beschreibung im Artikel Hotel Krantz).

Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre

  • Gasthaus (Tanzlokal) "Zur Mehlgrube"
  • Casino
  • Hotel Munsch
  • Hotel Krantz
  • Hotel Ambassador

Quellen

Literatur

  • Hans Pemmer: Die Mehlgrube, ein Alt-Wiener Vergnügungszentrum. In: Wiener Geschichtsblätter 17 (1962), S. 75 ff., 110 ff. sowie 18 (1963), S. 141 ff.
  • Felix Czeike: Der Neue Markt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1970 (Wiener Geschichtsbücher, 4), S. 67 ff.
  • Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Band 1. Cosenza: Brenner 1967, S. 168 ff.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 393
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 46-53