Marie Herzfeld

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Marie Herzfeld
Daten zur Person
Personenname Herzfeld, Marie
Abweichende Namensform Lyhne, H. M.; Niederweelen, Marianne; Niederweiden, Marianne
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 12541
GND 119543559
Wikidata Q1402307
Geburtsdatum 20. März 1855
Geburtsort Güns 4212048-2
Sterbedatum 22. September 1940
Sterbeort Mining bei Braunau 4787812-5
Beruf Schriftstellerin, Übersetzerin, Herausgeberin, Literaturkritikerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus, Österreichische Nationalbibliothek
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 13.03.2024 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname MarieHerzfeld.jpg
Bildunterschrift Marie Herzfeld
  • 1., Rotenturmstraße 22 (Wohnadresse)
  • 3., Bechardgasse (Wohnadresse)
  • 2., Lichtenauergasse 5 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Ausschussmitglied im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1895)
  • Vizepräsidentin im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1900, bis: 1917)
  • Präsidentin im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1917, bis: 1919)

  • Bauernfeldpreis (Übernahme: 1904)


Marie Herzfeld, * 20. März 1855 Güns (Köszeg, Ungarn), † 22. September 1940 Mining (Oberösterreich), Schriftstellerin, Übersetzerin, Herausgeberin.

Biografie

Marie Herzfeld war die Tochter des jüdisch-ungarischen k. k. Kreis- und Gerichtsarztes Samuel (später: Sebastian) Herzfeld und dessen Ehefrau Barbara, geborene Schönwald. Sie war die Erstgeborene einer großen Kinderschar – fünf Brüder und drei Schwestern sollten auf sie folgen. Eine weitschichtige Verwandtschaft bestand auch zu Arthur Schnitzler.[1] Die Familie war deutschsprachig und wurde vermutlich in den späten 1860er Jahren in Wien sesshaft. Über Herzfelds Bildungsweg ist wenig bekannt. Wie für Mädchen bürgerlicher Herkunft üblich, spielte sie Klavier und beherrschte mehrere Sprachen. Denkbar ist, dass sie an der Bildung ihrer Brüder, die später alle Karriere machten, Teil hatte. In Wien traten nach und nach fast alle Familienmitglieder aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus, Marie Herzfeld nahm 1894 den katholischen Glauben an.

Als Älteste unter den Geschwistern vermutlich viele Jahre lang mit familiären Pflichten befasst, machte sich Herzfeld Mitte der 1880er Jahre, nach einer längeren Erkrankung, über ihre berufliche Zukunft Gedanken und wandte sich dem Studium der skandinavischen Sprachen und Literaturen zu. Das Wissen um den Umgang mit Autorenrechten, Verlagen und Literaturbetrieb erwarb sie sich mit Unterstützung von Karl Emil Franzos, den sie 1884 in einem Brief diesbezüglich um Hilfe bat. 1888 erschien mit "Kapitän Mansana" des Norwegers Bjørnstjerne Bjørnson ihre erste Übersetzung. Zahlreiche Werke dänischer, schwedischer und norwegischer Autoren wie Ola Hansson, Arne Garborg, Jonas Lie oder Knut Hamsun folgten. Die dänische Schriftstellerin Mathilda Malling war die einzige Frau, deren Texte sie ins Deutsche übertrug. Einen besonderen Stellenwert nahm für Herzfeld der dänische Schriftsteller Jens Peter Jacobsen ein. Im Auftrag des Verlegers Eugen Diederichs gab sie die erste deutschsprachige Gesamtausgabe von dessen Werk heraus. Zusätzlich zu ihren Übersetzungen verfasste sie – zunächst unter Verwendung der Pseudonyme H. M. Lyhne (in Anlehnung an Jacobsens Romanhelden Niels Lyhne) oder Marianne Niederweelen – auch Essays über skandinavische Literatur, die in deutschsprachigen Zeitschriften wie "Wiener Moderne", "Die Gesellschaft", "Moderne Rundschau" oder "Die Zeit" erschienen. Viele dieser Texte finden sich in den von Herzfeld herausgegebenen Sammelbänden "Menschen und Bücher" (Wien 1893) und "Die Skandinavische Litteratur und ihre Tendenzen" (Berlin 1898) wieder.

Im Laufe der Jahre gelang es Marie Herzfeld, sich als Expertin und Kulturvermittlerin für nordische Literatur im deutschsprachigen Raum zu etablieren. Anerkennung fand sie nicht nur als Übersetzerin und Herausgeberin, sondern auch als Literaturkritikerin – einem sonst von Männern dominierten Bereich des Literaturbetriebs. Herzfeld, so die Einschätzung der Historikerin Marianne Baumgartner, zählte zu den wenigen Frauen, die "in dem männlich assoziierten literaturkritischen Kreis der Wiener Moderne […] jenseits des konventionellen Geschlechterprogramms 'Frauenliteratur' auch als Essayistin und Kritikerin wahrgenommen" wurde.[2] Ab der Jahrhundertwende wandte sich Herzfeld – neben der Befassung mit den skandinavischen Literaturen – verstärkt Texten der italienischen Renaissance zu. Für ihre kommentierte Ausgabe "Leonardo da Vinci" (1904) erhielt sie den Bauernfeldpreis. Ab 1910 gab sie im Eugen Diederichs Verlag die Reihe "Das Zeitalter der Renaissance. Ausgewählte Quellen zur Geschichte der italienischen Kultur" heraus, die 1927 eingestellt wurde. Über die Zusammenarbeit mit dem Verleger Diederichs lernte Herzfeld Max Mell kennen, dessen Arbeiten sie förderte. Er und seine Schwester Mary Mell zählten bald zu ihrem Freundeskreis.

Im Vereinsjahr 1892/1893 war Marie Herzfeld dem Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien beigetreten und nahm dort rasch eine aktive Rolle ein. Ab 1895 war sie Ausschussmitglied, von 1900 bis 1917 fungierte sie als Vizepräsidentin. Nachdem Olga Wisinger-Florian 1917 aus gesundheitlichen Gründen als Präsidentin zurückgetreten war, übernahm Herzfeld bis 1919 die Leitung des Vereins. Nach ihrem Rücktritt wurde sie zum Ehrenmitglied ernannt.

Herzfeld, die trotz jüdischer Herkunft mit deutschnationalen Positionen sympathisierte und der konservativen Strömung der Frauenbewegung zuzurechnen ist, war eine Anhängerin Ellen Keys. Ähnlich wie ihr schwedisches Vorbild vertrat sie einen Differenzfeminismus, dem es darum ging, die "Natur des Weibes" zu wahren und der die Vorrangstellung des Mannes nicht in Frage stellte. Über das in frauenbewegten Kreisen euphorisch aufgenommene Ibsens Drama "Nora oder ein Puppenheim" äußerte sie sich kritisch. Herzfeld war es auch, die sich 1905 für eine Ehrenmitgliedschaft Ellen Keys im Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien einsetzte. Ein an sie als Vizepräsidentin des Vereins adressiertes Dankschreiben von Key ist in der Wienbibliothek im Rathaus überliefert.

Marie Herzfeld, die zeitlebens unverheiratet und kinderlos blieb, lebte nach dem Tod der Mutter 1894 mit ihren Brüdern Paul (1857–1917) und Arthur (* 1864) in einem gemeinsamen Haushalt. Eine eigene Wohnung war für sie vermutlich nicht leistbar. Möglicherweise lebte Herzfeld auch vorübergehend in Jena, wo der Eugen Diederichs Verlag seinen Sitz hatte, und bei einer Nichte im böhmischen Aussig. Ab 1923 war sie nicht mehr in Wien gemeldet und wohnte vermutlich bei ihrer Schwester Stefanie Herzfeld (1861–1930) in Niederösterreich. Über ihre letzten Lebensjahre ist wenig bekannt. 1938 verkaufte sie aus Geldmangel Korrespondenzstücke ihrer berühmten Briefpartner wie Hugo von Hofmannsthal oder Rainer Maria Rilke und zog zu ihrem Bruder Arthur und dessen nicht-jüdischer Frau nach Mining in Oberösterreich. Dort verstarb sie im Herbst 1940.

Ein Konvolut von rund 490 Briefen wird im Nachlass Marie Herzfeld in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt. In der Wienbibliothek im Rathaus finden sich rund 70 einzeln katalogisierte Korrespondenzstücke von und an Marie Herzfeld sowie ein kleiner, nur eine Mappe umfassender Teilnachlass.


Quellen

Literatur

  • Marianne Baumgartner: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1885–1938). Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2015, S. 295–306
  • Petra Broomans: Metodologiskt ingenmansland eller eklekticismens djungel? Om vårt sätt att forska i kulturförmedling – Exempel: Marie Herzfeld (1855-1940). In: Der Norden im Ausland – das Ausland im Norden. Hg. Von Sven Hakon Rossel. Wien: Praesens Verlag 2006, S. 201–210
  • Ursula Renner: "Für eine kleine kulturwissenschaftliche Literatur" (der Kommentare): Marie Herzfeld. In: Cultural Turn. Zur Geschichte der Kulturwissenschaft. Hg. von Lutz Musner / Gotthart Wunberg / Christina Lutter. Wien: Turia+Kant 2001, S. 108–133
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1946 - lfd. Band 1,1970, S. 15
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
  • Wilhelm Kosch: Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Bern: Francke 1949 ff.
  • Ludwig Eisenberg: Das geistige Wien. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon, Mittheilungen über Wiener Architekten, Bildhauer, Bühnenkünstler, Graphiker, Journalisten, Maler, Musiker und Schriftsteller. Wien: Daberkow 1889–1892


Marie Herzfeld im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arthur Schnitzler an Marie Reinhard, 22. 6. 1897. In: Hermann Bahr – Arthur Schnitzler: Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente (1891–1931). Hg. Kurt Ifkovits, Martin Anton Müller
  2. Marianne Baumgartner: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1885–1938). Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2015, S. 140