Margarete Hilferding

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Margarete Hilferding
Daten zur Person
Personenname Hilferding, Margarete
Abweichende Namensform Hilferding, Margarethe; Hönigsberg, Margarete
Titel Dr.med.
Geschlecht weiblich
PageID 45090
GND
Wikidata
Geburtsdatum 20. Juni 1871
Geburtsort Wien
Sterbedatum 23. September 1942
Sterbeort Treblinka
Beruf Ärztin, Politikerin
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle
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Letzte Änderung am 10.11.2023 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Margarete Hilferding.jpg
Bildunterschrift Margarete Hilferding

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Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Margarete Hilferding

Margarete (auch: Margarethe) Hilferding, geb. Hönigsberg, * 20. Juni 1871 Wien, † 23. September 1942 Treblinka (KZ), Ärztin, Individualpsychologin, Politikerin (SDAP).

Herkunft, Ausbildung und Familie

Margarete Hilferding wurde als Tochter eines praktischen Arztes in Wien geboren. Von 1889 bis 1893 besuchte sie die k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt im 1. Bezirk (Hegelgasse 14), anschließend arbeitete sie zwei Jahre an einer privaten Volksschule in Wien. 1898 legte sie die Externistinnen-Matura ab und schrieb sich an der Universität Wien zunächst an der philosophischen Fakultät ein. Ab 1900 und nach der Zulassung von Frauen zum Medizinstudium begann sie ein Studium der Medizin, das sie 1903 als erste Frau an der Universität Wien mit der Promotion beendete. Ein Jahr später (1904) heiratete sie den Arzt und Ökonomen Rudolf Hilferding; der Ehe entstammten zwei Söhne (Karl Hilferding, 1905-1942, und Peter Milford-Hilferding, 1908-2007). 1922 wurde die Ehe geschieden.

Berufliche Karriere

Hilferding, die zeitweise in Berlin wohnte, wo ihr Ehemann an der sozialdemokratischen Parteischule unterrichtete, arbeitete ab 1910 als praktische Ärztin und Frauenärztin in Wien-Favoriten, ab 1922 auch als Schulärztin. In Favoriten war sie 1927-1934 auch politisch als sozialdemokratische Bezirksrätin tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hilferding Leiterin der individualpsychologischen Erziehungsberatungsstelle in Wien sowie Mitarbeiterin am Mariahilfer Ambulatorium. Die Auflösung der Sozialdemokratischen Partei und aller ihrer Organisationen hatte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Individualpsychologinnen und Individualpsychologen. Viele Erziehungsberatungsstellen wurden aufgelöst, gegen den Verein und politisch aktive Mitglieder wurde polizeilich ermittelt. Hilferdings verlor 1934 ihren Kassenvertrag und konnte fortan nur noch Privatpatienten betreuen.

Ermordung

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten arbeitete Hilferding bis 1941 im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde (Rothschildspital), dessen neurologische Station von Viktor Emil Frankl geleitet wurde. Nachdem sie aus ihrer Wohnung vertrieben wurde, bezog die Familie eine Armenwohnung in der Grünentorgasse 6; zuletzt war Hilferding im jüdischen Altersheim im 9. Bezirk Alsergrund (in der Seegasse) gemeldet. Von dort wurde sie im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und im September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka überstellt, wo sie von den Nazis ermordet wurde (nach anderen Quellen: auf dem Transport von Theresienstadt nach Maly Trostinec).

Tätigkeit als Psychoanalytikerin

Hilferding hatte bereits während ihres Medizinstudiums Vorlesungen von Sigmund Freud besucht, die sie für die Psychoanalyse einnahmen. Im Jahr 1910 wurde sie auf Vorschlag von Paul Federn als erste Frau in die von Sigmund Freud gegründete "Mittwoch-Gesellschaft" (später "Wiener Psychoanalytische Vereinigung") aufgenommen. Im Jänner 1911 hielt sie dort ihren ersten Vortrag über die "Grundlage der Mutterliebe". Der Konflikt zwischen Alfred Adler und Sigmund Freud über die Ausdehnung psychoanalytischer Ideen auf soziale und politische Phänomene führte 1911 zum Austritt von Adler und schließlich auch von Hilferding, die sich mit Adler – mit dem sie auch privat eng befreundet war – solidarisch erklärte. In der Folge wurde sie Mitglied des von Adler gegründeten Vereins für Individualpsychologie, als dessen Präsidentin sie zeitweise auch fungierte.

Hilferding gilt als eine der einflussreichsten Individualpsychologinnen und Individualpsychologen der Zwischenkriegszeit in Wien. Sie beschäftigte sich mit Frauenfragen, Sexualität und Geburtenregelung, Aufklärung und Erziehung. Als Leiterin der individualpsychologischen Erziehungsberatungsstellen in Wien hielt sie auch Kurse über Erziehungs- und Frauenfragen. Zugleich war sie in der sozialdemokratischen Frauenorganisation als Vortragende und Publizistin im Bereich Sozialmedizin und Berufskrankheiten tätig. Im Jahr 1926 erschien ihr zentrales Werk "Geburtenregelung", in dem sie für liberalere Abtreibungsbestimmungen eintrat. Von Bedeutung ist auch ihr Auftritt auf dem in Wien tagenden 4. Kongress der Weltliga für Sexualreform, auf dem sie nicht nur vor großem Publikum sprach, sondern auch eine Vermittlungsrolle zwischen Psychoanalytikern und Individualpsychologen einerseits und sozialdemokratischen Politikern andererseits einnahm.

Ehrungen

Im Jahr 2006 wurde in Wien-Favoriten (10. Bezirk) der Margarethe-Hilferding-Hof nach ihr benannt. Der Hilferdingweg in Floridsdorf ist nach Margarete Hilferding, ihrem geschiedenen Gatten Rudolf Hilferding und ihrem Sohn Karl Hilferding benannt.

Werke

  • Frauenarbeit und Frauengesundheit. In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Hg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte 1930, S. 391 ff.
  • Geburtenregelung. Mit einem Nachwort von Alfred Adler. Erörterungen zum § 144. Wien, Leipzig: Moritz Perles 1926
  • Zur Grundlage der Mutterliebe (1911). Kurzreferat. In: Herman Nunberg / Ernst Federn [Hg.]: Die Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Band. III. Frankfurt/Main: Fischer 1979, S. 113 ff.
  • Individualpsychologische Gedankengänge eines Kinderarztes. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 13 (1935), S. 206-213
  • Der Schleichhandel. In: Der Kampf 13/4 (1920), S. 300-303
  • Was kostet eine auskömmliche Ernährung? In: Der Kampf 12/35 (1919), S. 101-105

Literatur

  • Helena Viana Bessermann / Teresa Pinheiro: As bases do amor materno – Margarete Hilferding. Sao Paulo: Escuta-Verlag 1991
  • Susanne Blumesberger / Michael Doppelhofer / Gabriele Mauthe [Bearb.]: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Hg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. München: K. G. Saur 2002
  • Johannes Cremerius: Margarete Hilferding (1876-1942). In: Ernst Federn / Gustav Wittenberger [Hg.]: Aus dem Kreis um Sigmund Freud. Frankfurt am Main: Fischer 1992, S. 117-120
  • Martina Gamper: "... so kann ich nicht umhin mich zu wundern, dass nicht mehr Ärztinnen da sind." Die Stellung weiblicher Ärzte im "Roten Wien" (1922-1934). In: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller [Hg.]: Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien: Verlag der Österreichischen Ärztekammer 2000, S. 79-96
  • Bernhard Handlbauer: Psychoanalytikerinnen und Individualpsychologinnen im Roten Wien. In: Doris Ingrisch / Ilse Korotin / Charlotte Zwiauer [Hg.]: Die Revolutionierung des Alltags. Frankfurt am Main: Peter Lang 2004, S. 75-100
  • Ilse Korotin: Margarethe Hilferding. In: René Korotin [Red.]: Gelehrte Frauen. Frauenbiographien vom 10. bis zum 20. Jahrhundert. Wien: BMUK 1996, S. 235-237
  • Eveline List: Mutterliebe und Geburtenkontrolle – zwischen Psychoanalyse und Sozialismus. Die Geschichte der Margarethe Hilferding-Hönigsberg. Wien: Mandelbaum 2006 (mit ausführlicher Bibliographie)
  • Eveline List: Keine Tochter Freuds. Margarete Hilferding und die frühe Psychoanalyse. In: Freud und die Folgen. Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 6/1 (2006), S. 24-39
  • Elke Mühlleitner: Biographisches Lexikon der Psychoanalyse. Die Mitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1902-1938. Tübingen: edition diskord 1992, S. 145 f.
  • Elke Mühlleitner: Margarethe Hilferding. In: Brigitta Keintzel / Ilse Korotin [Hg.]: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben, Werk, Wirkung. Wien [u.a.]: Böhlau 2002, S. 289 f.
  • Paul Pasteur: Femmes dans le Mouvement Ouvrier Autrichien 1918-1934. Diss. Univ. Rouen. Rouen 1986
  • Sonja Stipsits: Margarete Hönigsberg. Aus dem Leben einer Pionierin. Unter Einbeziehung der lebensgeschichtlichen Erinnerung ihres Sohnes Peter Milford. In: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller [Hg.]: Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien: Verlag der Österreichischen Ärztekammer 2000, S. 45-53

Weblinks