Käthe Leichter

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Käthe Leichter
Daten zur Person
Personenname Leichter, Käthe
Abweichende Namensform Leichter, Marianne Katharina; Pick, Katharina
Titel Dr. rer. pol.
Geschlecht weiblich
PageID 8332
GND 119334429
Wikidata Q1795535
Geburtsdatum 20. August 1895
Geburtsort Wien
Sterbedatum 17. März 1942
Sterbeort Bernburg/Saale, Sachsen-Anhalt
Beruf Politikerin
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Revolutionäre Sozialisten
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum 24. April 1942
Friedhof Feuerhalle Simmering
Grabstelle Abteilung ML, Gruppe 32, Nummer 1G
Ehrengrab ehrenhalber gewidmetes Grab
Bildname Kätheleichter.jpg
Bildunterschrift Käthe Leichter
  • 1., Rudolfplatz 1 (Geburtsadresse)
  • 1., Eßlinggasse 17 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Leiterin des Frauenreferates der Arbeiterkammer Wien (1925, bis: Februar 1934)

Käthe Leichter, * 20. August 1895 Wien, † vermutlich 17. März 1942 (Tagesdatum nicht gesichert), Bernburg/Saale, Sachsen-Anhalt, Soziologin, Redakteurin, Politikerin.

Biografie

Käthe Marianne Katharina Pick war die Tochter des Rechtsanwalts Josef Pick und seiner Ehefrau Charlotte, geborene Rubinstein. Ihre ältere Schwester Valerie (1894–1982), verehelicht mit dem Komponisten Karl Weigl (1881–1949), wurde Musikerin und Musiktherapeutin in den USA.

Käthe Pick besuchte das "Beamtentöchter-Lyzeum" in Wien, wo sie 1914 die Matura ablegte. Nachdem sie sich durch eine Klage beim Reichsgericht die Zulassung zum Studium erkämpft hatte, inskribierte sie im selben Jahr Staatswissenschaften an der Universität Wien. Der mit den Eltern befreundete Jurist und Reichsratsabgeordnete Julius Ofner und der Techniker und Sozialreformator Josef Popper-Lynkeus weckten ihr Interesse für soziale Fragen. Neben ihrem Studium arbeitete sie als Erzieherin von Arbeiterkindern.

Ein akademischer Abschluss für weibliche Studierende war in Wien trotz des hier absolvierten Studiums jedoch nicht vorgesehen und so musste Käthe Pick ihre Promotion an der Universität Heidelberg anstreben. Dort verkehrte sie in einem Kreis von aktiven Kriegsgegnern und wurde in der Folge wegen ihres politischen Engagements und ihrer pazifistischen Einstellung 1917 "für die Dauer des Krieges" in Deutschland mit einem Einreiseverbot belegt. Wahrscheinlich aufgrund einer Intervention ihres Doktorvaters Max Weber – "zwecks Ablegung der nationalökonomischen Doktorprüfung" – konnte sie dieses aber durchbrechen. Am 24. Juli 1918 promovierte Käthe Pick mit Auszeichnung zum Thema "Die handelspolitischen Beziehungen Österreich-Ungarns zu Italien". Man nimmt an, dass Käthe Leichter die erste Österreicherin war, die den Doktortitel in Staatswissenschaft erworben hat.

Nach Wien zurückgekehrt, war Käthe Pick als Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) in linken Studentengruppen aktiv. Hier traf sie ihren späteren Mann, den Publizisten Otto Leichter. Im Herbst 1918 wurde sie Mitbegründerin des Verbands der sozialdemokratischen Studenten und Akademiker (seit 1925: Verband Sozialistischer Studenten Österreichs). Von 1919 bis 1934 wirkte sie als stellvertretende Vorsitzende und Verantwortliche für Bildungs- und Frauenarbeit in einer Wiener Bezirksgruppe der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Sie wurde als Delegierte zu fast allen Parteitagen und zu allen Frauen-Konferenzen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei entsandt. Als Redakteurin war sie für die sozialdemokratische Monatsschrift "Der Kampf" und die "Arbeiterzeitung" tätig.

1918 bis 1919 war sie enge Mitarbeiterin Otto Bauers im Außenministerium und arbeitete auf dessen Veranlassung in der Staatskommission für Sozialisierung mit. 1919 wurde sie Konsulentin von Finanzminister Joseph A. Schumpeter. Wilhelm Ellenbogen berief sie in den Zentralverband für Gemeinwirtschaft.

1921 heiratete sie Otto Leichter. 1925, ein Jahr nach der Geburt ihres ersten Sohnes Heinz (im US-amerikanischen Exil: Henry, 1924–2010), übernahm sie den Aufbau des damals gänzlich neuen Frauenreferats bei der Arbeiterkammer. Eine der Hauptaufgaben dieser Abteilung war die Erforschung der Lebenswirklichkeiten von berufstätigen Frauen. Zahlreiche Publikationen belegen, dass man sich dabei der damals modernsten Methoden der jungen Sozialwissenschaft bediente. Für die Studie "So leben wir… 1320 Industriearbeiterinnen berichten aus ihrem Leben" wurden tausende Fragebögen an Betroffene verschickt, statistisch ausgewertet und in Schautafeln didaktisch aufbereitet. An dieser Publikation arbeitete übrigens auch Rosa Jochmann als Vertreterin der Arbeiterinnen in der Chemischen Industrie mit. 1930 kam Käthe Leichters Sohn Franz auf die Welt († 2023).

Von 1925 bis zum Februar 1934 leitete Käthe Leichter das neu geschaffene Referat für Frauenarbeit der Wiener Arbeiterkammer; 1932 wurde sie als erste Frau in den Betriebsrat der Arbeiterkammer gewählt. Sie verfasste zahlreiche Aufsätze und Bücher zu Frauenthemen. Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Studien waren wegweisend für viele gesellschaftspolitische Reformen der Ersten Republik. Ihr zu verdanken ist auch die erste Rezension der von Hans Zeisel, Marie Jahoda und Paul Felix Lazarsfeld 1933 publizierten und später sehr bekannt gewordenen Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal". Käthe Leichter war eine beliebte Vortragende, weil sie es verstand, komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich und überzeugend darzulegen.

Nach dem Februar 1934 zählten Leichter und ihr Mann zu den Gründern der Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter leitete in der illegalen Organisation zuerst das politische Bildungswesen, dann den Nachrichtendienst. Nach einem kurzen Aufenthalt im Schweizer Exil kehrten Käthe und Otto Leichter im September 1934 nach Österreich zurück, wo sie im Untergrund für ihre Partei tätig waren.

Im März 1938 konnte Otto Leichter mit einem gefälschten Pass in die Schweiz flüchten; die Söhne wurden mit Hilfe einer befreundeten Familie und der ehemaligen Hausgehilfin ins Ausland gebracht. Käthe Leichter hingegen wurde am 30. Mai 1938 von der Gestapo festgenommen. Im Polizeigefängnis verfasste sie ihre Lebenserinnerungen, die sie ihrer Freundin Frieda Nödl übergeben konnte. Während der Gestapohaft wurde ihr 1939 von der Universität Heidelberg die Doktorwürde aberkannt. Käthe Leichters Sohn Franz erreichte 2013, dass die Universität diesen Beschluss annullierte und sich bei der Familie entschuldigte.

Trotz zahlreicher ausländischer Interventionsversuche deportierte man Käthe Leichter im Jänner 1940 ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Im März 1942 wurde sie im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/Saale ermordet.

An Käthe Leichter erinnern in Wien:


Ab 1991 wurde jährlich der Käthe-Leichter-Preis für Frauengeschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung vergeben. Nach einer Unterbrechung von vier Jahren wurde die Verleihung des Käthe-Leichter-Staatspreises für Frauen- und Geschlechterforschung 2005 wieder aufgenommen und fortgesetzt. 2022 wurde der Preis vom zuständigen Ministerium als "Österreichischer Staatspreis für Frauen" vergeben; der Name Käthe Leichter war aus der Bezeichnung des Preises verschwunden. Vier weitere Käthe Leichter-Preise wurden in allgemeine "Frauenpreise" umgewandelt.

Werke (Auswahl)

  • Käthe Leichter: Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich. Wien: Arbeit und Wirtschaft 1927
  • Käthe Leichter: Wie leben die Wiener Heimarbeiter? Eine Erhebung über die Arbeits- und Lebensverhältnisse von tausend Wiener Heimarbeitern. Wien: Arbeit und Wirtschaft 1928
  • Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Kammer für Arbeiter und Angestellte [Hg.]. Wien: 1930
  • So leben wir … 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben. Eine Erhebung von Käthe Leichter. Wien: Arbeit und Wirtschaft 1932
  • Erinnerungen. In: Archiv. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung. Wien: 1992, S. 123−144
  • Auswahlbibliographie Käthe Leichter, geb. Pick. In: Archiv. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung 8 (1992), S. 116−122
  • Käthe Leichter [Auswahl von Schriften]. In: Herbert Exenberger [Hg.]: Als stünd' die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter sozialistischer SchriftstellerInnen. Wien: Mandelbaum Verlag 2000, S. 138−174

Literatur

  • Franz Leichter, a Fighter in Albany for Progressive Causes, Dies at 92. In: The New York Times, 12.06.2023 [Stand: 15.06.2023]
  • Offener Brief an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt und an die Bundesregierung. In: APA-OTS, 16.01.2023 [Stand: 15.06.2023]
  • Cornelia Mittendorfer [Hg.]: Ein Le(e.h.)rstuhl für Käthe Leichter. Ein Kunstprojekt in 4 Teilen. Wien: Mittendorfer 2011
  • Otto Leichter: Briefe ohne Antwort. Aufzeichnungen aus dem Pariser Exil für Käthe Leichter 1938−1939. Hg. von Heinrich Berger, Gerhard Botz und Edith Saurer und mit einem Nachwort von Henry O. Leichter. Wien [u. a.]: Böhlau 2003
  • Herbert Exenberger [Hg.]: Als stünd' die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter SchriftstellerInnen. Wien: Mandelbaum [2000]
  • Herbert Steiner [Hg.]: Käthe Leichter. Leben, Werk und Sterben einer österreichischen Sozialdemokratin. Wien: Ibera und Molden 1997
  • Walter Göhring [Hg.]: Käthe Leichter: Gewerkschaftliche Frauenpolitik. Historische Dimension und politische Aktualität. Österreichischer Gewerkschaftsbund [Hg. und Verleger]. Wien: [1996] (Schriftenreihe des Instituts zur Erforschung der Geschichte der Gewerkschaften und Arbeiterkammern, 3)
  • Henry O. Leichter: Eine Kindheit. Wien − Zürich − Paris − USA. Wien [u. a.]: Böhlau 1995
  • Käthe Leichter zum 100. Geburtstag. Texte zur Frauenpolitik. Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte 1995
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992, S. 268
  • Gabriella Hauch: Käthe Leichter, geborene Pick. Spuren eines Frauenlebens. In: Archiv. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung 8 (1992), S. 97−116
  • Herbert Steiner: Käthe Leichter. In: Wiener Geschichtsblätter 43 (1988), S. 121−126
  • Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987, S. 284
  • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration, New York. Band 1. München [u. a.]: Saur 1983, S. 427
  • Käthe Leichter. Von den Faschisten ermordet. In: Alfred Magaziner: Die Wegbereiter. Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Wien: Volksbuchverlag 1975, S. 224−227
  • Herbert Steiner [Hg.]: Käthe Leichter. Leben und Werk. Wien: Europaverlag 1973
  • Herbert Steiner: Leichter Käthe, née Pick. In: Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971, S. 184−185
  • Otto Leichter: Käthe Leichter. In: Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 234−244
  • Alfred Magaziner: Leichter Käthe. In: Österreichisches biographisches Lexikon 1815−1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 5. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1954, S. 103


Weblinks