Kultur im Nachkriegs-Wien
Kriegsende und Mangelsituation
Der Wiener Kulturbetrieb hatte während der Zeit des Nationalsozialismus stark gelitten. Am 1. September 1944 war eine Theatersperre verhängt worden, Kinos waren aber weiterhin offen, das Volkstheater wurde zu einem solchen umgewandelt. Im Februar stellten dann aber auch alle 120 Kinos den Betrieb ein , denn sie waren entweder bereits zu beschädigt oder verfügten schlicht nicht über ausreichend Strom. Auch das Musik- und Sportleben war stark eingeschränkt, Ende März mussten die meisten Fußballspiele abgesagt werden, da fast alle Teams keine elf Spieler mehr zur Verfügung hatten.
Durch die Bombardierungen und Kampfhandlungen kam es zu zahlreichen schwerwiegenden Zerstörungen, so war etwa das Burgtheater bei Luftangriffen schon zu Schaden gekommen, bevor es im April Feuer fing. Am 12. März brannte nicht nur die Staatsoper ab, auch die Hofburg, der Stephansdom, das Volkstheater und das Kunsthistorische Museum wurden beschädigt.

Der Wiederaufbau ging nach Kriegsende rasch vonstatten. Theater, Kinos und Bibliotheken standen der Bevölkerung bald wieder offen. Doch traten auch hier die für die Nachkriegszeit typischen Probleme auf. Strommangel führte dazu, dass die Beleuchtung gedimmt werden musste, Dekorativbeleuchtung war Anfang 1946 noch gänzlich untersagt. Im Winter 1946/47 mussten Theater und Kinos vorübergehend komplett gesperrt werden, durch diese Maßnahmen brachen wenig überraschend Besucherzahlen und Umsatz ein. Noch im Spätherbst 1947 sprachen die Theaterdirektoren bei Bürgermeister Körner vor, da sie mangels Brennmaterial den Betrieb nicht aufrechterhalten konnten. Dazu kamen die von den Alliierten festgelegten Sperrstunden. Ab Juli 1946 durften Kulturstätten bis 23 Uhr geöffnet haben. Die Präsenz der Besatzungstruppen schlug sich wenig überraschend auch im Programm nieder. Theaterstücke und Filme aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion standen oftmals auf dem Spielplan.
Theater, Oper und Konzerte
Erste Privattheater konnten schon Ende April unter provisorischen Leitungsteams den Betrieb wieder aufnehmen, ihre Konzessionen waren nur bis 1. September vergeben worden. Die Staatsoper war vorübergehend in den Räumlichkeiten der Volksoper untergebracht, aber auch das Theater an der Wien beanspruchte das Gebäude, um finanziell überleben zu können. Zeitweise stellte sich die Frage, ob die Volksoper überhaupt weiterbestehen würde. Die Staatsoper eröffnete am 1. Mai 1945 im Gebäude der Volksoper mit "Figaros Hochzeit". Erst am 17. Mai konnte schließlich auch die Volksoper wieder spielen, sie musste sich aber ihr eigenes Gebäude weiterhin mit der Staatsoper teilen. Die Staatsoper griff ab Anfang Juni zeitweise auch auf den Redoutensaal zurück und ab Oktober konzertierte das Ensemble auch im Theater an der Wien. Die erste dortige Aufführung – Beethovens "Fidelio" – wurde von der RAVAG live übertragen. Konzerte für den Wiederaufbau des Opernhauses fanden schon seit Mitte Juli statt. Oscar Straus, der 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen war, dirigierte eines dieser Konzerte. Der sowjetische Hochkommissar übergab zwei Millionen Reichsmark für den Wiederaufbau. Unterstützung kam auch aus den USA, in Chicago begründete sich ein "Reconstruction Committee of the Vienna Opera" unter dem Vorsitz von Maria Huss-Greve, die früher selber an der Staatsoper aufgetreten war.
Ende April übernahm der Schauspieler Raoul Aslan den Direktorposten im Burgtheater, er stand zunächst vor der Aufgabe, einen Spielort aufzutreiben, denn auch das Burgtheater war zerstört. Schon wenige Tage später fand die erste Vorführung statt, Grillparzers "Sappho", als Ausweichquartier diente das Ronacher. Zugleich ging auch das Raimundtheater wieder in Betrieb, am 1. Mai folgte das Theater in der Josefstadt. Das Volkstheater spielte ab 13. Mai 1945, davor war es zwei Wochen lang von Schauspielerinnen und Schauspielern, Angestellten des Theaters und Rotarmisten instandgesetzt worden. Am 19. Mai öffnete das Akademietheater. Ende Juni waren fast alle Bühnen wieder in Betrieb. Das erste Gastspiel im Ausland nach dem Krieg trat das Ensemble des Theaters in der Josefstadt im April 1946 in der Schweiz an, wo man Hofmannsthals "Der Schwierige" gab, während das Züricher Theater in Wien gastierte.
Schon unmittelbar nach Kriegsende musizierten russische Militärkapellen auf den Straßen und Plätzen Wiens, die auch viele österreichische Stücke im Repertoire hatten. Außer Betrieb war zunächst der Musikvereinssaal, größere Konzerte fanden vorerst nur im Konzerthaus Platz, das daher bis Juni überbucht war. Das erste Nachkriegskonzert der Wiener Philharmoniker ging am 27. April ebendort über die Bühne. Schon im Juni war das Wiener Konzertleben wieder in vollem Gange. Bald liefen internationale Kontakte wieder an, die Wiener Philharmoniker und die Staatsoper gastierten in Ausland, in Wien spielten dafür die Budapester Philharmoniker unter der Leitung von Zoltán Kodály, auch Orchester aus Großbritannien und Italien traten auf.
Auch im Kunstbereich war eine Entnazifizierung vonnöten. Im Dezember 1945 erhielt die Schauspielerin Paula Wessely ihre Auftrittsgenehmigung zurück, sie war aufgrund der Mitwirkung am NS-Propagandafilm "Heimkehr" zunächst mit einem Verbot belegt gewesen.

Kino und Film
Schon Mitte April hatten 40 Kinos geöffnet, Mitte Juni hatte sich die Zahl schon auf über 100 erhöht. Von Anfang an waren sowjetische Filme stark vertreten, im April zeigte das Apollokino "Iwan der Schreckliche", im Juli folgte die sowjetische Reportage "Kampf um Wien" in deutscher Synchronisation. Ältere österreichische Filme mussten von der Kommandantur erst genehmigt werden. Zu Beginn hatten die Kinos noch mit unzuverlässiger Stromzufuhr zu kämpfen. Im Oktober begründete die Stadt Wien eine Kinobetriebsgesellschaft, in welche arisierte Kinos gegen Entschädigung der Voreigentümer eingehen sollten.
In den Folgejahren kam es zu Kooperationen mit den anderen Besatzungsmächten, 1946 tauschten die Gesellschaft der Filmfreunde Wien und das Französische Kino-Archiv Filme aus. Auch deutsche und italienische Filme konnten bald gezeigt werden. Ein eigenes Kinderkino öffnete 1948 in 7., Neubaugasse 36 seine Pforten.

Bibliotheken
Mit 1. Mai öffneten die ersten drei Bibliotheken ihre Pforten, Mitte Mai arbeiteten schon 14, bis Juni waren alle 23 wieder einsatzbereit. Ende Juni öffnete der Lesesaal der Nationalbibliothek, Anfang November die Stadt- und Landesbibliothek. 1949 zählten die städtischen Bibliotheken 46 Zweigstellen mit einem Bestand von über 220.000 Büchern, 18 davon fielen der größten von drei Kategorien zu. Zehn Bibliotheken boten eine Fremdsprachenabteilung an, 20 auch einen Bereich mit Kinder- und Jugendliteratur. In den Büchereien arbeiteten 113 haupt- und 21 nebenberufliche Angestellte. Über das Jahr gaben sie über eine Million Bücher an 30.000 Besucher und Besucherinnen aus.
Die Bücherbestände kamen zum Teil aus Spenden, 1946 stellte die Schweiz 2000 Neuerscheinungen zur Verfügung. In den USA und Großbritannien wurde die Bevölkerung aufgerufen, Bücher für Österreich zu spenden. Viele Bücher waren in der NS-Zeit nicht erhältlich gewesen, nun galt es, diese Lücken zu schließen. Das betraf auch Werke von österreichischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die im Exil gelebt hatten.
Museen
Auch die Museen hatten erheblich gelitten, in einigen waren infolge von Bombentreffern die Sammlungen verschüttet. Das Römische Museum der Stadt war 1944 komplett zerstört worden. Freiwillige halfen bei Bergungsarbeiten im Stephansdom, im Kunstgewerbemuseum und im Palais Pálffy. Im Oktober 1945 kam es zu ersten Sicherungsarbeiten beim Natur- und Kunsthistorischen Museum sowie im Belvedere. Eine umfangreichere Renovierung musste vorerst aufgeschoben werden. Die Nationalsozialisten hatten bei ihrem Abzug Kunstschätze aus der Albertina und dem Kunsthistorischen Museum verschleppt, die von der US-Armee im Salzkammergut gesichert werden konnten. Eine Ausstellung geborgener Kunstschätze sollte im März 1946 die Bevölkerung motivieren, potentielle Fundstellen von verschütteten Gegenständen an die Behörden zu melden. Im Herbst präsentierte die Ausstellung "Schätze aus dem Schutt" einige der geretteten Objekte.
Erst Anfang Dezember 1946 konnte das Mozart-Gedenkhaus wiedereröffnet werden (1., Domgasse 5). Mit großen Schwierigkeiten hatte auch das Uhrenmuseum zu kämpfen, denn dessen Sammlung war während des Krieges aus der Stadt verbracht worden, wobei zahlreiche Stücke verlorengingen. Erst durch anonyme Anzeigen war es möglich, den Bestand einigermaßen wiederherzustellen, finanzielle Zuschüsse vonseiten der Stadt Wien ermöglichten außerdem Neuerwerbungen. Das ebenfalls vom Krieg gezeichnete Meidlinger Heimatmuseum war im November 1947 wieder zugänglich.
Verwaltung
Unmittelbar nach dem Krieg war die Verwaltungsgruppe XI für Kultur zuständig, die aus zwei Unterabteilungen bestand. Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte im Kulturbereich (wie etwa Konzessionen, Straßenbenennungen, Theaterpolizei, Stipendien) fielen in Folge in die Zuständigkeit der Magistratsabteilung 7, die Magistratsabteilung 8 übernahm die inhaltlichen Agenden (Beratung bei musikalischen Fragen, Veranstaltungsorganisation, Prüfung von Drehbüchern und Theatermanuskripten, Verlagswesen, Volksbildung, Preisverleihungen uvm.). Für das Jahr 1949 beliefen sich die ausgezahlten Subventionen auf fast 940.000 Schilling, wobei die größten Posten von jeweils 300.000 an die Philharmoniker und die Gesellschaft der Bildungsfreunde gingen.
Die 1938 aufgelöste Theaterkommission trat 1948 erneut zusammen, ihr Aufgabenbereich umfasste die bauliche Prüfung von Theatern sowie von eventuellen Umbaumaßnahmen. Zum ersten Obmann wurde – der Tradition entsprechend – der Leiter der Magistratsabteilung 7, Robert Kraus, gewählt.
Veranstaltungen
In den ersten Jahren der wiedererstandenen Republik wurden zahlreiche wiederkehrende Veranstaltungen begründet, von denen sich einige bis heute großer Beliebtheit erfreuen.
- Seit 1947: Internationales Musikfest der Wiener Konzerthausgesellschaft
- seit 1951: Wiederaufnahme der Wiener Festwochen, die davor bereits von 1927 bis 1937 stattgefunden hatten

Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.3.3 – Reden 2
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.1 – Einzelne Schreiben
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.22.37 – Verwaltungsgruppe XI Kultur und Volksbildung
- Rathauskorrespondenz vom Jänner 1945, Februar 1945, März 1945, April 1945, Mai 1945, Juni 1945, Juli 1945, September 1945, Oktober 1945, November 1945, Dezember 1945, Jänner 1946, März 1946, April 1946, Juli 1946, August 1946, Oktober 1946, Jänner 1947, April 1947, Mai 1947, Oktober 1947, November 1947, Juni 1948, März 1951