Joseph Othmar Rauscher

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Joseph Othmar Rauscher, Portraitgemälde, Erzdiözese Wien.
Daten zur Person
Personenname Rauscher, Joseph Othmar
Abweichende Namensform
Titel Kardinal, Prof., Dr. theol., Ritter von
Geschlecht männlich
PageID 23068
GND 118787977
Wikidata Q339973
Geburtsdatum 6. Oktober 1797
Geburtsort Wien
Sterbedatum 24. November 1875
Sterbeort Wien
Beruf Fürsterzbischof von Wien, Theologe, Politiker, Priester
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Erzdiözese Wien, Erzdiözese, Bischof, Bistum, Erzbischof, Erzbistum, katholische Kirche, Katholiken
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 7.12.2022 durch WIEN1.lanm08pil
Begräbnisdatum
Friedhof Stephansdom
Grabstelle
Bildname Rauscher eb Gemälde AS bearb.jpg
Bildunterschrift Joseph Othmar Rauscher, Portraitgemälde, Erzdiözese Wien.
  • 1., Rotenturmstraße 2 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Joseph Othmar Ritter von Rauscher, * 6. Oktober 1797 Wien, † 24. November 1875 Wien 1., Rotenturmstraße 2 (Erzbischöfliches Palais; Nord- beziehungsweise Frauenchor der Wiener Stephanskirche mit Grabdenkmal von Franz Christoph Erler), von 1840 bis 1891 Erzbischof von Wien (Erzdiözese Wien).

Biografie

Werdegang

Rauscher wurde am 6. Oktober 1797 in eine altösterreichische Beamtenfamilie in Wien geboren (sein Vater wurde 1808 nobilitiert). Zuerst von einem Hauslehrer unterrichtet, besuchte er das Akademische Gymnasium und ab 1814 den dreijährigen Philosophiekurs an der Alten Universität.

Nachdem er ein Praktikum der Kameralbuchhaltung absolviert hatte, begann Rauscher ab 1816 das Rechtsstudium, schlug jedoch (unter dem Einfluss von Clemens Maria Hofbauer und entgegen den Wünschen seiner Eltern) die geistliche Laufbahn ein und studierte seit 1820 Theologie. Am 21. August 1823 wurde er zum Priester geweiht und hielt seine Primiz in der Pfarrkirche St. Ägyd zu Gumpendorf. Seine seelsorgerische Tätigkeit begann am 10. Oktober 1823 in Hütteldorf. Bald darauf promovierte er zum Doktor der Theologie. Unmittelbar danach arbeitete er als Kaplan in Hütteldorf (bis 1826).

Akademische Lehre

Ab 1825 wurde er als Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts an das k.k. Lyzeum (Theologische Fakultät) in Salzburg berufen. Daneben arbeitete er an einer "Geschichte der christlichen Kirche", von der 1829 zwei Bände erschienen (bis Justinian), aufgrund anderer Verpflichtungen konnte Rauscher das Werk jedoch nicht fortsetzen. Die letzten Jahre seiner Tätigkeit am Lyzeum (1830-1832) amtierte er als Direktor und sorgte für eine angemessene, wissenschaftliche Einrichtung der Institution. Daneben war Rauscher auch als Studentenseelsorger tätig. Einer seiner berühmtesten Studenten war der spätere Erzbischof von Salzburg und Prag, Friedrich Johann Fürst Schwarzenberg. Rauscher und hielt im Salzburger Dom Fastenpredigten.

1832 wurde er von Kaiser Franz II. (I.) als Direktor an die Orientalische Akademie in Wien berufen. Diese diente der Ausbildung von Beamten und unterstand direkt der Staatskanzlei Metternichs. Er führte dort eine Studienreform durch und übernahm auch Lehrveranstaltungen. In Wien übernahm er geistliche Verpflichtungen am Dom zu St. Stephan.

Kirche und Politik

In der Folge betraute Metternich Rauscher mit verschiedenen Aufgaben und machte ihn zum Referenten der Staatskanzlei für kirchliche Fragen. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Stellung des wiedereingeführten Jesuitenordens, der Ehegesetzgebung und dem Kölner Kirchenstreit. 1835 wurde Rauscher zum Titularabt in der Abtei "Zu unserer Frau von Monostra" bei Komorn (heute Komárom, Ungarn) erhoben.

Über Vermittlung Metternichs engagierte ihn Erzherzogin Sophie 1844 als Philosophielehrer für Erzherzog Franz Joseph und dessen Brüder Ferdinand Max und Karl Ludwig. Ebenso wie Schwarzenberg geriet damit auch der künftige Kaiser in den Bann seines Lehrers, sodass Rauscher nach der Thronbesteigung Franz Josephs I. mächtigen Einfluss auf die Regierung ausüben konnte.

Von 1861 bis 1875 war Rauscher Mitglied des Herrenhauses und des Niederösterreichischen Landtags.

Fürstbischof von Seckau und Administrator von Leoben

Bald nach der Thronbesteigung Kaiser Franz Josephs I. am 2. Dezember 1848 nominierte der Salzburger Fürsterzbischof Friedrich von Schwarzenberg seinen ehemaligen Lehrer Rauscher am 29. Jänner 1849 zum Fürstbischof von Seckau und Administrator von Leoben, die Inthronisation fand am 22. April statt.

Die Schwerpunkte seines bischöflichen Wirkens in Seckau und Leoben lagen in der Visitations- und Predigttätigkeit. Durch die Einrichtung von Pastoralkonferenzen erreichte er eine bessere Zusammenarbeit des Klerus, dessen Fortbildung Rauscher auch stets förderte. Weiters förderte er das katholische Vereinswesen, die katholische Presse und Volksmissionen. Zur Förderung des Priesternachwuchses ließ er das Knabenseminar in Graz ausbauen und berief ausgewiesenen Jesuiten und Redemptoristen zurück.

Erste Bischofskonferenz 1849

Gemeinsam mit dem Salzburger Fürsterzbischof Friedrich von Schwarzenberg arbeitete Rauscher auf eine erste gesamtösterreichische Bischofskonferenz in Wien hin. Ziel war es, zusammen mit anderen Bischöfen das Verhältnis von Kirche und Staat zu diskutieren und das josephinische Staatskirchensystem abzuschaffen, was schließlich durch eine kaiserliche Verordnung vom April 1850 auch durchgeführt wurde.

Den Bischöfen wurde fortan die freie Kommunikation mit dem Heiligen Stuhl, die freie kirchliche Vermögensverwaltung sowie die kirchliche Schulaufsicht, verbunden mit einer entscheidenden Einflussmöglichkeit bei der Bestellung von Religionslehrern, gewährt. Das Recht zur Verhängung von Kirchenstrafen wurde ebenso zugestanden wie die Entscheidungsfreiheit bei der Gestaltung des theologischen Unterrichts an den Universitäten. Die Freiheit des Gottesdienstes war nun genauso vollumfänglich in der Hand der Kirche wie die volle Gewalt über den Klerus.

Fürsterzbischof von Wien

Als Nachfolger von Vinzenz Eduard Milde wurde Joseph Othmar Rauscher am 20. März 1853 von Kaiser Franz Joseph I. zum Fürsterzbischof von Wien nominiert und am 15. August inthronisiert.

Als Fürsterzbischof von Wien führte Rauscher Visitationen durch, war als Prediger tätig und förderte die Bildung des Klerus sowie den Priesternachwuchs (Theologenausbildung, Pastoralkonferenzen). Er initiierte die Einrichtung eines Knabenseminars im Gebäude des Karmeliterklosters ob der Laimgrube (Eröffnung im Oktober 1856).

Er berief die erste Provinzialsynode (Konzil der Kirchenprovinz Wien) ein, die von 17. Oktober bis 9. November 1858 zu Fragen des Glaubens und des kirchlichen Lebens in Wien tagte und deren Dekrete im März 1859 päpstlich bestätigt wurden.

Rauscher förderte zudem das katholische Pressewesen und gab zahlreichen Hirtenschreiben heraus, welche damals aktuelle Fragestellungen behandelten (Verhältnis zwischen Staat und Kirche, Kirche und Liberalismus).

Konkordat

Rauscher hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Konkordats des Jahres 1855 (Ratifizierung 25. September 1855), einem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl der römisch-katholischen Kirche und dem österreichischen Staat. Dieses konnte Rauscher, nachdem sich die Verhandlungen festgefahren hatten, im Herbst 1854 in persönlichen Gesprächen in Rom erfolgreich abschließen. Daraufhin wurde er am 17. Dezember 1855 zum Kardinal ernannt.

Als Ergebnis der Konkordatsverhandlungen konnte Kaiser Franz Joseph I. weiterhin das Nominationsrecht für die Bischöfe behalten, sagte dafür der Kirche seinen Schutz zu und sorgte dafür, dass der Staat bei der Unterdrückung religionsfeindlicher Tendenzen unterstützend beistehen würde (z.B. Verbot kirchenfeindlicher Bücher von staatlicher Seite). Die Ehefrage wurde vollends der geistlichen Gerichtsbarkeit unterstellt. Der Religionsunterricht und die gesamte schulische Erziehung sollten mit der katholischen Lehre übereinstimmen. Die Volksschulerziehung für katholische Kinder wurde unter kirchliche Aufsicht gestellt.

Nach der italienischen Niederlage Österreichs und dem Ende der neoabsolutistischen Ära 1859 geriet das von Rauscher ausverhandelte Konkordat immer mehr unter Druck und wurde vor allem durch die Staatsgrundgesetze vom 21. Dezember 1867 und die Maigesetze von 1868 ausgehöhlt. So fielen Ehegesetzgebung und Schulhoheit wieder an staatliche Behörden zurück, und es wurde die Freiheit des Religionsbekenntnisses ab dem 14. Lebensjahr beschlossen.

Das Konkordat wurde von der österreichischen Regierung 1870 formell aufgekündigt.

Erstes Vatikanisches Konzil 1869-1970

Am 13. Juli 1870 gehörte Rauscher während des ersten Vatikanischen Konzils zu jenen Bischöfen, die gegen die Unfehlbarkeit des Papstes stimmten, doch unterwarf er sich am 17. Juli dem Mehrheitsbeschluss.

Vereine und Orden

In Rauschers Amtszeit fallen auch die Gründungen und Förderungen zahlreicher katholischer Vereine und Orden: Frauenwohltätigkeitsverein (1856), Verein für unverheiratete Jünglinge von 14 bis 30 Jahren (1857), Verein zur immerwährenden Anbetung und zu Arbeiten für bedürftige Kirchen (1858), Bruderschaft vom hl. Erzengel Michael zur “Belebung und Verbreitung echt christlicher Gesinnung” (1860), Verein christlicher Mütter (1860), Bruderschaft der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zur Pflege armer Unheilbarer (1870).

1858 wurden die Schulbrüder nach Wien berufen, die ein Waisenhaus in der Boltzmanngasse (9.) leiteten. Rauscher selbst übernahm das Protektorat über den Severinusverein, der gegen den Liberalismus und für die Rechte der Kirche auftrat.

Kirchenbau

Auch der Kirchenbau wurde von Rauscher stark gefördert. In seine Ära fallen die Einweihungen folgender Wiener Kirchen:

Rauscher stiftete auch die "Fenster für Niederösterreich" in der Votivkirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.

Schriftsteller

Seine 1858 erschienenen "Hirtenbriefe, Predigten und Anreden" wurden nach seinem Tod in drei Bänden neu herausgegeben (1875-1889). Rauscher verfasste auch eigenständige schriftstellerische Werke, insbesondere Nachdichtungen antiker Werke (Epen, Tragödien, Lyrik) und metrische Übungen.

Tod

Joseph Othmar Rauscher starb am 24. November 1875 an einer Lungenentzündung und wurde im Stephansdom beigesetzt.

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, Register
  • Erwin Gatz: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, 1785/1803 bis 1945: Ein biographisches Lexikon. Berlin: Duncker&Humblot, Band 4, S. 596-601
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Hugo Hantsch: Gestalter der Geschicke Österreichs. Innsbruck [u.a.]: Tyrolia-Verl. 1962 (Studien der Wiener Katholischen Akademie, 2), S. 397 ff.
  • Michaela Kronthaler: Die Entwicklung der österreichischen Bischofskonferenz. Von den ersten gesamtbischöflichen Beratungen 1849 bis zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils. In: 150 Jahre Österreichische Bischofskonferenz 1849-1999. Hg. vom Sekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz. Wien 1999, S. 33-97
  • Harry Kühnel [Red.]: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs [Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung in Grafenegg]. Band 2: 1880-1916, Glanz und Elend. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1984 Franz Joseph 2, S. 367
  • Franz Loidl: Geschichte des Erzbistums Wien. Wien [u.a.]: Herold 1983, S. 233 ff.
  • Franz Loidl / Martin Krexner: Wiens Bischöfe und Erzbischöfe. 40 Biographien. Wien: Schendl 1983, S. 74 f.
  • Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 31, S. 131, S. 163, S. 215
  • Neue österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1957-1987. Band 11 (1957)
  • Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 348
  • Wetzer und Welte's Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften. ... in neuer Bearb., unter Mitw. vieler katholischen Gelehrten begonnen von Joseph Hergenröther Fortges. v. Franz Kaulen. Band 10: Pilatus - Scrutinium. Freiburg im Breisgau: Herder 1897, Sp. 814-818
  • Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 119
  • Josef Wodka: Kirche in Österreich. Wegweiser durch ihre Geschichte. Wien: Herder 1959, S. 327-328, 333-334
  • Cölestin Wolfsgruber: Joseph Othmar Cardinal Rauscher, Fürsterzbischof von Wien. Sein Leben und sein Wirken. Freiburg i. B.: Herder 1888
  • Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856-1891. Register 1923