Irene Harand

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Daten zur Person
Personenname Harand, Irene
Abweichende Namensform Wedl, Irene Leopoldine
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 39950
GND 123630797
Wikidata Q79033
Geburtsdatum 7. September 1900
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 2. Februar 1975
Sterbeort New York City 4042011-5
Beruf Politikerin, Publizistin, Schriftstellerin
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Zwischenkriegszeit, NS-Zeit, Exil
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 15.04.2024 durch WIEN1.lanm09kka
Begräbnisdatum 27. Juni 1975
Friedhof Feuerhalle Simmering
Grabstelle Abteilung ARI, Nummer 153
Ehrengrab ehrenhalber gewidmetes Grab
  • 5., Hartmanngasse 1 (Geburtsadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Direktorin des Austrian Forum Inc. (1963 bis 1975)
  • Leiterin der Women's Division der Anti Nazi League (1943)

  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (Verleihung: 1971)
  • Gerechte der Völker (Verleihung: 26. September 1967)

Irene Harand, * 7. September 1900 Wien, † 2. Februar 1975 New York City, Schriftstellerin, Politikerin, Widerstandskämpferin, Mitbegründerin der Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot ("Harandbewegung").

Biografie

Irene Harand, geborene Wedl, kam als das dritte von vier Kindern eines katholischen Vaters und einer evangelischen Mutter in Wien zur Welt. Ihr Vater, der Anstreichermeister Franz Wedl, war Inhaber eines mittleren Betriebs. Ihre Mutter, geborene Sophie Markely, stammte aus einer siebenbürger-sächsischen Familie und war als junge Frau nach Wien gekommen. Nach dem Besuch der Pflicht- und Mittelschule absolvierte Irene Wedl eine zweijährige, weiterbildende Schule. In Vorbereitung auf ein bürgerliches Leben wurde sie in Französisch, feinen Umgangsformen und Haushaltsführung unterrichtet. 1919 (anderen Angaben zufolge 1921) heiratete sie den k. u. k. Offizier Franz (Frank) Harand (1895–1975). Die Ehe blieb kinderlos. Irene Harand, die durch den Krieg einen beträchtlichen Teil ihres Erbes verloren hatte, arbeitete als Sekretärin und auch ihr Ehemann fand Anstellung in der Privatwirtschaft. Er unterstützte die Aktivitäten seiner Ehefrau in jeder Hinsicht.

Mitte der 1920er Jahre lernte Irene Harand den sozial engagierten jüdischen Rechtsanwalt Moriz Zalman kennen, der für sie Mentor und eine wichtige Bezugsperson wurde. Sie wurde Sekretärin in dem von ihm gegründeten "Verband der Kleinrentner und Sparer Österreichs" und später auch stellvertretende Obfrau. Im Verbandsorgan "Die Welt am Morgen" bzw. der "Morgenpost" sammelte sie erste publizistische Erfahrungen. 1930 gründete sie gemeinsam mit Zalman und Funktionären des Kleinrentnerverbands die "Österreichische Volkspartei", die in keiner Verbindung zur heutigen ÖVP steht. Bei der "Österreichischen Volkspartei" handelte es sich um eine bürgerlich-freiheitliche Partei, welche sich für ökonomische Sicherheit, die Entschädigung der Kriegsopfer sowie den Kampf gegen Klassen- und Rassenhass einsetzte. Vor allem letzteres Anliegen war in der Parteienlandschaft der 1930er Jahre ein Alleinstellungsmerkmal. Harand, eine überzeugte Monarchistin und Katholikin, stand lange Zeit der christlichsozialen Partei nahe. Bei der Nationalratswahl 1930 kandidierte sie allerdings in einigen Wiener Wahlkreisen für die Österreichische Volkspartei. Auch fungierte sie als Obmannstellvertreterin der Partei.

Dollfuß-Schuschnigg-Regime und NS-Zeit

Nach Gründung der Vaterländischen Front stellte die Österreichischen Volkspartei sämtliche Tätigkeiten ein und ging in ihr auf. Gemeinsam mit Zalman gründete Harand nun die "Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot" ("Harandbewegung"). Dieser private Verein war der Versuch, die Anliegen der nicht länger existierenden Partei "unpolitisch" weiterzuverfolgen, wenngleich auch die Harandbewegung Teil der Vaterländischen Front wurde. Ab Herbst 1933 bis zu ihrer Einstellung 1938 gab Harand die Wochenzeitschrift "Gerechtigkeit", das Sprachrohr der Harandbewegung, heraus. Zalman schloss sich der Vaterländischen Front an und auch Irene Harand war – trotz Ablehnung des zunehmenden Antisemitismus – eine Verteidigerin des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes.

Harand, die sich ab den frühen 1930er Jahren intensiver mit den Themen Antisemitismus und Rassismus befasst hatte, trat entschieden gegen antijüdische Ressentiments auf. 1933 publizierte sie mit "So? oder So?" eine Aufklärungsschrift gegen antisemitische Vorurteile. 1935 veröffentlichte sie im Selbstverlag "Sein Kampf. Antwort an Hitler". Als Reaktion auf die Ausstellung "Der ewige Jude" (1937) initiierte die Harandbewegung eine Serie von Verschlussmarken mit Abbildungen verdienstvoller jüdischer Persönlichkeiten.

Zum Zeitpunkt des sogenannten Anschlusses im März 1938 befand sich Irene Harand auf Vortragsreise in London und kehrte nicht mehr nach Österreich zurück. Das Büro der Harandbewegung wurde von Nationalsozialisten gestürmt, auf Irene Harand ein Kopfgeld ausgesetzt und ihre Bücher wurden in Salzburg öffentlich verbrannt. Ihrem Mann gelang die Flucht über die Tschechoslowakei und im September 1938 verließ das Ehepaar von London aus Europa in Richtung USA. Dort bauten sich die beiden in New York City ein neues Leben auf.

Im Exil

Ihren Kampf gegen Antisemitismus und Krieg setzte Irene Harand in den USA fort. Gemeinsam mit anderen Exilantinnen und Exilanten gründete sie 1939 das Austro-American-Center bzw. die Austrian-American-League und organisierte Anti-Kriegskundgebungen, bei denen sie auch als Rednerin auftrat. Zusammen mit B’nai B’rith und Stephen Wise ermöglichte sie mehr als 100 österreichischen Jüdinnen und Juden die Einreise in die USA, indem sie die nötigen Einreiseunterlagen organisierte. Eine amerikanische Ausgabe von "Sein Kampf" wurde während des Zweiten Weltkriegs durch die "Anti-Defamation-League“ an alle öffentlichen Bibliotheken der USA verteilt. 1943 war Irene Harand maßgeblich an der Gründung eines Instituts für jüdischen SchriftstellerInnen und KünstlerInnen, die 1938 Österreich verlassen mussten, beteiligt. Dabei handelte es sich um das nachmalige Austrian Institute bzw. Austrian Forum, dem sie in ihren letzten Lebensjahren als Präsidentin vorstand. Ebenfalls 1943 wurde sie Vorsitzende der Women’s Division der "Anti Nazi League“ New York.

1949 kehrte sie erstmals ins Nachkriegsösterreich zurück, ab den 1960er Jahren stattete sie der alten Heimat regelmäßig Besuche ab, ließ sich aber nicht mehr dauerhaft hier nieder. Irene Harand verstarb 1975 in New York. Ihre Urne wurde wenige Monate später auf dem Zentralfriedhof bestattet. Carry Hauser hielt bei der Urnenbeisetzung die Trauerrede.

Irene Harand war eine der wichtigsten Vertreterinnen des christlich-konservativen Widerstands in Österreich. Bereits zur Zeit der Ersten Republik trat sie entschlossen gegen den politischen Antisemitismus und die schleichende Unterwanderung Österreichs durch den Nationalsozialismus auf. Sie wurde 1967 von Yad Vashem als "Gerechte der Völker" ausgezeichnet und 1971 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geehrt.

Werke

  • Irene Harand: So? oder So?. Die Wahrheit über den Antisemitismus. Schrift der österreichischen Volkspartei. 1933
  • Irene Harand: Sein Kampf. Antwort an Hitler. Wien: Selbstverlag 1935 (1936 französische, 1937 englische Übersetzung, 2005 Neuauflage)


Quellen

Literatur

  • Christian Klösch: Irene Harand -- Die Frau, die Hitler den Kampf ansagte (in: Zwischenwelt, 40. Jahrgang, Nr. 1-2, Mai) Wien 2023, Seite22-25
  • Brigitte Bailer: Irene Harand – eine Frau im Kampf gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus. In: Die umkämpfte Republik. Österreich von 1918–1938. Hg. von Stefan Karner. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2017, S. 227–230
  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 1190 f. [abweichende Lebensdaten]
  • Rathauskorrespondenz, 15.10.2004, 24.10.2008, 04.11.2010
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, Hintergrundinformation frühere Bezeichnung(en). Wien: Pichler-Verlag 2014, S. 144
  • Christian Klösch / Kurt Scharr: Irene Harand in Wien und New York. In: Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft. Hg. von Sandra Wiesinger-Stock, Erika Weinzierl und Konstantin Kaiser. Wien: Mandelbaum-Verlag 2006, S. 56-70
  • Christian Klösch / Kurt Scharr / Erika Weinzierl: "Gegen Rassenhass und Menschennot". Irene Harand – Leben und Werk einer ungewöhnlichen Widerstandskämpferin. Innsbruck u.a.: StudienVerlag 2004
  • Austrian Writers in the United States 1938–1968. An Exhibition of the Austrian Institute and the Austrian Forum, 5.–26. April 1968. Hg. Von Irene Harand und Gottfried Heindl. New York: Austrian Institute 1968
  • Yad Vashem: The Righteous Among the Nations Database: Harand, Irene [Stand: 28.03.2022]


Irene Harand im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks