Hugo Meisl

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Hugo Meisl
Daten zur Person
Personenname Meisl, Hugo
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 29307
GND 126601798
Wikidata Q93697
Geburtsdatum 16. November 1881
Geburtsort Maleschau, Böhmen
Sterbedatum 17. Februar 1937
Sterbeort Wien
Beruf Bankbeamter, Sportfunktionär, Sportjournalist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wiener Stadt- und Landesarchiv
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 3.11.2023 durch WIEN1.lanm08jan
Begräbnisdatum
Friedhof Neuer Israelitischer Friedhof
Grabstelle Gruppe 3, Reihe 4, Nummer 11
Ehrengrab Ehrengrab
Bildname WStLA Nachlass Meisl FC 4 7.jpg
Bildunterschrift Hugo Meisl

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Generalsekretär des österreichischen Fußballbundes

Meisl Hugo, * 16. November 1881 Maleschau, Bezirk Kuttenberg, Böhmen (Malešov, Tschechische Republik), † 17. Februar 1937 Wien, Bankbeamter, Sportfunktionär, Sportjournalist.

Hugo Meisl als Offizier im Ersten Weltkrieg
Hugo Meisl trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Glasgow ein.
Hugo Meisls Adressbuch aus 1936

Herkunft

Hugo Meisl stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Böhmen. Er war das älteste von sechs Kindern; sein jüngster Bruder Willy Meisl gelangte als Sportjournalist auch zu großer Bekanntheit. Hugo, dessen Muttersprache Deutsch war, ging auf tschechische Schulen, bis er 1893 nach Wien zog und hier die Handelsschule besuchte. Die Eltern übersiedelten 1895 nach Wien. Hugo Meisl diente im Ersten Weltkrieg als Offizier und wurde vielfach ausgezeichnet. 1918 bekam er das Heimatrecht in Wien. Bis 1925 arbeitete er im Hauptberuf als Bankangestellter, arbeitete aber im Nebenberuf immer als Sportjournalist. 1919 gründete er die "Neue Wiener Sportzeitung".

Hugo Meisl gehörte dem assimilationswilligen, liberalen jüdischen Großbürgertum an, das sich rasch von seinen orthodoxen Wurzeln emanzipierte, der neuen Kultursphäre der habsburgischen Metropole erfolgreich anpasste und seinen individuellen Aufstieg mit der "Zeitreligion des Fortschritts" produktiv zu verbinden wusste. Es war jenes Milieu, das die soziale Basis für die einmalige intellektuelle und kulturelle Blüte des Wiener Fin de Siècle bildete.

Fußball

Bereits 1904 war Hugo Meisl Vorstandsmitglied des First Vienna Football Clubs, später engagierte er sich als Schiedsrichter, 1910 wurde er Verbandskapitän des österreichischen Fußballverbands und Obmann des Schiedsrichterkollegiums, außerdem 1910/1911 Gründungsmitglied des "Wiener Amateur-Sportvereins" (Austria). Der polyglotte Hugo Meisel war fasziniert von dem neu entstehenden, aus England importierten massenkulturellen Phänomen Fußball und stellte persönliche Ambition und Karriere ganz in dessen Dienste. Er bemühte sich mit allen Kräften, den englischen Fußballsport auch in Wien zu verbreiten und massentauglich zu machen. Bereits vor dem Krieg gelang es ihm, englische Vereine für Gastspiele in Wien zu verpflichten und den Engländer Jimmy Hogan als Trainer österreichischer Auswahlmannschaften und einiger Vereinsmannschaften zu gewinnen. Hugo Meisl verkörperte die Erfindung des modernen Fußballs in Österreich; sein Briefwechsel mit Herbert Chapman kann als ein zentrales Gründungsdokument gelesen werden.

Internationalität und Professionalismus

Der Internationalen der Sozialdemokratie, der Internationalen des Kapitals und der Wissenschaft müsse eine Internationale des Sports hinzugefügt werden, die Einfluss und Bestand haben könne. Im Dezember 1918 hat Hugo Meisl dieses Credo formuliert und damit Leitlinien und Motivation all seines Schaffens umschrieben. Meisl trug wesentlich zur Organisation des Profi-Fußballsports in Österreich (1924/1925) bei. 1924 arbeitete er, unterstützt von den leistungstärkeren Wiener Fußballvereinen, ein Statut für einen professionellen Fußballbetrieb aus. Der österreichische Fußball, gegliedert in zwei Wiener Ligen, war der erste professionelle Fußballbetrieb außerhalb Englands; die Tschechoslowakei, Ungarn, Schweiz und Frankreich zogen in der Entwicklung eines Profibetriebs nach österreichischem Vorbild nach. Es ging Meisl darum, den Fußball als Spektakel zum Zuschauersport und zum Bestandteil der modernen Gesellschaft zu entwickeln. Bereits in den frühen 1920er Jahren zogen Fußballmatchs in Wien zehntausende Zuschauer an. Wiener Clubs absolvierten, auch zur Steigerung der Einnahmen, Gastspielreisen in anderen Ländern. Innerhalb des armen Österreichs der Ersten Republik war der Fußball ein zukunftsweisendes Erfolgsmodell, das die Massen faszinierte.

Modernisierung und Mitropapokal

Hugo Meisl war ein konsequenter Modernisierer, und Internationalität stellte für ihn das zentrale Merkmal der Moderne dar. Er erkannte, dass in der damaligen Situation nationale Meisterschaften "im maßvollen Rahmen" wohl noch eine Notwendigkeit darstellten. Der "wirkliche Fußball" hingegen könne sich nur durch übernationalen Austausch, Länder übergreifende Konkurrenz und die Einrichtung einer internationalen Meisterschaft formieren. Attraktive Spiele sollten die Zuschauer ins Stadion und Geld in die Kasse bringen. Hugo Meisl betrieb auf europäischer Ebene mit großer Konsequenz die Schaffung des Mitropa-Cups (1927-1939) und des Internationalen Cups, sowie der Europameisterschaft der Nationalmannschaften (ab 1927). Wie bei den Qualifikationsspielen heute zog sich die Konkurrenz mit Hin- und Rückspielen über mehrere Jahre hin. Österreich wurde beim zweiten Turnier der Nationen 1931/1932 Europameister, das österreichische Wunderteam stand damals am Zenit des Erfolgs. Im Mitropacup fanden die großen heimischen Klubs ihre Gegner weniger im Inland als vielmehr in anderen Metropolen wie Budapest, Prag, Bologna oder Mailand. Wien war ein wichtiger Knotenpunkt des neuen Massenspektakels, der großstädtisches Selbstbewusstsein und mitteleuropäische Internationalität in die österreichische Bundeshauptstadt brachte.

Legendär wurde ein Ausspruch Karl Sestas, der von der internationalen Presse auf die Multilingualität Hugo Meisls angesprochen meinte: „Unser Teamchef böhmakelt in vierundzwanzig Sprachen“.

Meisl der Funktionär

Von 1912 bis zu seinem Tod 1937 war Hugo Meisl Verbandskapitän des Österreichischen Fußballbundes (beziehungsweise seiner Vorläuferorganisationen), fast ebenso lang dessen Internationaler Sekretär. Seit 1907 war er zudem FIFA-Delegierter und seit 1927 Generalsekretär des ÖFB. Zusammen mit Henry Delaunay, Giovanni Mauro und Herbert Chapman gehörte er zu den herausragenden Funktionsträgern der Zwischenkriegszeit. Hugo Meisl leitete fast drei Jahrzehnte die österreichische Nationalmannschaft und galt als "Vater" des Wunderteams der 1930er Jahre. Er entwickelte ein eigenes Spielsystem ("Die Wiener Schule"), das sich durch technische Raffinesse und ein beschwingtes Kurzpassspiel auszeichnete. Ein Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit dem "englischen Zweckfußball", der athletischer und härter angelegt war, gab es mit dem Spiel in London am 7. Dezember 1932, das Österreich zwar verlor, aber seine sportliche Reputation in Europa steigerte.

Fußball in Österreich war zunächst ein ausschließlich urbanes Phänomen, Ausdruck einer zutiefst städtischen Kultur, einzigartig auch in der selbstverständlichen Integration der jüdischen oder tschechischen Sportvereine oder Sportler, auch in der Verbindung von Gesellschaftsleben, Sportcafés, Kulturbetrieb und Fußball. Hugo Meisl residierte im "Ringcafé", bediente dort die heimischen Zeitungen und betrieb in Nachahmung der englischen Gentleman-Mode (Melone, Stock, pelzbesetzter Mantel) geschickte eine mediale Selbstinszenierung.

Person

Der Schöpfer des österreichischen Wunderteams der frühen 1930er Jahre war eine schillernd-vielschichtige, in manchen Aspekten durchaus widersprüchliche Figur. In seinen Entschlüssen fest und unbeugsam, konnte er der Presse gegenüber durchaus populistisch agieren ("Da habt's euer Schmiranski-Team"). Der meisterhafte Stratege und Taktiker bediente sich gerne einer eher reduktionistischen "Sprache der Spieler" ("Burschen, geht's raus und spielt's euer Spiel"). Er bezog eine Wohnung im Karl-Marx-Hof und sympathisierte mit der Sozialdemokratie. Beim Februaraufstand 1934 war Meisls Wohnung durch die Beschießung des österreichischen Bundesheeres unmittelbar betroffen; ein durchlöcherter Pokal, der zur Erinnerung an das Länderspiel Schweiz gegen Österreich überreicht wurde, erinnert noch heute an diese Zeit. Prinzipiell wollte er den Sport überpolitisch sehen. Der Instrumentalisierung des Nationalteams durch den Austrofaschismus setzte er allerdings keinerlei Opposition entgegen, vermochte auch der Organisation des Sports im italienischen Faschismus durchaus Positives abzugewinnen. Sein Testament vom September 1934 endet mit den Worten: "Bis in die fernste Zukunft Ehre dem österreichischen Sporte, seinen Organisatoren und Führern". Hugo Meisl starb im 56. Lebensjahr im Verbandsheim; sein Begräbnis am 21. Februar 1937 im Zentralfriedhof (Neue Israelitische Abteilung, 5. Tor, Grab 3/4/11) wurde zum gesellschaftlichen Großereignis.

Nach dem legendären österreichischen Fußballkapitän ist der Hugo-Meisl-Weg benannt.

Quellen

Literatur

  • Robert Franta/Wolfgang Weisgram: Ein rundes Leben. Hugo Meisl - Goldgräber des Fußballs. Wien: egoth 2005
  • Andreas Hafer/Wolfgang Hafer: Hugo Meisl oder die Erfindung des modernen Fußballs. Göttingen: Die Werkstatt 2007
  • Andreas Hafer/Wolfgang Hafer: Hugo Meisl und die Erfindung des modernen Fußballs. In: Wolfgang Maderthaner/Alfred Pfoser [Hg.]: Die Eleganz des runden Leders. Wiener Fußball 1920-1965. Göttingen: Die Werkstatt 2008, S. 106-121
  • Andreas Hafer/Wolfgang Hafer: Bundeskapitän und "un des prinicpaux journalistes sportifs". Hugo Meisl (1881-1937). In: Matthias Marschik/Ruold Müllner [Hg.]: "Sind's froh, dass Sie zu Hause geblieben sind". Mediatisierung des Sports in Österreich. Göttingen: Die Werkstatt 2010, S. 199 ff.
  • Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974 - lfd.
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
  • Richard Bamberger/Franz Maier-Bruck: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Österreichischer Bundesverlag / Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1966
  • Isabella Ackerl/Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Patricia Steines: Hunderttausend Steine. Grabstellen großer Österreicher jüdischer Konfession auf dem Wiener Zentralfriedhof, Tor I und Tor IV. Wien: Falter-Verlag 1993, S. 290
  • Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 160
  • Hans Havelka: Der Wiener Zentralfriedhof. Wien: Jugend und Volk 1989, S. 122
  • Rathauskorrespondenz, 14.11.1956
  • Rathauskorrespondenz, 15.02.1962
  • Die Eleganz des runden Leders: Wiener Fußball 1920-1965. Informationsblatt zur Ausstellung im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Wien: 2008, Text: Wolfgang Maderthaner, Wien (Eine Kooperation zwischen Wiener Stadt- und Landesarchiv und der Wienbibliothek im Rathaus)
  • Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Die Wiener Schule. Eine Geschichte des Wiener Fußballs in elf Porträts. Wien: 2008, S. 13-14

Weblinks