Hubert Gessner

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Hubert Gessner, um 1930
Daten zur Person
Personenname Gessner, Hubert
Abweichende Namensform Gessner, Hubert Johann Karl / Geßner
Titel
Geschlecht männlich
PageID 20962
GND
Wikidata Q89736
Geburtsdatum 20. Oktober 1871
Geburtsort Wallachisch-Klobouk, Mähren
Sterbedatum 29. Jänner 1943
Sterbeort Wien
Beruf Architekt
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Albertina
Objektbezug Adolf Loos (Portal)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 20.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum 5. Februar 1943
Friedhof Neustifter Friedhof
Grabstelle L/1/33
Bildname Hubert Gessner Albertina.jpg
Bildunterschrift Hubert Gessner, um 1930
  • 18., Gersthofer Straße 147 (Sterbeadresse)
  • 6., Linke Wienzeile 38 (Wirkungsadresse)
  • 6., Linke Wienzeile 40 (Wirkungsadresse)
  • 4., Floragasse 6 (Wirkungsadresse)
  • 18., Sternwartestraße 70 (Wohnadresse)
  • 18., Gersthofer Straße 147 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Geschäftsführer der Firma Maisaufschließungsges.m.b.H. (1921)
  • Gesellschafter der Fa. „H.Waschta & Co.“, Handel mit Baumaterialien und Lithographiesteinen (1927)

Lebenslauf und Werkübersicht Hubert Gessners, verfasst von Hans Ankwicz-Kleehoven in der Wienbibliothek im Rathaus, 1941
Ansicht des von Hubert Gessner entworfenen Reumannhofes

Hubert Johann Karl Gessner, * 20. Oktober 1871 Wallachisch-Klobouk, Mähren (Valašské Klobouky, Tschechische Republik), † 29. Jänner 1943 (nach anderen Angaben: 24. April 1943), Architekt.

Biografie

Gessner besuchte ab 1885 die Abteilung Baufach der Staatsgewerbeschule in Brünn und war 1888/1889 Klassenkollege von Leopold Bauer, Josef Hoffmann und Adolf Loos. Anschließend arbeitete er als Bauzeichner bei verschiedenen Baumeistern. Gemeinsam mit Josef Plečnik und Jan Kotera studierte er 1894 bis 1898 an der Akademie der bildenden Künste bei Otto Wagner. 1898/1899 war er in Wagners Atelier tätig (Mitarbeit an den Häusern 6., Linke Wienzeile 38 und 40 (Wagnerhäuser), an der Stadtbahn und am Nußdorfer Wehr).

Zeit seines Lebens beschäftigte sich Hubert Gessner mit den unterschiedlichsten Bauaufgaben und realisierte Villenbauten, Industriegebäude, sozialen Wohnbau, Fabriken, Unterkünfte für Arbeiterinnen und Arbeiter, Banken, Hotels, Kinos und Brückenbauten.

Ab 1900 war Gessner durch Vermittlung Otto Wagners im mährischen Landesbauamt beschäftigt und beteiligte sich an etlichen Wettbewerben. 1902 errichtete er das Sparkassengebäude in Czernowitz und 1903 das Krankenkassengebäude in Brünn sowie die Landesnervenheilanstalt in Kremsier. Für den Entwurf des Arbeiterheims Favoriten erhielt er den ersten Preis und wurde mit der Ausführung beauftragt (1901). In der Folge pendelte Gessner zwischen Wien und Brünn, wo er 1905 auch die Prüfung zur Baumeister-Berechtigung ablegte. Seit dieser Zeit war Gessner mit Viktor Adler, dem Gründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) befreundet und entwarf 1926 auch dessen Grabmal auf dem Wiener Zentralfriedhof.

1907 bis 1912 arbeitete er mit seinem Bruder Franz Gessner zusammen und realisierte in Wien unter anderem das Arbeiterheim Favoriten (10., Laxenburger Straße 8–10, 1901/1902), das Lagerhaus österreichischer Konsumvereine (10., Sonnwendgasse 15, 1905), die Bezirkskrankenkasse Floridsdorf (21., Holzmeistergasse 9, 1905–1907) und das Vorwärts Druck- und Verlagshaus (5., Rechte Wienzeile 97, 1909). Weiters entstanden die Bäckereien des ersten niederösterreichischen Arbeiter-Konsum-Vereins (12., Wolfganggasse 58–60) und des ersten Wiener Konsum-Vereins (16., Hasnerstraße 123; beide 1908/1909), die Hammerbrotwerke (21., Schwaigergasse 19, 1909), das Geschäftsportal Friedmann (1., Weihburggasse 26, um 1911) und die Unfallversicherungsanstalt (6., Linke Wienzeile 48–52, 1912). Die Wohnkolonie Liesing (23., Elisenstraße 32–42; 1912), ein Wohnhaus (4., Kettenbrückengasse 20, 1912), das Eisenbahnerheim (5., Margaretenstraße 166; 1912/1913) und die Maschinen-, Kisten- und Holzwarenfabrik Koffmahn (23., Breitenfurter Straße 176, 1913–16) zählen ebenfalls zu den gemeinsamen Bauwerken. 1907 bauten sich die beiden Brüder zudem das "Haus Gessner" (18., Sternwartestraße 70).

Nach dem Ersten Weltkrieg plante Hubert Gessner eine Reihe von bedeutenden städtischen Wohnhausanlagen und avancierte so ab den 1920er Jahren zu einem der bedeutendsten Architekten des Roten Wien und der aufstrebenden SDAP: 1919 entwarf er den Metzleinstalerhof (5., Margaretengürtel 90–98, mit Architekt Robert Kalesa), 1924 den Reumannhof (5., Margaretengürtel 100–110), 1924/1925 den Lassallehof (2., Lassallestraße 40, mit den Architekten Friedrich Schlossberg, Hans Paar und Fritz Waage, die schon 1907 in seinem Atelier gearbeitet hatten). 1925 folgten der Heizmannhof (2., Radingerstraße 9) und 1926 der Karl-Seitz-Hof (21., Jedleseer Straße 66–94).

Im Jahr 1929 entwarf er die Augartenbrücke und baute einige Privatvillen. Für Karl Renner realisierte Gessner 1922 im Haus Praterstraße 8 die Inneneinrichtung der Privatwohnung sowie der im Erdgeschoß gelegenen Arbeiterbank. 1929 gestaltete er für Elisabeth Windisch-Graetz ihr Haus in der Linzer Straße 452 Windisch-Graetz-Villa um. 1930 übernahm Gessner eine Aufstockung des späthistoristischen Landhauses von Karl Renner in Gloggnitz.

Ab 1923 war Gessner ordentliches Mitglied der Architektenkammer, des Künstlerhauses, Vizepräsident der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und Mitglied des Niederösterreichischen Gewerbevereins. Sein Atelier befand sich in den Jahren 1904 bis 1908 in der Floragasse 6, danach im Erdgeschoß der 1907 errichteten Familienvilla in der Sternwartestraße 70. Nach dem Verkauf dieses Gebäudes übersiedelte Gessner in das 1934 errichtete Wohnhaus in der Gersthofer Straße 147 ("Haus Gessner-Slupetzky").

In seinen Gebäuden der Frühzeit zeigt sich die Formensprache des Jugendstils und der Einfluss der Wagner-Schule, während Gessner bis in die 1930er Jahre, entsprechend den allgemeinen Trends, kontinuierlich eine "Versachlichung" seiner Gestaltungen entwickelte. Hubert Gessner war der Initiator des Volkswohnungspalastes und realisierte nach dem Ersten Weltkrieg berühmte Wohnpaläste, die sogenannten "Superblocks" des Roten Wien – immer mit dem Ziel, neue Lösungen für die ärmsten Teile der Bevölkerung zu entwickeln. Für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner entwarf Gessner funktionale, aber auch hinsichtlich eines neuen Selbstbewusstseins repräsentative und ästhetisch ansprechende Architekturen.

Nach 1934 erhielt Gessner keine größeren Aufträge mehr und wurde nach dem "Anschluss" 1938 mit einem Berufsverbot belegt. Er starb noch während des Zweiten Weltkrieges mit 72 Jahren.

Hubert Gessner war ab 1907 mit der Norwegerin Margit Schyelderup, verwitwete Liederhans, verheiratet und hatte mit ihr eine gemeinsame Tochter.

In der Architektursammlung der Albertina in Wien wird das Werkarchiv Gessners aufbewahrt.

Vom 13. Oktober 2011 bis zum 29. April 2012 widmete die Dauerausstellung "Das Rote Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof" Hubert Gessner eine Sonderausstellung. Diese trug den Titel: "Hubert Gessner. Architekt der Arbeiterbewegung" und zeigte sein umfangreiches architektonisches Schaffen.

Quellen

Literatur

  • Harald A. Jahn: Das Wunder des Roten Wien. Band 1: Zwischen Wirtschaftskrise und Art Déco. Wien: Phoibos-Verlag 2014
  • Kristina Meret Juen: Hubert Gessner als Erfinder des Wiener Gemeindebaustils der Zwischenkriegszeit und Initiator des Volkswohnungspalasts, seine Gemeindebauten im Roten Wien und seine und deren Relation zur Schule Otto Wagners. Diplomarbeit Univ. Wien. Wien 2012
  • Markus Kristan: Hubert Gessner. Architekt zwischen Kaiserreich und Sozialdemokratie 1871–1943. Wien: Passagen Verlag 2011
  • Monika Wenzl-Bachmayer [Hg.]: Wagner-Schule: Rotes Wien. Architektur als soziale Utopie. Wien: Wagner-Werk Museum Postsparkasse 2010
  • Walter Zednicek: Architektur des Roten Wien. Wien: Verlag Walter Zednicek 2009
  • Sylvia Mattl-Wurm [Red.]: Interieurs. Wiener Künstlerwohnungen 1830–1930. Wien: Eigenverlag 1990 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 138), S.124
  • Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.–12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, Register (Bautenverzeichnis)
  • Helmut Weihsmann: Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934. Wien: Promedia 1985, S. 373 f.
  • Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus. [Zusammenstellung der Ausstellung: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Katalog: Gabriele Koller ... Für den Inhalt verantwortlich: Oswald Oberhuber]. Wien: Zentralsparkasse 1982
  • Hans Hautmann / Rudolf Hautmann: Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934. Wien: Schönbrunn-Verlag 1980, S. 489 f.
  • Marco Pozzetto: Die Schule Otto Wagners. 1894–1912. Wien [u. a.]: Schroll 1980, S. 224
  • Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974–lfd.
  • Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970, S. 275, 278 (Anmerkung 71)
  • Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u. a.]: Schroll 1966, S. 110 f. und Register
  • Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 122, 129, 191
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien / Graz: Böhlau 1954–lfd.
  • Hubert Gessner: Zivilarchitekt, Bauten und Entwürfe. Wien: Elbemühl-Verlag 1932
  • Hubert Gessner: Die Wohnhausanlage der Gemeinde Wien im II. Bezirk: Vorgartenstraße, Lassallestraße, Radingerstraße, Ofnergasse. Wien: Chwala 1926
  • Hubert Gessner: Metzleinstalerhof: erbaut von der Gemeinde Wien in den Jahren 1923–1924. Wien 1924
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 322
  • Ulrich Thieme / Felix Becker [Hg.]: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bände. Leipzig: Engelmann 1907–1950
  • Wienbibliothek im Rathaus/Handschriftensammlung: Nachlass Ankwicz-Kleehoven: Kurzer Lebenslauf von Hubert Gessner

Weblinks