Helene Granitsch

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Helene Granitsch, 1919
Daten zur Person

Helene Granitsch, * 8. Juni 1876 Wien, † 11. Februar 1956 Portland (Oregon), USA, Schriftstellerin.

Biografie

Helene Granitsch war die Tochter der aus Prag stammenden Ottilie Mündl (geborene Schik, 1844–1907) und von Norbert Mündl (1832–1888). Der Vater fungierte über zwanzig Jahre lang als Kassenvorstand der Wiener Hofoper, war bestens beleumundet und obendrein ein durch etliche Publikationen ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der "Staatsrechnungs-Wissenschaft". Der Dichter Adalbert Stifter war sein Vetter. Aus der Ehe gingen zwei weitere Kinder hervor: Dr. Richard Mündl (1869–1938), kaiserlicher Rat und Inspektor der Südbahn, sowie Melanie Mündl (1877–1962).

Nach dem Abschluss der Mittelschule besuchte Granitsch die Lehrerbildungsanstalt St. Anna in Wien, verließ diese jedoch, um sich dem Beruf der Schauspielerin zuzuwenden. Sie nahm Unterricht beim bekannten Mimen Bernhard Baumeister, einem führenden Rhetor der Zeit. Bei ihm eignete sich Granitsch auch die Grundlagen ihrer Künste als Rednerin an, denn sie war in der Öffentlichkeit nicht nur durch ihre publizistischen und Verbandstätigkeiten präsent, sondern insbesondere auch auf Podien und Bühnen im Rahmen rednerischer Auftritte. Von den vielen Veranstaltungen, auf denen Granitsch sprach, zeugen zahlreiche Plakate, die in öffentlichen Sammlungen erhalten sind. Ein Engagement als Aktrice beim Stadttheater Heidelberg währte jedoch nur kurz.

Granitsch engagierte sich in den unterschiedlichsten sozialen Bereichen. Sie gründete eine Fülle an Organisationen und Verbänden, oft nahm sie auch den Vorsitz wahr. In dem Beitrag "Mein Werdegang" erinnerte sie sich an ihre Motivation, "hinauszutreten in die Arena des öffentlichen Kampfes". Es sei eine lebensgefährliche Erkrankung ihrer ersten Tochter im Säuglingsalter gewesen. In der Not habe sie den bekannten Kinderarzt Theodor Escherich kontaktiert, der das Kind rettete und zum Freund geworden sei. Unter dessen Patronage rief Granitsch den Verein "Säuglingsschutz" (1904) ins Leben. Von 1911 bis 1920 war sie die Vorsitzende der "Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (ROHÖ)". Im "Munzinger-Archiv" heißt es schon 1926: "Helene Granitsch ist die Organisatorin der österreichischen Hausfrau." In dieser Eigenschaft rief sie noch vor dem Ausbruch des Kriegs zur Gründung der "Frauenhilfsaktion im Krieg" auf, die bis zum Zusammenbruch der Monarchie existieren sollte. Als Präsidentin stand sie dem "Wirtschaftsverband der geistigen Arbeiter und des Mittelstandes" vor. Die "Internationale Hilfe für geistige Arbeiter Österreichs" war ebenfalls eine Gründung Granitschs. Gemeinsam mit Bertha von Suttner organisierte sie die "Österreichische Friedensgesellschaft". Sie war auch Präsidentin der "Österreichischen Frauenschaft" sowie Mitbegründerin und langjährige Vizepräsidentin der "Österreichischen Frauenpartei" (mit der Vorsitzenden Marianne Hainisch). Dank dieser Aufgabe zählte Granitsch zum "Consultativen Frauen-Völkerbundkomitee in Genf" und verbrachte viel Zeit in der Schweiz. Mit den Völkerbundligen arbeitete sie darüber hinaus als Präsidentin des österreichischen "Willkommclubs" zusammen, der im Frühjahr 1925 begründet wurde. Den Überblick über all ihre Mitgliedschaften in diversen sozialen und kulturellen Vereinigungen zu behalten, dürfte schwerfallen.

Ebenfalls sehr wichtig ist die publizistische Tätigkeit von Helene Granitsch. Sie hinterließ ein umfangreiches journalistisches Werk an Artikeln und Aufsätzen, die im deutschsprachigen Raum und auch international erschienen. Zuvorderst nennen muss man "Das Wort der Frau", ein wöchentlich erscheinendes Periodikum, von dem zwischen Jänner 1931 und November 1933 109 Ausgaben im Umfang von knapp 1000 Seiten erscheinen konnten. Granitsch nahm nicht nur die Aufgabe der Chefredakteurin wahr, sondern steuerte für die meisten Ausgaben ausführliche Leitartikel zu den unterschiedlichsten Themen bei. Ähnlich abwechslungsreich war die Reihe "Interessantes aus der amerikanischen Frauenwelt", die 1927 in der Zeitung Neues Wiener Journal abgedruckt wurde.

In der Frühzeit ihrer Karriere fand Granitsch Zeit für die Gründung einer Familie. Sie war von 1899 bis 1917 mit dem Juristen und Gemeinderatsmitglied Dr. Robert August Granitsch (1865–1937) verheiratet, einem Sohn des Reichsratsabgeordneten Georg Granitsch (1833–1903) und Bruder der Malerin Susanne Renate Granitsch (1869–1946). Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor: die Rechtsanwältin Dr. Susanne Granitsch-Kornisch (1901–1974), Theodora Georgiana Hildegard Seybel Hiller (1904–1973) und Eleonore (Lorle) Kornfeld (1911–19??).

Als Adolf Hitler sich anschickte, aus Österreich einen Teil Deutschlands zu machen, suchte Helene Granitsch ihre antifaschistische Grundhaltung mit ihrem unermüdlichen Einsatz für die Frauenbewegung zu verknüpfen. Am 1. März 1938 richtete sie via Rundfunk einen Appell an ihre Mitbürgerinnen, "sich zu Trägerinnen des österreichischen Gedankens zu machen, ja sich durch nichts einschüchtern zu lassen, sondern weiter am sittlich-religiösen Aufbau des Vaterlandes mitzuwirken" (Hilda Strauss-Gutmann). Ihr Aufruf blieb ohne die gewünschte Wirkung, machte aber nach dem "Anschluss" ihre Flucht notwendig, zumal Granitsch nach der Diktion der "Nürnberger Gesetze" als "Halbjüdin" galt. Sie floh über die Schweiz nach Paris und kam im Januar 1939 in Portland an. 1944 wurde sie US-Bürgerin. In den Vereinigten Staaten zählte sie zum "Women worlds council" und war Vizepräsidentin der "World Womens Party".

Werke

  • Märtyrer! Sieben Reden zur Frage der Kinderarbeit gehalten in der Versammlung des Vereines "Freie Schule" im Beethoven-Saale in Wien am 20. Oktober 1913. Wien: Verlag des Vereines "Freie Schule" 1913 [darin Rede von Helene Granitsch, S. 33–35]
  • Helene Granitsch: Teuerung! Wien / Leipzig: Verlag der Wiener Mode 1913
  • Helene Granitsch: Kriegsdienstleistung der Frauen. Wien: Heller 1915
  • Helene Granitsch: Die Milch mit besonderer Berücksichtigung der Wiener Milchversorgung. Wien: Vernay 1915
  • Helene Granitsch: Krieg und Luxus. Wien: Vernay 1917 (= Flugschrift des Vereines "Eisernes Österreich" 2)
  • Helene Granitsch: Die Frauen und die Aufgaben der Gemeindeverwaltung. Wien: Österreichische Druck- und Verlagsgesellschaft 1919
  • Helene Granitsch: Mein Werdegang. In: Neues Wiener Journal, Nr. 11114, 27.10.1924, S. 3
  • Helene Granitsch: Das Buch der Frau. Eine Zeitkritik. Wien: Duke 1927

Quellen

Literatur

  • Hilda Strauss-Gutmann: Helene Granitsch – 75 Jahre. In: Wiener Zeitung, Nr. 129, 08.06.1951, S. 4


Helene Granitsch im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks