Heinrich Bauer

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Daten zur Person
Personenname Bauer, Heinrich
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 57351
GND 1247086941
Wikidata
Geburtsdatum 17. Jänner 1885
Geburtsort Iglau
Sterbedatum 6. Jänner 1942
Sterbeort Litzmannstadt
Beruf Gewerbetreibender, Sportfunktionär
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage
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Letzte Änderung am 7.12.2021 durch WIEN1.lanm09was
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
  • 1., Rotenturmstraße 19 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Heinrich Bauer, * 17. Jänner 1885 Iglau, Mähren (Jihlava, Tschechien), † 6. Jänner 1942 Litzmannstadt (Łódź, Polen), Gewerbetreibender, Sportfunktionär.

Biografie

Heinrich Bauer betrieb ein Herrenmodengeschäft der Rotenturmstraße in der Wiener Innenstadt. Seine große Leidenschaft dürfte dem Fußball gehört haben. Anlässlich der Länderspiele der österreichischen Nationalmannschaft in Paris und Brüssel begleitete er die Mannschaft als einziger (!) Schlachtenbummler auf die damals sehr kostspielige Reise. Er gehörte auch zum Kreis des fußballaffinen Stammgäste im Ring-Café rund um den ÖFB-Generalsekretär Hugo Meisl. Und beim legendären Spiel des "Wunderteams" an der Stamford Bridge im Dezember 1932 war Bauer Teil der offiziellen Delegation.

Ab 1931 gehörte er dem Vorstand des Fußballklubs Austria Wien an, zuerst ohne nähere Funktionsbezeichnung, dann als Revisor und ab 1935 als Schriftführer. Sein Geschäft diente auch als Vorverkaufsstelle für Tickets zu den Austria-Spielen. Unmittelbar nach dem "Anschluss" wurde er – wie der gesamte, ausschließlich aus Juden bestehende Vorstand des Vereins – seines Amtes enthoben.

In der Vermögensanmeldung vom 15. Juli 1938 gab Heinrich Bauer den Wert seines Unternehmens mit 39.540 Reichsmark an, dazu kamen noch Ansprüche aus Versicherungen und Wertsachen. Am 25. September wurde von der "Reichsfluchtsteuerbehörde" ein sogenannter Sicherheitsbescheid in Höhe von 13.000 Reichsmark festgesetzt. Am 12. Dezember schrieb Bauer an die Vermögensverkehrsstelle, dass sein Geschäft am 10. November 1938 behördlich geschlossen und nunmehr als "arisches Unternehmen" geführt werde. Ihm sei völlig unbekannt, welchen Erlös er für das Geschäft erwarten könne, daher sei er nicht in der Lage, die "Kontributions-Quote" zu erlegen. In der Folge wurde er seines gesamtes Vermögens beraubt.

Als letzten Schritt musste Heinrich Bauer am 13. Oktober 1941 der Zentralstelle für jüdische Auswanderung eine Vollmacht erteilen, mit der sein letzter Besitz, ein Guthaben bei der Länderbank in der Höhe von 145 Reichsmark, an das Deutsche Reich überging. Zwei Tage später wurde er nach Litzmannstadt deportiert, "evakuiert", wie es in einer Anmerkung der Bank heißt. Bauer kam also in das Getto in der polnischen, unter deutscher Besatzung stehenden Stadt Łódź, das nur ganz wenige der dort zusammengepferchten Menschen überlebten. Schätzungen gehen bei insgesamt etwa 200.000 Personen von nur 7.000 Überlebenden aus. Wer das Getto selbst überstand, wurde in ein Vernichtungslager deportiert.

Heinrich Bauer überlebte diese mörderischen Bedingungen nur etwas mehr als drei Monate, am 26. Jänner 1942 kam er in Litzmannstadt zu Tode. Im Dezember 1946 stellte seine Schwester ein Rückstellungsansuchen für das Vermögen ihres verstorbenen Bruders. Als einzigem aus dem Vorstand der Austria vom März 1938 war Bauer die Flucht aus Wien nicht gelungen.

Quellen

  • WStLA, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K 3: Heinrich Bauer
  • Bundespolizeidirektion Wien, Vereinspolizei: Vereinsakt Fußball-Klub Austria
  • OeStA, AdR, E-uReang VVSt VA, B 37584 Bauer, Heinrich, 17.01.1885
  • OeStA, AdR, Entsch-u. Reang, FLD 13610 Bauer Heinrich 05205/1578

Literatur

  • Bernhard Hachleitner / Matthias Marschik / Rudolf Müllner / Johann Skocek: Ein Fußballverein aus Wien. Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938−1945. Wien [u. a.]: Böhlau 2018
  • Andrea Löw: Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten. Göttingen: Wallstein Verlag 2006
  • Illustrierte Kronen-Zeitung, 22.08.1938, S. 12
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)