Hans Zeisel

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Daten zur Person
Personenname Zeisel, Hans
Abweichende Namensform Zeisl, Hans; Ziesel, Hans
Titel Dr. jur., Dr. rer. pol.
Geschlecht männlich
PageID 362780
GND 118866443
Wikidata Q1583246
Geburtsdatum 1. Dezember 1905
Geburtsort Kaaden, Böhmen (heute Tschechische Republik) 4029098-0
Sterbedatum 7. März 1992
Sterbeort Chicago, Illinois, USA 4009921-0
Beruf Jurist, Sozialwissenschaftler, Rechtwissenschaftler, Rechtsanwalt
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Exil
Quelle Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 10.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Hans Zeisel, * 1. Dezember 1905 Kaaden, Böhmen (heute: Tschechische Republik), † 7. März 1992 Chicago, Vereinigte Staaten, Jurist, Sozialwissenschaftler, Rechtswissenschaftler.

Biografie

Leben in Wien

Als Hans Zeisel drei Jahre alt war, kam er mit seiner Familie nach Wien, wo sein Vater eine Rechtsanwaltskanzlei eröffnete. Die Eltern ließen sich einige Jahre darauf scheiden, was nicht spurlos an ihm vorbeiging. 1923 schloss er die Matura an einem Gymnasium ab und studierte in Folge Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien. In den Jahren 1927 und 1928 promovierte er zum Doktor der Rechte (Dr. jur.) und zum Doktor der Staatswissenschaften (Dr. rer. pol.). Nach dem Studium nahm Zeisel eine Stelle bei seinem Vater in der Rechtsanwaltskanzlei an. Gleichzeitig war er seit Oktober 1931 leitender Sekretär der Österreichischen Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle, deren interimistische Leitung er zwischen September 1933 und Jänner 1935 kurzzeitig innehatte. Zu der Zeit wurde auch die später berühmt gewordene Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" umgesetzt, an der er maßgeblich beteiligt war. Zeisel hatte sich vor allem um die Fotografien gekümmert und auch der soziographische Anhang geht auf ihn zurück. Von 1936 bis 1938 führte er eine eigene Rechtsanwaltskanzlei in Wien.

Während seiner Zeit in Österreich kam er mit dem Sozialismus in Berührung und war als Sozialist und Sozialdemokrat im roten Wien aktiv. Dabei war er laut Auskunft seines Sohnes John Zeisel Mitglied der sozialistischen Jugendbewegung und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Die Werte, die er dort mitbekommen hat, behielt er sein ganzes Leben lang und beeinflusste seine Arbeit nachhaltig. Woher diese tiefe Überzeugung kommt, ist unklar. Laut Auskunft seiner Tochter Jean Richards hielten die Freundschaften zu seinen Parteigenossen Paul Lazarsfeld und Bruno Kreisky bis an sein Lebensende.

Karriere im Exil

Im März 1938 emigrierten Hans Zeisel und seine spätere Ehefrau, die Künstlerin Éva Amália Striker, aufgrund der politischen Lage in Österreich zuerst nach London. Ob Hans Zeisel noch eine Zeit lang in Wien blieb und ihr danach folgte oder direkt mit nach England ging, ist unklar. Die Beweggründe dafür waren zum einen, dass er Éva begleiten wollte und dass er als Sozialist mit der Macht Hitlers nicht in Wien bleiben konnte. England war dabei eher ein Zwischenstopp um aus Wien wegzukommen. Es wurden verschiedene Pässe genutzt, um Wien verlassen zu können. In England heirateten Éva und Hans Zeisel und arbeiteten für ein paar Monate. Als sie im Jahr 1938 das Schiff nach Amerika betraten, segelten sie mit nicht mehr als 68$ über den Ozean. Da Évas Bruder bereits einige Zeit zuvor in den USA ankam, hatten Hans und Éva einen Anknüpfungspunkt, der ihnen die Ankunft in ihrer neuen Heimat etwas erleichtert hat. Zunächst arbeitete Zeisel ein Jahr bei Paul F. Lazarsfeld im "Bureau of Applied Social Research". Drei Jahre lang (1940 bis 1943) war er als Bediensteter am "Department of War" in Washington (D. C.) beschäftigt. In dieser Zeit setzte er nebenbei Marktforschungstätigkeiten für "Benton und Bowles" in New York um (1941). In den danach folgenden Jahren lehrte er an der Rutgers University in New Brunswick (New Jersey) und war von 1943 bis 1951 Director of Research (and Development) der "McCann Erickson Advertising Agency" in New York. Er amalgamierte in der Zeit bei McCann Erickson sowie Interpublic zu einer bedeutenden Figur der Werbebranche. In dieser Zeit etablierte Zeisel die Arbeit mit Umfragen zu einer gängigen Praxis in der Werbeindustrie, sodass er schließlich ein Buch unter dem Titel „Say it with figures“ veröffentlichte. Es behandelte vor allem die Verwendung von Umfragen und wie diese auf empirische Weise wissenschaftlichen Nutzen aufweisen können. Während die Zeit bei McCann & Erickson sowie Interpublic finanziellen Wohlstand für die Familie Zeisel ermöglichte, waren für Hans Zeisel seine Bestrebungen im Bereich der Rechtswissenschaften eine Herzensangelegenheit. Er setzte seine Umfragen in den Rechtswissenschaften ein, um ein besseres Verständnis des Geschworenensystems, dem ersten Zusatzartikel der US amerikanischen Verfassung sowie der Meinungsfreiheit zu entwickeln. Auf Basis dieser Studie wurden zwei Bücher publiziert, eines davon namens „The American Jury“. Im Jahr 1953 macht er Chicago zu seinem neuen Lebensmittelpunkt, wo er als Professor of Statistics, Law and Sociology an der University of Chicago School of Law arbeitete. Diese erhielt er aufgrund seiner Projektleitung für Studien zum amerikanischen Rechtssystem mit Harry Kalven zusammen. Gleichzeitig arbeitete er pro bono an Fällen, die die Todesstrafe verhingen, um besonders Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten Gruppen zu helfen. Während seiner Zeit als Rechtswissenschaftler betrieb er Forschung zum amerikanischen Rechtssystem. Seine Arbeit als Professor übte er bis zu seiner Emeritierung 1947 aus.

Hans Zeisel gilt als Pionier in der Verwendung von statistischen Evidenzen und Umfragedaten im Bereich der Juristik.

Literatur