Gerty Schindel
Gerty Schindel, * 5. Jänner 1913 Wien, † 11. März 2008 Wien, Angestellte, Gärtnerin, Widerstandskämpferin.
Biografie
Gertrude "Gerty" Schindel wurde in eine aus Galizien nach Wien eingewanderte, jüdische Familie geboren. Sie war das jüngste von drei Kindern ihrer Eltern Irene Rachel, geborene Winter (1879–1935), und des Buchhalters Salomon Schindel (1867–1941). Mit ihren beiden Brüdern Georg (1901–1941) und Erich (1906–1993) wuchs sie in der Leopoldstadt in bescheidenen Verhältnissen auf. Gerty Schindel besuchte bis zur vierten Klasse das Gymnasium und absolvierte anschließend eine Lehre zur Gärtnerin. Mit vierzehn Jahren trat sie 1927 dem Kommunistischen Jugendverband Österreichs bei. Ab Juli 1931 verbrachte sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem KPÖ-Funktionär Anton Reisinger (1903–1943), drei Jahre in der Sowjetunion.
Zurück in Wien wurde Schindel während des Austrofaschismus im Februar 1935 wegen der Teilnahme an einer Demonstration festgenommen und zu sechs Wochen Arrest verurteilt. Wenig später erfolgte eine erneute Festnahme aufgrund der Verbreitung einer verbotenen Flugschrift. 1937 entsandte die KPÖ Schindel nach Paris um dort in der Transportorganisation der Internationalen Brigaden freiwillige Kämpfer*innen nach Spanien zu schleusen. Nach Ende des Spanischen Bürgerkrieges im April 1939 half Schindel in Frankreich internierten österreichischen Spanienkämpfenden aus den Lagern zu fliehen. Aufgrund ihrer Tätigkeiten stand sie im Herbst 1941 vor einem Militärgericht in Montauban. Das Verfahren endete jedoch mit einem Freispruch für Schindel. Daraufhin schloss sie sich der Widerstandsgruppe "travail allemand" in Paris an, die versuchte Wehrmachtssoldaten zur Desertation zu bewegen. Im September 1943 kehrte Schindel (Deckname: Suzanne Soël) gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten René Hajek (1911–1945; Deckname: Pierre Lutz) als französische "Fremdarbeiterin" nach Österreich zurück. Ziel war die Erkundung der politischen Lage und der Aufbau eines Widerstandsnetzwerkes in Linz. Als Tarnung arbeitete Schindel zunächst als Küchenhilfe und später als Dolmetscherin, unter anderem in den "Reichswerken Hermann Göring AG". Im April 1944 kam der gemeinsame Sohn von Schindel und Hajek, Robert, im oberösterreichischen Bad Hall zur Welt.
Noch im gleichen Jahr wurden Schindel und Hajek enttarnt, im August von der Gestapo festgenommen und in das KZ Auschwitz deportiert. Hajek wurde kurze Zeit später in das KZ Dachau verlegt und dort im März 1945 ermordet. Gerty Schindel wurde im Jänner 1945 in das KZ Ravensbrück verlegt. Nachdem ein Hinrichtungsbefehl für Schindel, Lisa Gavric, Antonie Lehr und Edith Rosenblüth erlassen worden war, wurden sie von Mithäftlingen – etwa Maria Berner und Anna Hand – versteckt und im April als Französinnen getarnt mit einem Transport des Roten Kreuzes über Dänemark nach Schweden evakuiert ("Aktion Bernadotte"/Aktion der "Weißen Busse).
Aufgrund ihrer Tarnung als Französin reiste Schindel nach Kriegsende zunächst nach Paris und von dort weiter nach Wien. Hier konnte sie ihren Sohn ausfindig machen, der in einem jüdischen Kinderheim und bei Pflegeeltern überlebt hatte. Schindels Vater und ihr Bruder Georg überlebten den Holocaust nicht. Sie wurden nach der Deportation nach Riga im Wald von Rumbula erschossen.
Schindel heiratete in der Nachkriegszeit den ehemaligen Spanienkämpfer Georg Nürnberger (1914–2001) und war bis zu ihrer Pensionierung für die Kommunistische Partei Österreichs tätig. Außerdem engagierte sie sich in der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück. In dem 1987 herausgegebenen Sammelband "Ich geb Dir einen Mantel, daß Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen" berichtete Schindel von ihren Konzentrationslager-Erfahrungen.
Gerty Schindel verstarb 2008 im Alter von 95 Jahren in Wien und wurde am Friedhof der Feuerhalle Simmering beigesetzt.
Literatur
- Karin Berger / Elisabeth Holzinger / Lotte Podgornik / Lisbeth N. Trallori [Hg.]: Ich geb Dir einen Mantel, daß Du ihn noch in Freiheit tragen kannst. Widerstehen im KZ. Österreichische Frauen erzählen. Wien: Promedia 1987
- biografiA: Schindel Gerti [Stand: 11.02.2025]
- DÖW: Schindel, Gertrude [Stand: 11.02.2025]
Weblinks
- Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen: Gerti Schindel (1913-2008)
- Falter Radio: Jüdisch-kommunistischer Widerstand. Bittere Lehren - #532
- Haus der Geschichte Österreichs: 1636: Österreicher*innen im Spanischen Bürgerkrieg. Freiwilliger Einsatz gegen die Franco-Diktatur
- DÖW: Hajek René
- DÖW: Nürnberger, Georg