Gerhard Rühm

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Daten zur Person
Personenname Rühm, Gerhard
Abweichende Namensform
Titel Hochschul-Prof.
Geschlecht männlich
PageID 37323
GND 118603930
Wikidata Q45392
Geburtsdatum 12. Februar 1930
Geburtsort Wien
Sterbedatum
Sterbeort
Beruf Schriftsteller, Komponist, Bildender Künstler
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Objektbezug 1945 bis heute
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 18.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri


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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Österreichischer Würdigungspreis für Literatur (Verleihung: 1976)
  • Karl-Sczuka-Preis (Verleihung: 1977)
  • Hörspielpreis der Kriegsblinden (Verleihung: 1984)
  • Preis der Stadt Wien für Literatur (Verleihung: 1984)
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur (Verleihung: 1991)
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien (Verleihung: 1991)
  • Alice Salomon Poetik Preis (Verleihung: 2007)
  • Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (Verleihung: 2007)
  • Ehrendoktorwürde der Universität Köln (Verleihung: 2010)
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (Verleihung: 2013)
  • Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst (Verleihung: 2014)
  • Karl-Sczuka-Preis (Verleihung: 2015)


Gerhard Rühm, * 12. Februar 1930 Wien, Schriftsteller, Komponist, Bildender Künstler.

Biografie

Rühms Vater war Kontrabassist bei den Wiener Philharmonikern. Auch der Sohn schlug die Musikerkarriere ein. Nach dem Besuch des Realgymnasiums studierte er an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst Klavier (bei Bruno Seidlhofer) und Komposition. Darüber hinaus nahm er in den Jahren 1953 und 1954 Privatunterricht beim Zwölftonkomponisten Josef Matthias Hauer. Aufsehen erregte Rühm mit avantgardistisch-experimentellen Kompositionen wie der mit dem Pianisten Hans Kann geschaffenen "geräuschsymphonie" und seiner "ein-ton-musik" für Klavier. Angeregt wurde der Musiker Rühm vor allem vom amerikanischen Komponisten John Cage und dessen damals revolutionären Vorstellungen vom grenzüberschreitenden Happening.

Die Begegnung mit Hans Carl Artmann Anfang der 1950er Jahre führte Rühm zur Literatur: Sprechtexte und visuelle Poesie wurden zunehmend wichtig. Seine literarischen Ahnen sind namhafte Expressionisten und Dadaisten wie August Stramm, Kurt Schwitters, Carl Einstein und Paul Scheerbart. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass Rühm bis heute den Nachlass des Expressionisten Franz Richard Behrens verwaltet, auf den der etablierte Begriff "Lautgedicht" zurückgeht.

Rühm veröffentlichte zunächst in "versuche, den eben erfundenen tachismus auf die poesie zu übertragen" (1952) erste "lautgedichte", die auf den Grenzbereich der von Rühm bevorzugten Kunstdisziplinen verweisen. Zusammen mit H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Konrad Bayer und Oswald Wiener gründete er 1954/1955 die "Wiener Gruppe", deren Ziel die Erneuerung der literarischen Aussage aus dem Material der Sprache und die Reflexion auf ihre Produktionsbedingungen war. Die wenigen Performances der Gruppe bildeten Meilensteine der österreichischen Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Artmann und Bayer entstanden 1956 die "montagen", mit Achleitner und Artmann 1959 "hosn rosn baa", 1961 "konstellationen" und 1965 "söbstmeadagraunz. gedichte im wiener dialekt".

Immer mehr geriet mit Fotomontagen und Buchobjekten auch die bildende Kunst in den Blickwinkel des Multitalents Rühm. Lange fanden seine Arbeiten in Österreich keine Anerkennung und wurden durch Publikationsverbot behindert, weshalb sich Rühm nach dem Auseinanderbrechen der "Wiener Gruppe" 1964 in Berlin niederließ. Seit 1975 lebt er in Köln. Dem alten Projekt verpflichtet, gab er noch 1967 die Dokumentation "Die Wiener Gruppe" heraus (erweitert 1985), die großen Einfluss auf die österreichische Gegenwartsliteratur hatte. Die "Wiener Gruppe" wurde später auch mit der Retrospektive anlässlich der Biennale in Venedig (1997) sowie mit einer großen Ausstellung in der Wiener Kunsthalle (1999) geadelt. Im Herbst 2017 präsentierte das Kunstforum Wien Gerhard Rühm als einen der letzten Universalkünstler.

Von 1978 bis 1982 fungierte Rühm als Präsident der Grazer Autorenversammlung. Schon 1972 hatte man ihn als Dozent, später als Professor an die Staatliche Kunsthochschule zu Hamburg berufen, wo er bis 1995 tätig war. Im Unterschied zu seiner früheren sprachanalytischen und spielerischen Phase setzte sich Rühm seit den 1970er Jahren zunehmend auch mit gesellschaftlichen Lebensbedingungen auseinander. Zudem gilt er als herausragender Vertreter des sogenannten "Neuen Hörspiels". Beides verband er in seinem 1983 veröffentlichten Hörspiel "Wald – Ein deutsches Requiem", in dem ökologische Themen wie das Waldsterben zur Sprache kamen. 1993 erschien der utopische Roman "Textall", 1996 die "Visuelle Poesie". Es folgten die Bände "Um zwölf Uhr ist es Sommer" (2000) und "Was verschweigt die schwarze Witwe?" (2004). Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt Rühm für seine Sprechoper "hugo wolf und drei grazien, letzter akt" 2015 ein zweites Mal den renommierten Karl-Sczuka-Preis.

Sein Vorlass wurde im Jahr 2012 vom Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erworben.


Werke (Auswahl)

  • Friedrich Achleitner / H. C. Artmann / Gerhard Rühm: hosn rosn baa. Wien: Frick 1959
  • Gerhard Rühm [Hg.]: Die Wiener Gruppe. Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1967
  • Gerhard Rühm: Gesammelte Gedichte und visuelle Texte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1970
  • Gerhard Rühm: Ophelia und die Wörter. Gesammelte Theaterstücke 1954–1971. Darmstadt / Neuwied: Luchterhand 1972
  • Gerhard Rühm: knochenspielzeug. Märchen, Fabeln und Liebesgeschichten. Düsseldorf: Eremiten-Presse 1979
  • Gerhard Rühm: botschaft an die zukunft. Gesammelte Sprechtexte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1988
  • Gerhard Rühm: reisefieber. Theatralische Ereignisse in fünf Teilen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989
  • Gerhard Rühm: Geschlechterdings. Chansons, Romanzen, Gedichte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1990
  • Gerhard Rühm: theatertexte. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 1990
  • Gerhard Rühm: Die Winterreise dahinterweise. Neue Gedichte und Fotomontagen. Zu Franz Schuberts Liederzyklus. Klagenfurt: Ritter 1991
  • Gerhard Rühm: Sämtliche Wiener Dialektdichtungen. Graz / Wien: Droschl 1993 (Edition Neue Texte)
  • Gerhard Rühm: textall. ein utopischer roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1993
  • Gerhard Rühm: Visuelle Poesie. Arbeiten aus vier Jahrzehnten. Innsbruck: Haymon 1996
  • Gerhard Rühm: Was verschweigt die schwarze Witwe? Schrift-, Sprech- und Bildanagramme. Graz: Droschl 2004
  • Gerhard Rühm: Die geregelte Wiedervereinigung Europas. Ein Beitrag zu einer erotischen Geografie. Wien: Freibord 2004
  • Gerhard Rühm: Gedichte. Hg. von Michael Fisch. Berlin: Parthas 2005 (Gesammelte Werke, 1.1, 1.2)
  • Gerhard Rühm: Visuelle Poesie. Hg. von Monika Lichtenfeld. Berlin: Parthas 2006 (Gesammelte Werke, 2.1)
  • Gerhard Rühm: Visuelle Musik. Hg. von Michael Fisch. Berlin: Parthas 2006 (Gesammelte Werke, 2.2).
  • Gerhard Rühm: Aspekte einer erweiterten Poetik. Vorlesungen und Aufsätze. Berlin: Matthes und Seitz 2008
  • Gerhard Rühm: Theaterstücke. Hg. von Michael Fisch. Berlin: Matthes & Seitz 2010 (Gesammelte Werke, 5)
  • Gerhard Rühm: Lügen über Länder und Leute. Vollständige Erzählungen und Gedichte. Klagenfurt: Ritter 2011
  • Gerhard Rühm: Rosenkränze und Kettengedichte. Hannover: Officin Albis 2011
  • Gerhard Rühm: Auditive Poesie. Hg. von Monika Lichtenfeld / Michael Fisch. Berlin: Matthes & Seitz 2012 (Gesammelte Werke, 3.1)
  • Gerhard Rühm: hugo wolf und drei grazien, letzter akt. eine spektrale sprechoper. Klagenfurt / Graz: Ritter 2014
  • Gerhard Rühm: Radiophone Poesie. Hg. von Paul Pechmann / Michael Fisch. Berlin: Matthes & Seitz [2016] (Gesammelte Werke, 3.2)


Literatur

  • Roman Gerold: Gerhard Rühm im Kunstforum: Sinn gibt es nicht ohne Sinnlichkeit. In: derstandard.at, 05.10.2017 [Stand: 25.07.2019]
  • Renate Kühn [Hg.]: Doppelter Durchgang. Zu Poesie und Poetologie Gerhard Rühms. Bielefeld: Aisthesis 2010
  • Joachim Brügge / Wolfgang Gratzer und Otto Neumaier [Hg.]: Gerhard Rühm und die Kunst der Gegenwart. Saarbrücken: Pfau 2007
  • Michael Fisch: Gerhard Rühm – Ein Leben im Werk (1954–2004). Ein chronologisches Verzeichnis seiner Arbeiten. Bielefeld: Aisthesis 2005 (Bibliographien zur deutschen Literaturgeschichte 14)
  • Kurt Bartsch / Stefan Schwar [Hg.]: Gerhard Rühm. Graz / Wien: Droschl 1999 (Dossier 15)
  • Gerhard Rühm. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. München: Edition Text und Kritik 1978 ff.

Weblinks