Frauenstudium

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Elise Richters Meldungsbuch an der philosophischen Fakultät der Universität Wien, 7. Oktober 1897
Daten zum Eintrag


Über die Bildung von Frauen gibt es in der frühen Neuzeit nur vereinzelte Nachrichten. Das Testament von Eva Haffner, der Gattin des Bürgermeisters Augustin Haffner, wurde von ihr 1614 eigenhändig geschrieben (für diese Zeit eine Seltenheit); im Testament der Margareth Spitel vom 20. Februar 1620 (Testament 1834/17. Jahrhundert) ist "Phil. et J. U. Baccalaureus" angegeben. Die Verordnung des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 6. Mai 1878 sah erstmals die Zulassung von Frauen zu Universitätsvorlesungen vor, allerdings "nur ganz ausnahmsweise" und nur bei "besonderen, im einzelnen Falle zu würdigenden Umständen". Die Frauen galten nicht als ordentliche oder außerordentliche Hörerinnen, sondern durften nur als "Hospitantinnen" (jeweils mit Zulassung seitens des Dozenten, der Fakultät und des Ministeriums) Vorlesungen besuchen. Obwohl die Frauen ab 1878 die Maturitätsprüfung ablegen durften (Frauenbildung), berechtigte sie die bestandene Prüfung nicht zum Studium an einer Universität. Vor diesem Hintergrund stellte Graf Kaunitz am 9. Juli 1895 im Abgeordnetenhaus fest: "Von allen Staaten der Erde stehen heute nur noch Österreich und Deutschland auf dem Standpunkte, daß sie der weiblichen Jugend das Universitätsstudium verwehren wollen ... Dort, wo es sich um einen humanitären und wissenschaftlichen Fortschritt handelt, kommen wir immer zuletzt."

Die sich in Frauenvereinen (Frauenbewegung) engagierenden Protagonistinnen des Frauenstudiums plädierten mit dem Argument, Frauen bedürften dringend weiblicher Ärzte, für die Zulassung der Frauen vor allem zum Medizinstudium. Dem setzten vor allem akademische Berufsvertretungen Widerstand entgegen. Ein Gutachten für die Wiener Ärztekammer befürchtete 1895 infolge der weiblichen Konkurrenz einen sich verschärfenden Existenzkampf und stellte die Frage: "Gibt es denn wirklich nur im medicinischen Berufe Wirkungskreise für die Frauen?" Auch an biologistischen und rassistischen Argumenten gegen das Frauenstudium fehlte es nicht: Der sogenannte "Hirnbeweis" des Münchner Anatomen und Physiologen Theodor L. W. Bischoff spielte auch in Österreich eine unrühmliche Rolle (er behauptete 1872, dass das weibliche Gehirn weniger leistungsfähig sei, weil durchschnittlich um 134 Gramm leichter als das des Mannes, dessen Geist "tiefer, weiter und schärfer" sei); der Wiener Universitäts-Professor für Chirurgie Eduard Albert schrieb in seiner Broschüre "Die Frauen und das Studium der Medicin" (1895), dass die künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen der Frauen mit jenen der Männer nicht zu vergleichen seien, weil "die Frauen doch nur viel kleinere Köpfe" hätten. Eine Petition des "Allgemeinen österreichischen Frauenvereins" (AÖFV) vom 9. Dezember 1893 betonte die soziale Problematik des Studiumverbots: "Die Zahl der Frauen ist groß, welche den aufrichtigen und ernsten Willen zu geistiger Arbeit haben, aber aus Mangel an passenden Berufsarten zur Untätigkeit verurteilt sind. Ein großes Unrecht begeht die Gesellschaft an den beklagenswerten Mitgliedern, die des häuslichen Herdes und der Arbeitsfähigkeit beraubt sind, indem sie ihnen die Möglichkeit einer höheren Bildung und damit auch des Erwerbes auf bisher verschlossenem Gebiete entzieht."

Als 1895 die ersten Frauen im Prager Mädchengymnasium die Matura ablegten, wurde ihnen im Abschlusszeugnis die Klausel "Reif zum Besuch der Universität" verweigert; sie versuchten, als "außerordentliche Hörerinnen" zu inskribieren, wurden aber nur als "Hospitantinnen" zugelassen. Eine Petition des AÖFV von 1895 forderte die Nostrifizierung im Ausland erworbener Doktorate und damit die Zulassung promovierter Österreicherinnen zur ärztlichen Praxis sowie die Zulassung von Frauen zu dem den Universitätsbesuch vorbereitenden Unterricht an öffentlichen Mittelschulen beziehungsweise als ordentliche Hörerinnen an der medizinischen Fakultät. Durch eine Verordnung des Ministeriums für Kultus und Unterricht wurde am 16. März 1896 zwar die Nostrifizierung medizinischer Doktorate erlaubt, doch mussten Frauen (im Gegensatz zu Männern) alle Rigorosen nochmals ablegen und den Nachweis eines moralisch einwandfreien Vorlebens erbringen. Durch Erlass des Ministeriums vom 23. März 1897 wurden Frauen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und abgelegter Matura ab dem 18. Lebensjahr als ordentliche Hörerinnen an der philosophischen Fakultät zugelassen; im Wintersemester 1897/1898 inskribierten drei ordentliche Hörerinnen (die Zahl war so gering, weil Frauen die Matura nur als Privatistinnen beziehungsweise extern absolvieren konnten); ab 1898 konnten Frauen an der gymnasialen Mädchenschule maturieren (Frauenbildung). 1895 wurde ein "Verein zur Abhaltung akademischer Vorträge für Damen" gegründet (schöngeistig, hohes Kursgeld); 1900 konstituierte sich ein "Verein für Abhaltung von wissenschaftlichen Lehrkursen für Frauen und Mädchen" mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung.

Am 3. September 1900 wurde die Zulassung der Frauen zum Medizin- und Pharmaziestudium bekanntgegeben (Reichsgesetzblatt Nummer 149/150); die Frauen waren jedoch noch lange nicht gleichberechtigt, ihr Ausschluss aus Vorlesungen blieb allgemein üblich (so argumentierte Theodor Gomperz, dass er in seinem Plato-Kolleg bei der Erläuterung des "Phädros" und des "Symposion" auf die verschiedenen Arten der das sexuelle Leben der Griechen betreffenden Sitten eingehen müsse und er dies unmöglich vor einem aus beiden Geschlechtern zusammengesetzten Auditorium tun könne, weshalb er 1904 als Alternative zum Frauenstudium eine eigene Frauenhochschule vorschlug). Das Frauenstudium ist in seinen ersten Jahrzehnten eindeutig ein bürgerliches Phänomen; es finden sich kaum Studentinnen aus Bauern- und Proletarier- oder (Hoch-)Adelsfamilien. Die Zahl der Studentinnen stieg bis 1914 auf 708 an (medizinische Fakultät 188, philosophische Fakultät 520). Ab 22. Juli 1908 waren Frauen auch zum Studium an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt zugelassen. 1912 gab es in Wien bereits 24 praktizierende Ärztinnen (1929 bereits 453). Das Jusstudium wurde Frauen bis 1919 verwehrt; sie durften nur hospitieren, aber keine Prüfungen ablegen (Frauen wurde das "abstrakte Denken" nicht zugetraut), womit Frauen auch von vielen Staatsanstellungen ausgeschlossen wurden; zu den Hospitantinnen gehörte 1913-1917 auch Käthe Pick, vermählte Leichter. Erst seit 1919 können Frauen auch an der Tierärztlichen Hochschule und seit 1920 an der Akademie der bildenden Künste studieren. Die erste Österreicherin, die zum Dr. med. univ. promoviert wurde (2. April 1897), war Gabriele Possanner Freiin von Ehrenthal, die in Zürich und Genf Medizin studiert hatte, 1894 promoviert worden war und nach einem Gnadengesuch an Kaiser Franz Joseph die Genehmigung erhalten hatte, alle 21 Rigorosen an der Wiener Universität zu wiederholen. 1907 wurde nach dreijährigem Kampf die Romanistin Elise Richter von "Ministergnaden" als erste Privatdozentin Österreichs zugelassen (nach gelungener Habilitation hatte sie Schwierigkeiten, die "venia docendi" zu erlangen, weil es der damalige Dekan für "grundsätzlich unmöglich" hielt, dass sich Männer von Frauen unterrichten ließen). Die erste Österreicherin, die zum Dr. jur. promoviert wurde, war Marianne Beth (12. Juni 1921), die bereits Dr. phil. war und damit als erste Frau zwei Doktorate besaß (1928 in die Anwaltsliste eingetragen). Das erste Ehrendoktorat der Universität Wien erhielt 1900 Marie Ebner-Eschenbach; sie war lange Zeit die einzige Frau, deren Denkmal im Arkadenhof der Universität Aufstellung fand.

Um 1900 gab es bereits einen Studentinnenverein, 1908 wurde der Akademische Frauenverein gegründet (es studierten schon cirka 500 Frauen), 1922 gründete Elise Richter den Verband der akademischen Frauen. 1928 studierten in Wien an der Universität rund 8.000 Männer und rund 1.700 Frauen, an der Technischen Hochschule rund 3.000 Männer, jedoch nur 41 Frauen, an der Hochschule für Welthandel rund 1.500 Männer und rund 100 Frauen. 1929 waren 15 % der Studierenden Frauen, während des Ständestaats ging der Anteil auf 10 % zurück (1938/1939 studierten an der Wiener Universität nur noch 1.231 Frauen gegenüber 3.144 im Jahr 1933/1934); an der Technischen Hochschule betrug der Frauenanteil in der Zwischenkriegszeit nur 2 %; die österreichische Bischofskonferenz beschloss 1936, keine weiblichen Hörer zum Studium der Theologie zuzulassen (erst am 15. Juni 1945 wurde in Wien Anna Bolschwing als erste Frau zum Dr. theol. promoviert). 1959/1960 waren 30 % aller Studienanfänger Frauen.

Seit den 1980er Jahren liegt der Frauenanteil an der Universität bei cirka 49 % (allerdings bei sehr unausgewogener Fächerverteilung); überwiegend werden Sprachwissenschaften, Pharmazie, Übersetzer- und Dolmetscherausbildung (Anteil 70-95 %), Medizin und Veterinärmedizin (Anteil 56 beziehungsweise 65 %) studiert, wogegen das technische Studium nach wie vor einen geringen Frauenanteil aufweist (5 %).

Die in Wien wohnhafte Hilfsarbeiterin Rosa Röschl (* 25. August 1893) legte am 3. August 1915 als erste österreichische Frau die Kraftfahrzeuglenkerprüfung ab.

Literatur

  • Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Bände 3-5. Wien : Österreichischer Bundesverlag 1984-1988
  • Waltraud Heindl [u. a.] [Hg.]: "Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück ..." Frauen an der Universität Wien (ab 1897). Wien: WUV-Universitätsverlag 1990 (Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Universität Wien, 5)
  • Erika Weinzierl: Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1975
  • Marina Fischer-Kowalski [u. a.]: Von den Tugenden der Weiblichkeit. Mädchen und Frauen im österreichischen Bildungssystem. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1986