Eva Jantschitsch
Eva Jantschitsch, * 1978 Graz, Musikerin, Komponistin.
Biografie
Eva Jantschitsch, geboren und aufgewachsen in Graz, begann sich bereits sehr früh mit Musik auseinanderzusetzen. In ihrer Kindheit und Jugend erhielt sie zunächst Geigenunterricht, im Laufe der Zeit erlernte sie außerdem Flöte, Akkordeon, E-Gitarre, Xylophon, Synthesizer sowie weitere Instrumente. Ihre erste Band, "EKG", hatte sie noch in Graz, bevor sie 1997 nach Wien ging und dort an der Universität für angewandte Kunst digitale Kunst und visuelle Mediengestaltung, unter anderem bei Peter Weibel, studierte.
Bei weiteren Bandformationen, an denen sie mitwirkte, fühlte sie sich als Frau auf bestimmte Rollenbilder reduziert. Während ihre männlichen Bandmitglieder als Musiker und Programmierer angesprochen wurden, wurde sie von Publikum und Konzertverantwortlichen in erster Linie als Sängerin wahrgenommen. Ihre eigene kompositorische Leistung wurde unter den Tisch gekehrt. In den 1990er Jahren formte sich in Olympia (Washington, USA) die "Riot Grrrl"-Bewegung, die neben Gleichberechtigung und künstlerischer Verwirklichung von Frauen und Männern die Selbstverwaltung von Künstlerinnen und Künstlern und die Schaffung von alternativen Produktions- und Vertriebsstrukturen thematisierte. Anfang der 2000er Jahre wurde diesen Ansätzen und Forderungen auch in Europa nachgegangen. Unter anderem in Form von Ladyfesten, bei denen Raum für Selbstermächtigung und Vernetzung geschaffen wurde, unter Slogans wie "Let’s be s_heroes. Don’t fall in love with the star, be the star!" Ein solcher Raum wurde in Wien bei den sogenannten Frauenbandenfesten, die im Ernst-Kirchweger-Haus stattfanden, geschaffen. Eben dort hatte Eva Jantschitsch 2002 ihren ersten musikalischen Auftritt als "Gustav".
Das Pseudonym "Gustav" wählte Eva Jantschitsch, die von sich selbst sagt, Feministin seit ihrem 15. Lebensjahr zu sein, da sie als junge Kunststudentin auf der Suche nach einem Künstlernamen, etwas gesucht hatte, das die geschlechtliche Identität ein wenig aufbricht oder in Frage stellt. Zudem erzählte ihr ihre Mutter, dass ihr Vater, der sich einen Sohn wünschte, sie bis zu ihrem vierten Lebensjahr Gustav genannt hatte.
2004 veröffentlichte sie das erste von bisher zwei "Gustav"-Alben, "Rettet die Wale". Den Großteil der Arbeit an diesem Album – Aufnahme, Cover Artwork, elektronische Samples und Edition – hatte Jantschitsch selbst und mit minimalen Mitteln zu Hause entwickelt. Nur für die Gesangsaufnahmen ging sie ins Studio. Für ihr Debüt gab es hymnische Kritiken.
Sie erfand sich Anfang der 2000er Jahre als "Laptop-Pilotin" und definierte eine neue Form von feministischen Protestsongs und schlug als Popphänomen wie ein Meteorit in der damals ziemlich ermatteten österreichischen Popszene ein. "Rettet die Wale", ein Song der zur Signatur einer ganzen Epoche wurde, die zwischen Bobotum und linken politischen Engagement, zwischen Gewissenswurm und schöner Wohnen hin und her switcht, sagt Thomas Mießgang über "Gustav".
Ihr Musikstil lässt sich zwischen Chanson, Pop, revolutionärem Schlager und Elektronik verorten. Sie bearbeitet in ihren musikalischen Projekten, die sich stark an das Singer-Songwritertum und den Schlager anlehnen, feministische und sozialkritische Inhalte. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums gewann "Gustav" bei den sechsten Amadeus Austrian Music Awards 2005 in der Kategorie "FM4 Alternative Act des Jahres". 2008 wurde das zweite "Gustav"-Album "Verlass die Stadt" veröffentlicht. Seither komponiert und produziert Jantschitsch hauptsächlich Auftragswerke für Theater und Film. Sie gilt als routinierter Profi in ihrer musikalischen Auseinandersetzung mit feministischer und sozialpolitischer Geschichte, weiß, wie man sie künstlerisch befragt und mit einer gegenwärtigen Bestandsaufnahme verknüpft, studiert, wie Klänge ideologisch und historisch im Einsatz waren und in einen zeitgenössischen Sound übersetzt werden können. So komponierte sie 2011 für die Salzburger Festspiele und deren Faust-Schwerpunkt das Auftragswerk "Unterhaltungsmusik zur Suche nach Erkenntnis", welches unter Mitwirkung von Ben Becker aufgeführt wurde.
In Mirjam Ungers Film "Oh yeah, she performs", der Ende 2012 seinen Kinostart hatte, ist Eva Jantschitsch eine der vier jungen österreichischen Musikerinnen, die in diesem Dokumentarfilm begleitet und porträtiert werden. 2013 erhielt sie den österreichischen Filmpreis in der Kategorie Beste Musik für den Film "Grenzgänger". Im selben Jahr wurde sie auch für den österreichischen Theaterpreis "Nestroy" für die Musik zu "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" nominiert.
Gemeinsam mit der Regisseurin Christine Eder, Heinz R. Unger und Knarf Rellöm machte sie sich 2015 mit der Produktion "Proletenpassion 2015 ff." daran, die Geschichte der Proleten erneut und aus zeitgenössischer Sicht zu untersuchen und bis in die Gegenwart weltweiter Proteste von Occupy bis Gezi fortzuschreiben. Die Produktion wurde mit dem "Nestroy" in der Kategorie "Beste Off-Produktion" ausgezeichnet.
"Rettet die Wale" wurde im Jahr 2019 von dem Radiosender FM4 auf den 2. Platz der 100 besten Lieder des 21. Jahrhunderts gewählt. Das Popkulturmagazin The Gap wählte 2020 ihr Lied "We Shall Overcome" im Rahmen des AustroTOP-Rankings auf Platz 11 der "100 wichtigsten österreichischen Popsongs".
Werke (Auswahl)
- Gustav: Rettet die Wale, 2004 (Mosz)
- Gustav: Verlass die Stadt, 2008 (Chicks on Speed Records)
Filmmusik zu (Auswahl)
- 5 ½ Roofs, 2006 (Regie: Sepp R. Brudermann)
- Gangster Girls, 2008 (Regie: Tina Leisch)
- Grenzgänger, 2012 (Regie: Florian Flicker)
- Valie Export-Ikone und Rebellin, 2015 (Regie: Claudia Müller)
- Maikäfer flieg, 2016 (Regie: Miriam Unger)
- Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen, 2022 (Regie: Claudia Müller)
Theatermusik zu (Auswahl)
- Happy Ends (Regie: Tanja Witzmann) Kosmos Theater, 2004
- Von morgens bis mitternachts (Regie: Tina Lanik) Residenztheater München, 2007
- Ende gut, alles gut (Regie: Niklaus Helbling) Akademietheater Wien, 2008
- Der Alpenkönig und der Menschenfeind (Regie: Michael Schachermaier) Burgtheater, 2012
- Proletenpassion ff. (Regie: Christine Eder) Werk X, 2015
- Alles Walzer, alles brennt (Regie: Christine Eder) Volkstheater Wien, 2016
- Verteidigung der Demokratie (Regie: Christine Eder) Volkstheater Wien, 2018
- Hyäne Fischer – Das totale Musical (Konzept & Künstlerische Leitung: Marlene Engel) Volksbühne Berlin, 2022
Quellen
- Happy Ends. Eine irritative Pop-Performanz für drei Frauen und einen Geist. In: Der Standard, 30.03.2004 [Stand: 16.12.2024]
- Christina Nemec: Feministische Netzwerke analog/digitial und deren Alltagspraxen und –tauglichkeiten. 03.2005 [Stand: 16.12.2024]
- Manuel Fronhofer et al.: AustroTOP-Die 100 wichtigsten österreichischen Popsongs. In: The Gap, 14.4.2020 [Stand: 16.12.2024]
- Ö1 Radiokolleg: Lexikon der österreichischen Popmusik (4). Gustav zwischen Laptop und Chanson. Gestaltung: Thomas Mießgang 20.07.2023 [Stand: 16.12.2024]
Literatur
- Austria-Forum: Amadeus-Verleihung 2005 [Stand: 16.12.2024]
- Haus für Poesie: Gustav [Stand: 16.12.2024]
- music austria musikdatenbank: Gustav [Stand: 16.12.2024]
- Österreichisches Musiklexikon online: Jantschitsch, Eva (Pseud. Gustav) [Stand: 16.12.2024]
- Radio FM4: Die Großen 100 – die besten österreichischen Songs des 21. Jahrhunderts [Stand: 16.12.2024]
- Verleihung Österreichischer Filmpreis 2013 [Stand: 16.12.2024]
- Werk X: Proletenpassion 2015 ff. [Stand: 16.12.2024]
- Wiener Frauenpreis an Eva Jantschitsch aka "Gustav" [Stand: 16.12.2024]
- Wikipedia: Riot Grrrl [Stand: 16.12.2024]
Eva Jantschitsch im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Weblinks
- Austria-Forum: Gustav [Stand: 16.12.2024]
- Dokwebnet: 5 1/2 Roofs [Stand: 16.12.2024]
- Österreichisches Filminstitut: Oh Yeah, She Performs! [Stand: 16.12.2024]
- Österreichisches Filminstitut :Grenzgänger [Stand: 16.12.2024]
- Österreichisches Filminstitut: Maikäfer flieg [Stand: 16.12.2024]
- Österreichisches Filminstitut: Elfriede Jelinek-Die Sprache von der Leine lassen [Stand: 16.12.2024]
- Gangstergirls [Stand: 16.12.2024]
- Nachtkritik.de [Stand: 16.12.2024]