Ernährungslage im Nachkriegs-Wien
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte die Versorgung der Wiener Bevölkerung mit Lebensmitteln eine der Hauptprobleme dar, mit der sich sowohl die Alliierten, die Österreich von 1945 bis 1955 besetzten (Alliierte Besatzung), als auch die neu eingesetzte Verwaltung konfrontiert sah. Die Frage der Ernährung und der Lebensmittelversorgung der Wiener Bevölkerung prägte den Alltag zu dieser Zeit maßgeblich, da die Ernährungslage bis 1947 angespannt blieb.
Letzte Kriegswochen
In den letzten Kriegswochen erfolgte die Versorgung der Wiener Bevölkerung durch das städtische Ernährungsamt mit Hilfe von Reichslebensmittelkarten der 74. Versorgungsperiode. Die zugeteilten Mengen betrugen: Pro Kopf 20 dkg Bohnen und Erbsen, 5 dkg Speiseöl, 15 dkg Fleisch und ein Achtel kg Zucker.
Anfangsphase der Nachkriegsversorgung
Nach dem Zusammenbruch der geordneten Versorgung infolge des Kampfs um Wien und der ersten Nachkriegswochen übernahm ab Mai 1945 die Wiener Stadtregierung wieder deren Organisation. Am 25. Mai 1945 ordnete Bürgermeister Theodor Körner die Beschlagnahme aller in gewerblichen Betrieben vorhandenen Lagerbestände an. Daraus erhielt jede Person 5 dkg Speiseöl und dkg Hülsenfrüchte. Die Molkereien des Stadtgebiets lieferten rund 3000 Liter Milch täglich, wodurch ein Teil der Säuglinge ein Viertel Liter Milch erhielt. Ab dem 1. Juni 1945 erfolgte die regelmäßige Versorgung durch die sowjetische Besatzungsmacht bis 22. September 1945. Normalverbraucher erhielten rund 1.500 kcal täglich und 20 dkg Salz pro Versorgungsperiode und 12 dkg Ersatzkaffee. Die Verteilung der Nahrungsmittel erfolgte anfangs nur zonenweise. In weiterer Folge wurde ein „Wienertopf“ beschlossen. Am 26. September 1945 wurde die Lebensmittelaufbringung und Verteilung von vier Besatzungskommandanten an die Stadt Wien übergeben. Die gerechte Verteilung der Lebensmittel hinderten auch lokale Egoismen. So suchten Bewohner des 3. Bezirks die dort gelagerten Fleisch-Vorräte ausschließlich für sich zu reklamieren.[1]
Hamstern und Schleichhandel
Wer keinen Schrebergarten besaß oder über besondere Beziehungen zu den Besatzungsmächten verfügte, konnte nur über Tauschhandel das Überleben sichern. Dazu bot sich die Möglichkeit durch Hamsterfahrten in die nähere oder weitere ländliche Umgebung. Um diese ungeordnete Versorgung zu verhindern, erließ das Ernährungsdirektorium der Regierung im Juni 1946 ein generelles Rucksackverbot. Dieses konnte den illegalen Tauschhandel freilich nicht völlig unterbinden, zu groß war die Not. Ähnliches galt für Schwarzmarkt mit seinen Zentren im Resselpark vor der Technischen Hochschule und am Naschmarkt. Diese unterlagen insbesondere auch Alliierten Polizeikontrollen.
Razzia beim Schwarzmarkt auf dem Naschmarkt, Juni 1946
Schwarzmarkt im Resselpark, um 1946.
Tauschhandel zwischen französischen Soldaten und österreichischer Bevölkerung oberhalb der Radetzkykaserne, Juli 1947
Von der Versorgungskrise 1946 bis zur Aufhebung der Rationierung
Bis zum Frühjahr 1946 kam es zu einem starken Rückgang der Zuteilungen. 18 bis 70jährige erhielten 1.000-1.200 kcal. Den Tiefpunkt bildete die 12. Versorgungsperiode vom 10. März bis 6. April 1946. Bis Ende März 1946 wurde Wien mittel Alliierten-Hilfe versorgt. Ab 5. April 1946 übernahm die österreichische Kommission der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) diese Aufgabe. Es dauerte bis zum November 1946, bis die Tagesration auf durchschnittlich 1.550 kcal. gehoben werden konnte. Im Lauf des Jahres 1947 stieg sie auf 1.800 kcal. Das Jahr 1948 brachte eine erste Normalisierung auf 2.100 kcal, die durch die Rekordernte 1949 weiter gefördert wurde. Das Bezugskartensystem wurde nun schrittweise aufgegeben. Der Bezug von Lebensmittel auf Lebensmittelkarten konnte jedoch erst am 1. Juli 1953 vollständig eingestellt werden.
Literatur
- Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947, Wien 1949
- Karl Vocelka: Trümmerjahre Wien 1945-1949. Wien/München: Jugend & Volk o.J.
- Gerhard Milchram, Internationale Anstrengungen zur Linderung der Not in Wien. In: Wien Museum Magazin, 17.9.2020
- Carina Grausenburger „Ein voller Bauch …“. Die Lebensmittelversorgung Wiens, vor allem aber der Wiener Kinder und Jugendlichen in den Jahren 1945-1953 (ungedruckte Diplomarbeit Unviversität Wien), 2009
- Irene Bandhauer-Schöffmann, Ela Hornung: Von der Trümmerfrau auf der Erbse. Ernährungssicherung und Überlebensarbeit in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Wien. L'Homme Z.F.G. 2. Jg./1.H. Wien 1991
Weblinks
Referenzen
- ↑ Karl Vocelka: Trümmerjahre Wien 1945-1949. Wien/München: Jugend & Volk o.J., S. 16.