Erich Lessing

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Daten zur Person
Personenname Lessing, Erich
Abweichende Namensform
Titel Prof.
Geschlecht männlich
PageID 35361
GND 119157004
Wikidata Q87291
Geburtsdatum 13. Juli 1923
Geburtsort Wien
Sterbedatum 29. August 2018
Sterbeort Wien
Beruf Fotograf
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
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Recherche
Letzte Änderung am 8.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Dr.-Karl-Renner-Preis (Verleihung: 1970)
  • Prix Nadar (Verleihung: 1966)
  • Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (Verleihung: 31. Juli 1992, Übernahme: 21. Dezember 1992)
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold (Verleihung: 7. Juni 2000, Übernahme: 27. August 2000)
  • Preis der Stadt Wien für Angewandte Kunst (Verleihung: 1976)
  • Staatspreis für Fotografie (Verleihung: 1997)
  • Imre-Nagy-Gedenkplakette der Republik Ungarn
  • Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (Übernahme: 27. August 2013)
  • Ehrenmitglied im Wiener Künstlerhaus


Erich Lessing, * 13. Juli 1923 Wien, † 29. August 2018 Wien, Fotograf.

Biografie

Erich Lessing kam in Wien als Sohn einer Konzertpianistin und eines Zahnarztes auf die Welt. Als er zehn Jahre alt war, verstarb sein Vater an Krebs und die Familie musste sich in krisenhaften Zeiten alleine zurechtfinden. Schon als Schüler interessierte er sich für die Fotografie. Als er 13 Jahre alt war, bekam er seinen ersten Fotoapparat.

Die Beraubungs-, Vertreibungs- und spätere Ermordungspolitik des NS-Regimes zwang ihn, als gerade einmal 16 Jahre alten Gymnasiasten jüdischer Herkunft, 1939 vor der Verfolgung des NS-Terrors in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina zu fliehen. Familie und Freunde haben den Holocaust in Wien nicht überlebt. Seine Mutter und seine Großmutter wurden in Auschwitz und Theresienstadt ermordet.

Lessing schaffte es jedoch, in Palästina Fuß zu fassen und begann in Haifa an der bereits 1924 gegründeten Universität "Technion" ein Studium der Radiotechnik, das er sich als Taxifahrer und Karpfenzüchter in einem Kibbuz finanzierte. Jenseits des eigentlichen Themas seiner Ausbildung kam er am Technion auch mit einem deutschsprachigen Kreis von Emigrantinnen und Emigranten in Kontakt, der sich um die Vermittlung von Poesie, Literatur und Geschichte an die Studierenden bemühte. Zu diesem Kreis gehörten unter anderen Arnold Zweig, Else Lasker-Schüler oder Luis Fürnberg. Die dort diskutierten humanistischen Werte sollten Lessing nachhaltig prägen. Die Fotografie betrieb er parallel dazu als Hobby, das er jedoch bald zum Beruf machen sollte, als er die Chance bekam, damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten – er arbeitete unter anderem als Fotograf für die britische Armee.

Sein großer Plan war, nach Paris zu gehen und dort die Filmakademie zu besuchen. Frankreich war jedoch nicht sehr freizügig mit der Visa-Vergabe. So kehrte Erich Lessing 1947 schließlich nach Wien zurück und begab sich als Fotograf auf Arbeitssuche. Über die Vermittlung seiner späteren Frau und "Time Magazine"-Korrespondentin für Österreich und Osteuropa, Traudl Wiglitzky, gelang es ihm, eine erste Anstellung bei "Associated Press" zu bekommen. In den kommenden zehn Jahren sollte er sich als international anerkannter Fotoreporter etablieren.

Ein wichtiger Schritt dahin war die Mitgliedschaft bei der von Robert Capa kurz zuvor auf den Weg gebrachten Fotoagentur "Magnum". Unter anderem ob des damals neuen Prinzips, dass die Mitglieder auch zu Miteigentümerinnen und Miteigentümern der Agentur selbst wurden und zudem redaktionell Einfluss nehmen durften, versammelte sich dort rasch das Who-is-Who der internationalen Fotografieszene. Lessing war fast von Beginn an dabei und zählt mit der Mitgliedsnummer 10 neben anderen berühmten Namen, wie Henri Cartier-Bresson, George Rodger oder Eve Arnold, zu den Mitbegründern dieses innovativen Konzepts. Magnum öffnete ihm die Tür zu den ganz großen internationalen Magazinen wie "Life", "Look" oder "Fortune" in den USA, "Quick" und "Stern" in Deutschland oder "Epoca" in Italien. Lessing konzentrierte sich in der Folge auf internationale Politik und fotografierte so zum Beispiel für "Quick" die erste Sitzung des Europarates, vernachlässigte aber auch nicht die Entwicklungen in Österreich. Wien war für ihn spätestens seit Mitte der 1950er Jahre meist nur mehr eine Zwischenstation nach Osteuropa. Jedoch gilt er bis heute nicht nur aufgrund seiner epochemachenden Dokumentation der Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955, sondern auch dank seiner einfühlsamen Street-Photography aus dem Wien der Nachkriegszeit als "der" Fotograf des österreichischen Zeitgeschehens.

Ab 1954 fokussierte er mit dem Gedanken, dass es dort politisch Bewegung geben könnte, auf Osteuropa und überredete die Redaktion des Magazins "Life", Reportagen über die vier wichtigsten Staaten des Ostens – die DDR, Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn – zu machen. 1956 sollte sich seine Wahrnehmung eines kommenden Wandels in Ungarn letztlich tragisch bewahrheiten. Durch sein frühes Erkennen der Situation konnte er nicht nur die katastrophalen Spitzen der Ereignisse, sondern auch das stete Werden, die Anfänge, den Ausbruch und schließlich das blutige Ende des ungarischen Aufstands gegen den Stalinismus in bewegenden Aufnahmen dokumentieren. Seine Arbeiten aus dieser Zeit zeigen deutlich, was er später auch immer betonen sollte: nämlich, dass es nicht an erster Stelle der Fotoreporter, sondern der politische Mensch Lessing war, der es vermochte, die Empathie mit den Unterdrückten in eindrucksvollen Bildern zu überliefern.

Vor allem ab 1960 verließ er zunehmend das Tagesgeschehen und widmete sich, parallel zu dokumentarischen Aufnahmen, dem Sujet des Porträts bekannter Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft, darunter Charles de Gaulle, Golda Meir, Bruno Kreisky, Konrad Adenauer oder Herbert von Karajan. Es waren aber nicht nur die internationalen Größen, die ihn interessierten. Auch der junge Friedensreich Hundertwasser wurde Anfang der 1950er Jahre von ihm im Wiener Art Club fotografisch festgehalten. Lessing scheute sich jedoch stets, sich als Porträtfotografen zu bezeichnen. Dafür sei er zu schüchtern, wie er in Interviews betonte. Vielmehr wären die Aufnahmen von Personen aus der Aktion geboren – aus dem Leben, das er versuchte zu dokumentieren.

Spätestens ab 1963 mit der Veröffentlichung des historischen Bildepos "Imago Austriae" begann eine Zeit großer systematischer Studien zu allen Feldern der Kultur. Es schien fast so, als ob die geistige Atmosphäre der kleinen Gruppe deutschsprachiger Migrantinnen und Migranten in Haifa sich nun über die Politik des Zeitgeschehens erhob und sich im Auge des Fotografen verwirklichen wollte. So entstanden über die Jahrzehnte unzählige bedeutende Werke, die Lessing in konsistent edierten Sammelbänden oder im Rahmen von Illustrationen zu kultur-, kunst- oder architekturhistorischen Studien veröffentlichte. Unter Auslassung der internationalen Ausgaben handelt es sich dabei um mehr als 70 meist höchst erfolgreiche Bildbände, gespeist aus einem Archiv von zehntausenden Fotografien.

Besonders hervorzuheben sind Werke zur antiken Mystik und Religionsgeschichte wie "Die Odyssee" (1965), "Die Arche Noah" (1966), "Die Bibel" (1968), "Der Mann aus Galiläa" (1971), "Paulus" (1980) oder "Die griechischen Sagen" (1977). Zudem erschienen Großbände über die Spanische Hofreitschule (1972) und die Pariser Oper (1975). Neben den historischen Werken produzierte Erich Lessing auch eine Serie von fotografischen Landschaftsessays wie die "Traumstraßen" (1973 beziehungsweise 1978). 1979 fotografierte Lessing die Judaica-Sammlung von Max Berger, 1983 die Zirkusprogramme von André Heller. Daneben lieferte Erich Lessing Illustrationen für zahlreiche Werke, etwa das "Wiener Rathausbuch" (1983), "Das ist Österreich" (1985), "Wien" (1985), "Stadtchronik Wien" (1986), "Der Wiener Musikverein" (1987) oder "Die italienische Renaissance" (1992). Mehr als 60 Bildbände dokumentieren Lessings fotografisches Werk.

Spätestens seit den 1990er Jahren zeigte sich vor allem unter den österreichischen Kulturschaffenden ein gestiegenes Interesse am fotografischen Schaffen Lessings. 1994 veranstaltete das Historische Museum der Stadt Wien eine große Retrospektive zu den ersten 50 Jahren und ein Jahr darauf folgte damit die Neue Galerie der Stadt Linz. 2001 waren seine Fotos im Palais Palffy und 2002 im Palais Harrach in Wien zu sehen. Das Leopoldmuseum zeigte 2006 eine Ausstellung seiner Fotos vom Ungarnaufstand. 2015 präsentierte seine Tochter Hannah Lessing im Jüdischen Museum Wien am Judenplatz unter dem Titel "Lessing zeigt Lessing" eine persönliche Auswahl aus dem fotografischen Werk ihres Vaters. Die Ausstellung umfasste neben zeit-, sozial- und kulturgeschichtlichen Sujets auch Landschaftsfotos aus Israel.

1996 gründete Erich Lessing zur Verwaltung seines künstlerischen Archivs die "Erich Lessing Kunst- und Kulturarchiv GmbH", die er zunächst selbst leitete. Heute führt seine zweite Frau, die Psychotherapeutin Renée Kronfuss-Lessing, die Firma.

Kurz vor seinem 89. Geburtstag im Juli 2012 eröffnete Erich Lessing in Wien, der einzigen Weltstadt ohne Fotomuseum, wie er oft bemängelte, seine eigene Fotogalerie. Im Jahr darauf überließ er mehr als 60.000 Farbfotografien aus seinem Bestand dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek als Geschenk, um sein Werk langfristig zu sichern. Die Galerie wurde wenige Monate vor dem Tod des Künstlers geschlossen.

Literatur

Link