Erdberger Lichtspiele - Tonkino Capitol

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Rückfront des Kinos Capitol (30. August 1937)
Daten zur Organisation
Art der Organisation Kino
Datum von 1922
Datum bis 10. August 1973
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 57796
GND
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Objektbezug Robert Kotas
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Bildname Kino Capitol 1.jpg
Bildunterschrift Rückfront des Kinos Capitol (30. August 1937)
  • 3., Erdbergstraße 86

Frühere Adressierung
  • Erdberger Lichtspiele (1922, bis: 1929)
  • Tonkino Capitol (1929, bis: 10 August 1973)

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48° 11' 53.69" N, 16° 24' 1.79" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Kino Capitol (1937)
Kino Capitol (1937)
Kino Capitol (1937)
Kino Capitol (1936)

Die Erdberger Lichstpiele (3., Erdbergstraße 86) wurden 1922 gegründet und hatten einen länglichen Saal mit Galerie für 900 Personen. 1929 wurde es in Tonkino Capitol umbenannt. Es bestand bis 10. August 1973.

Erste Jahre: Gründung bis 1938

Im August 1920 erhielt der Wiener Beamte Hugo Kummer für den Standort Wien 3, Erdbergstraße 86 die Erlaubnis für den Bau eines neuen Erdberger Kinos. Der ursprüngliche Name lautete „Kino Kummer“. 1921 erhielt Hugo Kummer die „Kinematographenlizenz“ für das Kino, 1922 wurde der Betrieb eröffnet. Erster Besitzer war die „Erdberger Lichtspiele GmbH“, zu dessen Gesellschaftern im ersten Jahr Kummer und Emil Blomsky gehörten. 1922 bis 1924 folgten Francis Mucchi, 1924 Alois Tremel, 1924 bis 1926 Heinrich Tisch, 1926/1927 Karl Julius Kochendörfer, 1927 Sebastian Kohler sowie ab 1927 Herbst Prochaska, Julius Hahn und Elsa Kohler als Teilhaberinnen und Teilhaber der Gesellschaft.

Die „Erdberger Lichtspiele“ hatten einen länglichen Saal mit Galerie für 900 Personen und zählten zu den größten und beliebtesten Landstraßer Kinobetrieben.

Ab 1922 wurde das Kino für Theatervorstellungen der „Bildungsstelle der städtischen Straßenbahnbediensteten“ des Bahnhofs Erdberg zur Verfügung gestellt.

Das „Capitol“ hatte bis zur Einführung des Tonfilms eine ganz besondere Attraktion: einen Mann,

„der, beim Orchester sitzend, ein verwirrendes Instrumentarium bediente, mit dem er möglichst synchron zum Bild Geräusche lieferte. Er knallte mit einem Kapselrevolver ebenso bravourös bei Tom-Mix- oder Harry-Piel-Abenteuern, wie er es verstand, das Geräusch eines Eisenbahnzuges samt Pfeifen der Lokomotive hervorzurufen. Bei Szenen im Walde erzeugte er Vogelgezwitscher, und das Zuknallen von Türen war für ihn überhaupt kein Problem.“ [1]

1925 ging die Lizenz an den Kriegsinvaliden Otto Woletz. Zwischen 1926 und 1929 kam es immer wieder zu Streitereien um die Konzession für das Kino. So suchten sowohl Woletz als auch Kohler im September 1926 um die Konzession an. Woletz versprach kurz darauf seinen Verzicht, sofern er dafür eine finanzielle Entschädigung bekommen würde. Im selben Monat bat der „Bund der österreichischen Lichtspieltheater“ in einem Empfehlungsschreiben, die Konzession in die Hände der „Alleinbesitzerin und Mieterin des Lokals“ Elsa Kohler (* 1889 Schruns) zu legen, während Woletz als „dauerhafte Belastung“ für den Betrieb bezeichnet wurde. Einen Monat später erhielt Kohler die Konzession für das Kino und nannte es in „Erdberger Lichtspiele“ um. Die Genehmigung war befristet bis 30. Juni 1927.

Am 17. Juni 1927 beantragte der Verein „Organisation der Wiener Presse“ die Konzession für das Kino und hielt in seinem Ansuchen fest, bei Zuerkennung dieser auf das „Westend Kino“ zu verzichten, für den er bereits eine Zusage erhalten hatte. Zur selben Zeit gab die nunmehrige Inhaberin Elsa Kohler bekannt, dass sie auf die erteilte Konzession verzichte, sollte der im März 1927 installierte Geschäftsführer Julius Hahn diese erhalten. Hahn begründete seinen Antrag damit, dass er, verbunden mit hohem finanziellem Risiko, erhebliche Anteile an den Erdberger Lichtspielen erworben hatte. Auf dem Betrieb lastete zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Hypothekenschuld, was laut Hahn das Ehepaar Kohler vor dem Verkauf an ihn verschwiegen hatte. Der Verzicht der Konzession durch die Familie Kohler war so für Hahn mit der Hoffnung verknüpft, den angegriffenen Betrieb zu retten und alleinverantwortlich weiterzuführen. Doch im Juni 1927 erhielt nicht Hahn, sondern der Verein der Wiener Presse die Konzession für die Erdberger Lichtspiele, die vorerst mit 31. Dezember 1928 befristet war. Der Verein bat daraufhin Julius Hahn, weiterhin als Geschäftsführer des Kinos tätig zu bleiben.

Elsa Kohler leitete daraufhin eine Berufung gegen die Vergabe der Konzession ein und begründete diese damit, dass eine „Zwangsenteignung“ stattgefunden habe. Ihr Antrag wurde jedoch von den Behörden abgelehnt, sodass sich Kohler daraufhin in nächster Instanz an den Verwaltungsgerichtshof wandte. Nach Stellungnahmen von Elsa Kohler, Julius Hahn und des Vereins der Wiener Presse kam das Gericht aber zum Entschluss, den Antrag aufgrund von rechtlichen Mängeln abzulehnen. Die Beschwerde sei durch die „Verletzung eines subjektiven Rechts“ zulässig, nicht aber „gegen den Verwaltungsakt, durch den die Konzession einem anderen verliehen worden ist“.

Im Oktober 1928 wurde der Geschäftsführer Julius Hahn durch den 1885 in Brünn geborenen Architekten jüdischer Abstammung Ernst Ticho abgelöst, der das Kino zudem als „Offene Handelsgesellschaft Ing. Ernst Ticho“ gemeinsam mit David Tannenbaum und David Weidenfeld in Pacht übernahm. Die Union des Bühnen- und Kinopersonals bat, der Verpachtung der Kinokonzession nur dann zuzustimmen, wenn davor dem Personal die rückständigen Lohnforderungen ausgezahlt würden. Der Verband der Klein- und Mittelkinos wies seinerseits darauf hin, dass eine Verpachtung der Konzession zulässig sei, nicht aber eine Verpachtung des Betriebs durch den Konzessionär, den Verein der Wiener Presse. Dieser beantragte daraufhin eine Genehmigung, um den Betrieb des Kinos an Ticho und seine Partner verpachten zu dürfen. Die Verpachtung wurde am 29. November 1928 genehmigt.

Im Juli 1929 wurde das Kino von „Erdberger Lichtspiele“ in „Kino Capitol“ und im Zuge der Umstellung auf Tonfilm kurz darauf in „Tonkino Capitol“ umbenannt.

1930 übernahm der 1900 in Czernowitz geborene Kurt Wolanski die Kinopacht, die Geschäftsführung wechselte zeitgleich von Ticho an den 1880 in Wien geborenen Ludwig Kozeny, der gleich darauf einen Antrag für Varietévorstellungen im Kino stellte. Kozeny hatte von 1920 bis 1929 die Raimund Lichtspiele geleitet, die er 1929 an Wolanski übergab, sodass in diesem Falle von einer Art „Kinotausch“ ausgegangen werden kann. 1934 übernahm Wolanski schließlich die Pacht für den „Sascha Palast“, die ihm aufgrund seiner jüdischen Abstammung jedoch 1938 wieder entzogen wurde.

In den folgenden Jahren meldete der „Wiener Waisenrat“ mehrmals Ansprüche auf die Konzession an, doch blieb diese bis zum „Anschluss“ beim Verein der Wiener Presse.

1937 gestaltete der Architekt Georg H. Kreuzer das Kino um.

NS-Zeit

Zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ war Karl Szell Alleineigentümer des Kinos, die Konzession lag zu diesem Zeitpunkt bei der Gewerkschaft der Journalisten Österreichs.

Von der Reichsfilmkammer wurde Theresa Dorschner eine vorläufige Spielerlaubnis für das Kino erteilt, die den Betrieb fortan als „Erdberge Lichtspiele“ führte. Nur wenige Monate nach der erteilten Spielerlaubnis stellte die Familie von Theresa Dorschner einen Antrag für die Aufnahme in die Reichsfilmkammer. Während die Aufnahme von Johann und Franz Dorschner von der Reichsfilmkammer empfohlen wurde, lehnte diese Theresa Dorschner aufgrund ihres „politischen Führungszeugnisses“ ab.

1940 verkaufte Szell das Kino an die aus der Steiermark kommenden Brüder Johann und Othmar Gorten zu je 50 Prozent. Beide waren Mitglieder der NSDAP, wobei Othmar bereits vor dem „Anschluss“ illegales Parteimitglied gewesen war. Rudolf Tretter übernahm die Geschäftsführung. Othmar Gortan lebte weiterhin in Weiz, wo er in der Nachkriegszeit aktives Mitglied der Gemeinderates war und 1955 für seine politischen Tätigkeiten ausgezeichnet wurde; sein Bruder war zu diesem Zeitpunkt in Feldbach gemeldet.

1944 wurde das Kino zwar in die Reichsfilmkammer aufgenommen, die an Dorschner erteilte vorläufige Spielerlaubnis wurde jedoch entzogen.

Während der letzten Kriegswochen wurde das Kino durch einen Bombenangriff schwer beschädigt. Die Aufbauarbeiten zogen sich aufgrund der mangelnden Baumaterialien nach Kriegsende einige Monate.

Nachkriegszeit

Im Juni 1945 beantragte die 1904 in Wien geborene Adele Nitsche die Berufung als „öffentliche Verwalterin“ des Capitol Kinos. Ihren Antrag begründete sie mit ihrem Leiden während des NS-Regimes als Leiterin einer Gruppe der österreichischen Widerstandsbewegung. Einen Monat später beantragte auch Karl Janizek die Konzession für den Betrieb. In seinem Antrag bat er darum, im Falle einer Ablehnung seines Gesuches zumindest als Geschäftsführer des Kinos eingesetzt zu werden. Seinen Antrag begründete er ebenfalls mit seinem Leiden während der NS-Zeit sowie seinem Invalidenstatus aufgrund von schlechten Haftbedingungen unter den Nationalsozialisten. Im Herbst 1945 wurde Dr. Alfred Migsch als öffentlicher Verwalter eingesetzt, führte jedoch seine Tätigkeit de facto nicht aus, da das Kino noch nicht in Betrieb genommen werden konnte.

Am 31. August 1948 wurden Betrieb und Konzession von den Gebrüdern Gortan, die im Zuge der „Entnazifizierung“ das Kino zurückerhalten hatten, an die wiedergegründete gemeindeeigene Kinobetriebsanstalt Gesellschaft m.b.H. verpachtet.

Kurz darauf wurde der Pachtvertrag von der Magistratsabteilung 69 als nichtig erklärt, da der Vertrag dem Magistrat der Stadt Wien nie vorgelegt und so von dieser folglich nicht genehmigt worden war. Die letztliche Genehmigung scheint jedoch in den folgenden Monaten doch erfolgt zu sein, denn im November 1948 trat Migsch von der öffentlichen Verwaltung mit folgende Begründung zurück:

„Das Kapitol-Kino [!] wurde während des Krieges schwer bombenbeschädigt, trotzdem aber unter öffentliche Verwaltung gestellt. In der Folge wurde die Konzession der KIBA − Kinobetriebsges. m.b.H. erteilt, die das Unternehmen, in dem die öffentliche Verwaltung niemals ausgeübt worden ist, nach Wiederaufbau von den Besitzern, den Brüdern Gortan, gepachtet hat. Die öffentliche Verwaltung war daher mangels Voraussetzungen auch formell aufzuheben.“

1962/1963 wurde an der Stelle des alten Gebäudes eine neue städtische Wohnhausanlage (Architekt: Ferdinand Riedl) errichtet. Das einstige Kino mit seinen 900 Sitzen musste der Assanierung weichen. Der neue Kinobereich, der nach Plänen von Robert Kotas gestaltet wurde, wurde mit Ausrichtung in die Kundmanngasse mit 604 Sitzplätzen erneut unter dem Namen „Capitol Kino“ errichtet. Der Kinobetrieb musste jedoch bereits zehn Jahre nach seiner Eröffnung, am 10. August 1973, für immer geschlossen werden.

Siehe auch: Kino

Quellen

Literatur

  • [kalender.weiz.at/stadtarchiv/altechronik.pdf Susanne Kropac [Hg.]: Franz Hauser / Leopold Farnleitner: Acht Jahrhundert Weiz – Fünzig Jahre Stadt. Weistum und Chronik. Weiz 1982, ergänzt um den Folgeband bis 1985 und strukturiert aufbereitet von Susanne Kropac. Weiz: Stadtarchiv Weiz 2002]
  • Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 204-205

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karl Hans Koizar: Film und Kino. Die Pioniere I. Wien 1986, S. 48.