Eipeldauer-Briefe

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Titelblatt der Eipeldauerbriefe
Daten zur Organisation
Art der Organisation Zeitung
Datum von 1785
Datum bis 1821
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 11819
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 15.07.2020 durch WIEN1.lanm08mic
Bildname Eipeldauerbriefe.jpg
Bildunterschrift Titelblatt der Eipeldauerbriefe

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Eipeldauer-Briefe. Erschienen unter wechselndem Titel zunächst in Form zweier Broschüren (1785, 1787), ab Ende 1792 (Datierung 1793) regelmäßig bis 1821 als halbmundartlich abgefasste Volkszeitschrift, in der aktuelle Ereignisse kritisch und satirisch kommentiert wurden; Herausgeber waren 1785-1813 Joseph Richter, 1813-1819 Franz Xaver Karl Gewey und 1819-1821 Adolf Bäuerle.

In der Rahmenerzählung der Eipeldauer-Briefe avanciert der aus Leopoldau ("Eipeldau") stammende fiktive Erzähler vom ehemaligen Bauern zum kleinen Beamten, der das Stubenmädchen seines Vorgesetzten heiratet und als Spaziergänger zum Chronisten Wiens wird; seine Beobachtungen teilt er in Briefform seinem als Spießbürger modellierten Vetter in Kagran mit. Vorbilder für die Figur des Eipeldauers waren der Hanswurst der Wiener Volkskomödie, der von Joseph von Sonnenfels in seinem "Mann ohne Vorurteil" als "edler Wilde" konzipierte "Capa-Kaum" sowie die Figur des Marokkaners in Johann Pezzls "Marokkanischen Briefen". Die zweite Hauptfigur ist die Ehefrau des Eipeldauers, die durch ihre Affären und Tätigkeiten (unter anderem als Bodellwirtin, Häusernegoziantin und Inflationsspekulantin) Einblicke in Lebensbereiche liefern kann, die dem Eipeldauer verschlossen bleiben, weitere Erzählfiguren (etwa der den französischen Moniteur lesende Schneider, der revolutionäre "Hundsdoctor" oder der reaktionäre "pulitische Schustermaster") dienen unter anderem zur satirischen Darstellung politischer Weltanschauungen zur Zeit der französischen Revolution (Jakobiner).

Die Briefe weisen einen starken Realitätsbezug auf und sind eine Fundgrube für Wiener Lokalereignisse, aber auch für die Dialektforschung, wobei sie sich einer "an die natürliche Mundart angelehnte[n], aber doch künstlich verfremdete[n] Dialektsprache"[1] bedienen. Sie nehmen zu allem Stellung, was in Wien und in den Vorstädten an Drolligem, Merkwürdigem und Rügenswertem vorfiel, berichten vom öffentlichen Gesellschaftsleben, von der Entstehung der modernen Geschäftswelt und Modeneuheiten, womit sie eine wichtige Quelle der Stadtbeschreibung Wiens darstellen.

Die politische Ausrichtung der Eipeldauer-Briefe wurde zunächst von den zeitgenössischen Behörden und in der Folge auch durch die Forschung unterschiedlich beurteilt; insgesamt wurden teils spätaufklärerische und spätjosephinische, teils restaurative und konservative Tendenzen vertreten. Belegt ist, dass Joseph Richter ab 1802 finanziell durch geheime Polizeigelder unterstützt wurde, um mit dem Eipeldauer weiter im Sinne der Obrigkeit zu wirken.[2] Unter der Autorschaft von Gewey kippte die Satire teilweise in Diffamierung und steigerte sich der Patriotismus des Eipeldauers zu Chauvinismus; sein "Eipeldauer" war als Reaktionär im Unterschied zu Richters Figur Neuerungen gegenüber skeptisch bis ablehnend eingestellt, während Bäuerles "Eipeldauer" dem Neuen wieder positiver gesinnt gegenüberstand.

Die Nachfolge der Eipeldauer-Briefe trat mit ähnlichen Zielen ab 1832 die Zeitschrift Hans-Jörgel an.

Titel der Eipeldauer-Briefe:

  • 1785, 1787, 1792-1797: Briefe eines Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kakran, über d'Wienstadt
  • 1799-1801: Der wiederaufgelebte Eipeldauer
  • 1802-1813: Briefe des jungen Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kakran
  • 1813-1819: Briefe des neu angekommenen Eipeldauers an seinen Herrn Vettern in Kakran
  • 1819-1821: Briefe des jüngsten Eipeldauers

Ausgaben der Eipeldauer-Briefe

Literatur

  • Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1994, S. 248–298
  • Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. Wien: Neff 1972, S. 96 f.

Einzelnachweise

  1. Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1994, S. 283.
  2. Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1994, S. 248, 262-265, 282 f.