Doron Rabinovici

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Daten zur Person
Personenname Rabinovici, Doron
Abweichende Namensform
Titel Dr.
Geschlecht männlich
PageID 36020
GND 115832874
Wikidata Q88072
Geburtsdatum 2. Dezember 1961
Geburtsort Tel Aviv
Sterbedatum
Sterbeort
Beruf Schriftsteller, Historiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Gedenktage, Gedenktage-GW
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Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Ernst-Robert-Curtius-Förderpreis (Verleihung: 1997)
  • Preis der Stadt Wien für Publizistik (Verleihung: 7. Juni 2000, Übernahme: 1. Dezember 2000)
  • Förderpreis zum Heimito von Doderer-Preis (Verleihung: 2000)
  • Förderpreis zum Mörike-Preis der Stadt Fellbach (Verleihung: 2000)
  • Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg (Verleihung: 2002)
  • Jean-Améry-Preis für Essayistik (Verleihung: 2002)
  • Willy und Helga Verkauf-Verlon Preis (Verleihung: 2007)
  • Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans (Übernahme: 9. September 2011)
  • Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (Verleihung: 2015)
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
    (Übernahme: 10. November 2022)


Doron Rabinovici, * 2. Dezember 1961 Tel Aviv, Schriftsteller, Historiker.

Biografie

Doron Rabinovicis Vater David gelang 1944 die Flucht aus Rumänien nach Palästina. Seine Mutter Schoschana stammte aus Wilna, wo sie das berüchtigte Ghetto überlebte. Sie kam in den 1950er Jahren nach Israel und schilderte ihr Schicksal als Überlebende in dem Band "Dank meiner Mutter" (Frankfurt am Main 2009).

Aufgewachsen ist Rabinovici jedoch in Österreich – seine Eltern gingen bereits 1964 aus beruflichen Gründen nach Wien, wo er Geschichte, Ethnologie, Medizin und Psychologie studierte. Das Studium schloss er mit Promotion ab, die Arbeit erschien unter dem Titel "Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938–1945. Der Weg zum Judenrat" (Frankfurt am Main 2000). Rabinovici hat sich seither als Historiker, Schriftsteller und streitbarer Essayist etabliert, der auch vor politischen Kontroversen nicht zurückschreckt.

Als Schriftsteller sorgte er gleich mit seinem Erstling "Papirnik. Stories" (Frankfurt am Main 1994) für Aufsehen und wurde einer der bekanntesten Suhrkamp-Autoren, die aus Österreich stammen. Sein zweiter Prosaband "Suche nach M." nennt sich zwar Roman, gliedert sich aber in zwölf Episoden, die lose – wie der an Fritz Langs Film "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" gemahnende Titel nahelegt – von Mördern und Morden aus den unterschiedlichsten Beweggründen handelt. Große Erfolge feierte Rabinovici mit seinen Romanen "Ohnehin" (Frankfurt am Main 2004) und "Andernorts" (Frankfurt am Main 2010) – letzterer stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Für beide Werke gilt, was die Jury des von der österreichischen Industrie gestifteten Anton-Wildgans-Literaturpreises, den Rabinovici im Jahr 2011 erhielt, feststellte. Der Autor, so heißt es in der Begründung, setze sich "in seinem literarischen Werk konsequent mit Fragen von Identität und Geschichte auseinander. Wie komplex sich Geschichte manifestiert, Vergangenheit und Gegenwart einander durchdringen, erzählt er mit sanfter Genauigkeit, erzählerischem Raffinement und mit Witz."

Als Romancier trat Rabinovici zuletzt mit "Die Außerirdischen" (Frankfurt am Main 2017) hervor, die von einer Landung zunächst scheinbar harmloser Aliens auf der Erde berichtet. Bald stellt sich aber heraus, dass die Gäste aus dem All sich von Menschenfleisch zu ernähren gedenken und um freiwillige Opfer bitten. Mit der Zeit sieht sich die Menschheit – so der Rezensent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" – einer "perfiden Tötungsmaschinerie" gegenüber, "die in Brutalität und Menschenverachtung an NS-Konzentrationslager heranreicht". Doch die Besprechung hält den Band für eine allzu "grelle satirische Parabel" und begreift sie als "sensationslüsterne[s] Buch". Im Mai 2018 hielt Doron Rabinovici die Salzburger Stefan-Zweig-Poetikvorlesung, die unter dem Titel "I wie Rabinovici" (Wien 2019) verlegt wurde.

Der Historiker und Schriftsteller Doron Rabinovici ist freilich ohne den kritischen Essayisten mit seinen "Einmischungen“, die gesammelt unter dem Titel "Credo und Credit" (Frankfurt am Main 2001) erschienen sind, nicht denkbar. In diesen Texten nimmt der Intellektuelle Stellung zu aktuellen Problemen. So beteiligte er sich aktiv am Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahre 2000, was sich auch in dem gemeinsam mit Robert Misik herausgegebenen Band "Republik der Courage. Wider die Verhaiderung" (Berlin 2000) manifestiert. Zudem zählt Rabinovici seit 1986 zum Republikanischen Club, der sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtspopulismus wendet.

In seiner Rede zur Verleihung des Anton-Wildgans-Preises fasste Rabinovici sein Credo unter dem Titel "Auf den Granaten der Vergangenheit" wie folgt in Worte: "Literatur weiß um diese Sprengsätze der Geschichte, aber sie kann auch die Zündler der Gegenwart benennen. An den Worten erkennt sie die Brandstifter. Poesie entschärft keine Bombe, aber sie lotet die Scharfmacher aus, ob sie aus Wilna kommen oder aus Wien. Sie kennt unsere innersten Minenfelder. Sie weiß von den Verbrechen der Vergangenheit, vergisst aber nicht jene, die heute zu Opfern von Krieg und Folter werden, die hier Zuflucht suchen und auf Argwohn stoßen. Sie fragt, was war, um auszusagen, wie es gewesen sein wird. Sie macht uns verstehen, warum, was einmal geschah, immer wieder geschehen kann. Sie erlaubt mir den Blick auf das Andere, auf das Abseitige. Sie bringt zur Sprache, wie es sie uns verschlägt. Sie will täglich wissen, was mir denn wieder einfällt, und sie gibt sich erst zufrieden, wenn ich dem Unerhörten folge, dem Ungehörigen nachgehe."

Dem Unerhörten ging Rabinovici auch seither in zahlreichen Projekten nach. Anlässlich des 75. Jahrestags der Pogromnacht am 9. November 1938 lancierte er 2013 am Burgtheater gemeinsam mit Matthias Hartmann die Produktion "Die letzten Zeugen", die im Jahr darauf zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Sein Engagement brachte er auch 2018 in der Dramacollage "Alles kann passieren" (Zsolnay 2018) auf die Bühne. Nach einer Idee des Journalisten Florian Klenk lieferte das Polittheater ein Potpourri aus Texten und Äußerungen rassistisch auffälliger Populisten, die in Europa politische Macht innehatten und haben. Das Mosaik, das nur von wenigen Sätzen umrahmt wird, die von Rabinovici stammen, erlebte mehrere Aufführungen am Wiener Burgtheater.

Seine Rolle als empfindlicher wie empfindsamer Seismograph auffälliger gesellschaftlicher Eruptionen belegen etliche Bände, die Rabinovici mit anderen engagierten Publizisten herausgab, wie etwa "Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte" (Frankfurt am Main 2004), "Von der Kunst der Nestbeschmutzung. Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986" (Wien 2009) und zuletzt "Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte" (Frankfurt am Main 2019).

Werke (Auswahl)

Belletristisches und essayistisches Werk

  • Doron Rabinovici: Papirnik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994
  • Doron Rabinovici: Suche nach M. Roman in 12 Episoden. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997
  • Doron Rabinovici: Credo und Credit. Einmischungen. Essay. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001
  • Doron Rabinovici: Ohnehin. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004
  • Doron Rabinovici: Das Jooloomooloo. Kinderbuch mit Illustrationen von Christina Gschwantner. Wien: Edition Jooloomooloo 2008
  • Doron Rabinovici: Andernorts. Roman. Berlin: Suhrkamp 2010
  • Doron Rabinovici: Herzl reloaded – kein Märchen (mit Natan Sznaider). Berlin: Suhrkamp 2016
  • Doron Rabinovici: Die Außerirdischen. Roman. Berlin: Suhrkamp 2017
  • Doron Rabinovici: Nacherzählung von Gullivers Reisen von Jonathan Swift. Berlin: Insel bei Suhrkamp 2017
  • Doron Rabinovici: "Alles kann passieren!" Ein Polittheater, nach einer Idee und mit einem Nachwort von Florian Klenk. Wien: Zsolnay 2018
  • Doron Rabinovici: I wie Rabinovici. Zu Sprachen finden. Wien: Sonderzahl 2019

Wissenschaft und Publizistik

  • Doron Rabinovici: Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938–1945. Der Weg zum Judenrat. Frankfurt am Main: Jüdischer Verlag 2000
  • Robert Misik/Doron Rabinovici: Republik der Courage. Wider die Verhaiderung. Berlin: Aufbau 2000
  • Doron Rabinovici: Österreich. Berichte aus Quarantanien. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000
  • Doron Rabinovici / Ulrich Speck / Natan Sznaider [Hg.]: Neuer Antisemitismus? Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004
  • Doron Rabinovici: Der ewige Widerstand. Über einen strittigen Begriff. Graz: Styria 2008
  • Doron Rabinovici / Brigitte Lehmann / Sibylle Summer [Hg.]: Von der Kunst der Nestbeschmutzung. Wien: Löcker 2009
  • Doron Rabinovici / Christian Heilbronn / Natan Sznaider [Hg.]: Neuer Antisemitismus? Berlin: Suhrkamp 2019

Literatur:

  • Thomas Thiel: Die Hölle sind wir. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.09.2017
  • Doron Rabinovici: Auf den Granaten der Vergangenheit. In: Der Standard (Wien), 17.09.2011
  • Matthias Beilein: 86 und die Folgen. Robert Schindel, Robert Menasse und Doron Rabinovici im literarischen Feld Österreichs. Berlin: Schmidt 2008

Weblinks