Buchdrucker

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Gremialschule der Buchdrucker Wiens
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Berufsbezeichnung
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Berufswappen
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildname Buchdrucker.jpg
Bildunterschrift Gremialschule der Buchdrucker Wiens


Der Buchdruck wurde um 1450 von Johannes Gutenberg (siehe Gutenbergdenkmal) in Mainz entwickelt; bis zum Ende der Frühdruckzeit (1500) wurden alle damit verbundenen Tätigkeiten vom Buchdrucker ausgeführt, im Laufe der folgenden Jahrhunderte kam es zu Differenzierungen (Schriftgießer, Setzer, Drucker, Druckpressenbauer, Druckfarbenhersteller).

1492 ließ sich, aus Ofen kommend, der Rheinländer Johannes Winterburger in Wien nieder (Offizin in der Krugerstraße; 106 Werke, meist religiösen Inhalts, sind bekannt), darunter das berühmte Heilthumsbuch (1502).

Winterburgers Gehilfe Hieronymus Vietor und der aus Bayern stammende Johannes Singriener der Ältere betrieben bis 1514 gemeinsam eine Offizin, machten sich danach jedoch getrennt selbständig.

Vietor konzentrierte sich auf die Herausgabe von Klassikern und Bibeln, Singriener druckte Schriften des Erasmus von Rotterdam, Joachim Watt und Wolfgang Schmeltzl sowie Musiknoten.

Der Religionskampf führte zu Zensurbestimmungen (1528 wurde in Wien eine Zensurbehörde unter dem Vorsitz des Wiener Bischofs eingesetzt, bei der die Universität das Aufsichtsrecht besaß, 1551 kam es zu bischöflichen Visitationen).

1555 wurden in Wien die ersten Punzen und der erste Schriftguß angefertigt. 1559-1565 betrieben die Jesuiten in Wien eine eigene Druckerei, 1576-1618 befand sich im niederösterreichischen Landhaus eine protestantische Druckerei der Landstände.

Die 1547/1548 gegründete Offizin des Hans Kohl läßt sich auf die heutige Firma Salzer-Ueberreuter fortführen (älteste Wiener Druckerei).

Michael Zimmermann wurde zum Bahnbrecher des Fremdsprachensatzes. 1578 wurde die erste Buchdruckerordnung entworfen. 1579 eröffnete Leonhard Nassinger eine Offizin (damals die vierte in Wien, heute Adolf Holzhausens Nachfolger). 1615 zog Kardinal Melchior Khlesl das Zensur- und Visitationsrecht zur Gänze an sich.

Die 1615-1639 von Matthäus Formica geführte Druckerei erlangte große Bedeutung (ab 1621 wurde die erste periodisch erscheinende österreichische Zeitung [die wöchentliche „Ordinari Zeitung", seit 1780 „Wiener Zeitung“ veröffentlicht).

Im 17. Jahrhundert eröffneten weitere Drucker Offizinen (die 1620 von Wolfgang Schump gegründete Firma kam Ende 17. Jahrhundert an Johann von Ghelen, unter dem sie sich zu einer der bedeutendsten Offizinen der Barockzeit entwickelte).

1675 wurde die erste arabische Druckerei in Wien eingerichtet. Die Buchdrucker unterstanden dem Kaiser und (bis 1767) der Universität; sie waren meist auch Buchhändler.

Um 1700 gab es in Wien acht, 1740 sieben Buchdruckereien. 1753 trat an die Stelle der Zensur durch die Universität die staatliche Bücherzensurkommission; seit 1767 durften Gelehrte ihre Publikationen nur im Inland drucken lassen.

Die Buchdrucker wurden 1767 zu „Commercialhandwerkern" erklärt und anstelle der Universitätsjurisdiktion der Gewerbeaufsichtsbehörde unterstellt. 1771 wurde eine neue Buchdruckerordnung erlassen (Regelung der Lehrlingsausbildung, Arbeitszeit usw.).

Zu den bedeutendsten Buchdruckern gehörten im 18. Jahrhundert neben Ghelen Carl Gerold (der 1816 die [1800 von Alois Senefelder erfundene] Lithographie einführte) und Johann Thomas Trattner (der 1748-1798 den österreichischen Markt beherrschte, eine eigene Schriftgießerei eröffnete, aber auch für seine Raubdrucke berüchtigt war; 1805 von Georg Ueberreuter erworben).

Die gemilderte Zensur unter Joseph II. begünstigte das Zeitungswesen (1783 erschien als erste österreichische Tageszeitung das „Wienerblättchen") und förderte das Druckwesen (1781-1791 wurden in Wien 32 Buchdruckereien neu gegründet, 1788 erklärte Joseph das Buchdruck- und Buchhandelsgewerbe als frei).

Es entstanden lithographische Betriebe (darunter neben Gerold Steiner & Grasnitzky, Joseph Georg Mansfeld, Christian Ludwig Förster [später Rudolf von Waldheim, heute Kurier-Druckzentrum], Joseph Trentsensky und das Lithographische Institut).

Anton Pichler (tätig 1793-1823) wurde durch Klassikerausgaben, Werkdrucke zeitgenössischer Autoren und naturwissenschaftlicher Bücher bekannt, seine Witwe und sein Sohn durch wissenschaftliche und pädagogische Werke.

Der bedeutendste Drucker und Verleger der napoleonischen Ära war Anton Strauß (tätig 1802-1827), Drucksorten, Theateralmanache und Theaterstücke zeitgenössischer Autoren (besonders Grillparzer) produzierte Wallishauser.

1804 wurde die K.k. Hof- und Staatsdruckerei gegründet, 1811 die auf orientalische Drucke spezialisierte Druckerei der Mechitaristen und 1839 das K.k. Militärgeographische Institut (besondere Verdienste um den Druck von Kartenwerken).

Jakob Degen (erster Direktor der Staatsdruckerei [1815]) erfand 1819 den Druck von mit Guillochen versehenen Banknoten und seit 1821 das Mehrfarben-Druckverfahren.

A. Hübl verbesserte das galvanoplastische Verfahren, E. Tschulik baute für die Staatsdruckerei eine Setzmaschine, Leo Müller verbesserte die (1814 in Deutschland auf den Markt gekommenen) Zylinder-Flachform-Buchdruckmaschinen („Schnellpressen") und gründete 1838 mit Fritz Helbig in Wien eine Druckmaschinenfabrik, Georg Sigl baute 1851 in Wien die erste Steindruck-Schnellpresse der Welt, Karl Angerer erfand die „Wiener Ätzmethode", führte weitere richtungweisende Neuerungen ein und gründete 1871 seine Reproduktionsanstalt, Josef Löwy erfand die Erzeugung vielfärbiger Bilder (Kombination von Stein- und Lichtdruck) und errichtete 1872 die erste Anstalt für Lichtdrucke in Wien.

Christoph Reisser ließ 1873 erstmals auf einer von ihm (gemeinsam mit Sigl) konstruierten Rotationsmaschine drucken, Karl Klic entwickelte zwischen 1875 und 1895 die Techniken der Heliogravüre und des Rakeltiefdrucks, Friedrich Jasper führte 1879 die Stereotypie ein, und Emil E. Engel (1847-1910) pflegte als erster in Wien den Kopierdruck.

Die Gewerbeordnung von 1859 beließ das graphische Gewerbe unter den konzessionspflichtigen Gewerben, machte aber die Bildung von Berufsgremien zur Pflicht; am 1. Mai 1860 trat erstmals das Gremium der Wiener Buchdrucker zusammen, am 2. Mai 1881 jenes der Buch-, Stein- und Kupferdrucker; 1872 schlossen sich die Unternehmer zum Deutsch-österreichischen Buchdruckerverein zusammen.

1864 schufen die Arbeiter den „Fortbildungsverein der Buchdrucker" (Vorstufe der heutigen Gewerkschaft Druck und Papier), am 16. August 1868 fand der erste Buchdruckertag in Wien statt, 1869 wurde auf genossenschaftlicher Basis die Erste Wiener Vereinsbuchdruckerei gegründet, der 1870 die Genossenschaftsdruckerei und 1872 die Gesellschaftsbuchdruckerei folgten; 1870 kam es zum ersten organisierten Streik.

1874 wurde aufgrund privater Initiativen eine Fachschule für Buchdruckerlehrlinge gegründet, 1888 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt.

Vor 1914 waren (in Auswahl und alphabetisch geordnet) Eberle, Elbemühl, Fromme, Gerin, Gerold, Gistel, Herzig (später Hermes), Jasper, Manz, Reisser, Rosenbaum, Ueberreuter, Vernay, Waldheim, Wallishauser, Werner und Zamarski (später Steyrermühl) sowie die Staatsdruckerei, die Mechitaristendruckerei und das Sozialistische Druck- und Verlagshaus Vorwärts am bedeutendsten; die Privatkartographie ist durch Freytag & Berndt (siehe Artaria), Hölzle und Piatnik (Spielkarten) vertreten.

1930 konstituierte sich aus dem Hauptverband der Buchdruckereibesitzer Österreichs und dem Verein österreichischer Steindruckereibesitzer der Hauptverband der graphischen Unternehmungen Österreichs.

Seit 1947 wird alljährlich der Wettbewerb zur Ermittlung der schönsten Bücher Österreichs durchgeführt.

Seit den 1960er Jahren verlegten verschiedene Wiener Buchdrucker ihre Betriebe unter Beibehaltung der Wiener Kontakte nach Niederösterreich (darunter Ueberreuter, Strohal, Tusch, Wiener Verlag und Gerin). In Wien gab es (1990) rund 700 graphische Betriebe.

Wappen

Wappen der Buchdrucker von Hugo Ströhl 1904/1910

1904 hat der Heraldiker Hugo Gerard Ströhl Wappen der Genossenschaften vorgelegt, die zur künstlerischen Innenausstattung der Versorgungsheimkirche dienten. Das Wappen der Buchdrucker hat folgendes Aussehen:

In Gold ein nimbierter, rot bewehter, schwarzer Doppeladler, der ein Tenakel und einen Winkelhaken in den Fängen hält. Die Brust ist mit dem Kreuzschilchen der Stadt Wien belegt.

Quellen

Literatur

  • Michael Denis: Wiens Buchdruckergeschichte bis 1560. 2 Bände. Wien: Wappler 1782-1793
  • Jakob Dont: Das Wiener Versorgungsheim. Eine Gedenkschrift zur Eröffnung. Wien: Verlag der Gemeinde Wien 1904, Taf. III
  • Jakob Dont [Hg.]: Der heraldische Schmuck der Kirche des Wiener Versorgungsheims. Mit dem Anhang: Beschreibung der Siegel der ehemaligen Wiener Vorstädte und Vorort-Gemeinden. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 18f., Taf. III
  • Anton Durstmüller / Norbert Frank: 500 Jahre Druck in Österreich. Die Entwicklungsgeschichte der graphischen Gewerbe von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3 Bände. Wien: Hauptverband der Graphischen Unternehmungen Österreichs 1982-1989
  • Jakob Ebner: Wörterbuch historischer Berufsbezeichnungen. Berlin / Boston: de Gruyter 2015, S. 672 (Schriftgießer)
  • Georg Fritz: Geschichte der Wiener Schriftgiessereien seit Einführung der Buchdruckerkunst im Jahre 1482 bis zur Gegenwart [1482 - 1923]. Wien: Berthold 1924
  • Katalog der historischen Ausstellung von Wiener Buchdruck-Erzeugnissen 1482 - 1882 anlässlich der vierten Säcularfeier der Einführung der Buchdruckerkunst in Wien. Wien: Verlag der Section für die historische Ausstellung 1882
  • Franz Maschek: Johann Petri, der erste Buchdrucker in Wien. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 59 (1942), S. 38 ff.
  • Anton Mayer: Wiens Buchdrucker-Geschichte 1482-1822. 2 Bände. Wien: Frick 1883-1887
  • Anton Mayer: Ein kleiner Nachtrag zu Wiens Buchdruckergeschichte (von 1637 bis 1740). In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 48 (1915), S. 65 ff.
  • Anton Mayer: Buchdrucker und Buchhandel. In: Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Band 3/2. Wien: Holzhausen 1907, S. 610 ff.
  • Rudi Palla: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe. Reprint der limitierten Bleisatzausgabe. Frankfurt am Main: Eichborn 1994 (Die andere Bibliothek, 115), S. 287 f.
  • Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 17
  • Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 148 f.