Nußdorfer Brauerei

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Ansicht des Portals der Nußdorfer Brauerei
Daten zur Organisation
Art der Organisation Brauerei
Datum von 1819
Datum bis 1950
Benannt nach Nußdorf (Vorort)
Prominente Personen Franz Xaver Bosch, Karl Adolf von Bachofen
PageID 22177
GND
WikidataID
Objektbezug Bier, Brauhäuser, Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit, 1945 bis heute
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 5.03.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Nußdorfer Brauerei.jpg
Bildunterschrift Ansicht des Portals der Nußdorfer Brauerei
  • 19., Hackhofergasse 9

Frühere Adressierung
  • Altes Brauhaus

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48° 15' 38.59" N, 16° 21' 46.14" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Nußdorfer Brauerei am Generalstadtplan von 1904

Nußdorfer Brauerei (19., Hackhofergasse 9).

1819 erwarb der Jedleseer Brauherr Anton Bosch in der heutigen Hackhofergasse 9 in Zentrum von Nußdorf um 30.000 Gulden ein Grundstück mit Gebäuden des Würffelhofs, das zuvor ein ehemaliges Jesuitenkollegium, und dann für militärische Zwecke verwendet worden war. Dieses Jahr gilt auch als Gründungsjahr der Brauerei.

Inhalt:
  1. Die Ära Franz Xaver Bosch
  2. Die Ära Karl Adolf Bachofen von Echt
  3. Die Ära Johann Medinger
  4. Umwandlung in eine Aktiengesellschaft
  5. Das Ende der Nußdorfer Brauerei
  6. Literatur

Die Ära Franz Xaver Bosch

Anton Bosch gab die Brauerei seinem jüngeren Bruder Franz Xaver weiter. Beide waren die Söhne des Verwalters der Fürsten Öttingen zu Wallerstein in Bayern und hatten dort das Brauhandwerk gelernt. Sie kamen während ihrer Walz nach Wien, arbeiteten einige Jahre als Brauburschen in Jedlesee und kehrten anlässlich des Wiener Kongresses in die Residenzstadt zurück, um hier zu heiraten und sich niederzulassen. Franz Xaver Bosch baute in den folgenden Jahren die Gebäude der Brauerei um. Das Sudhaus wurde in der ehemaligen Kapelle installiert, da sich die hohen Räumlichkeit dafür besonders eigneten. Er braute ein hochwertiges schwarzes Plutzerbier, das seinen Namen von den "Plutzern" hatte, in denen es serviert wurde. Durch einen kleinen Zusatz von Zucker und Reiskörnern bekam es ein künstliches Mousseux und war daher sehr süffig und überaus beliebt.

Franz Xaver Bosch auf der Gedenkmedaille zum 75-jährigen Jubiläum der Nußdorfer Brauerei, 1894

1830 kam es zu einer wesentlichen Vergrößerung des Betriebs und er baute das Haus mit der noch bestehenden Biedermeier-Fassade um. 1837 wurden auch zwei Wasserleitungen gebaut, eine von einer Quelle am Ende der Eichelhofstraße ins Brauhaus und eine zweite, die entlang des Dennwegs führte. Somit wurde die Versorgung mit dem nötigen Brauwasser gesichert und in der Braukampagne 1837/38 wurden 54.000 Eimer Bier gebraut. Bosch legte Lagerkeller in den Berg hinein und errichtete 1845 auf dem Plateau über der Kelleranlage den sogenannte „Bockkeller“. Dieses Aussichtslokal wurde später vielfach vergrößert und mit einem Aussichtsturm gekrönt. Es war einer der schönsten, größten und schattigsten Restaurationsgarten in der Umgebung Wiens mit einer herrlichen Aussicht. Das bis auf wenige Mauern komplett aus Holz erbaute Gebäude brannte im Zweiten Weltkrieg ab. Anstelle des Bockkellers mit dem großen Garten wurden Wohnhäuser errichtet, die darunterliegende Kelleranlage in der Eichelhofstraße ist erhalten.

19., Panorama von Nußdorf, vom Bockkeller aus, Ansichtskarte.

Die Ära Karl Adolf Bachofen von Echt

Fünf Jahre nach dem Tod von Franz Xaver Bosch übernahmen 1865 sein Schwiegersohn Karl Adolf Bachofen von Echt mit Rudolf Mathias Bosch und Georg Rach die Brauerei, nachdem sein Sohn Franz Xaver Bosch jun. infolge eines Sturzes und den dadurch erlittenen Verletzungen das Geschäft nicht mehr führen konnte. Obwohl Bachofen als preußischer Offizier und Zuckerfabrik-Leiter vom Brauwesen nicht viel Ahnung hatte und durch seine Studien nur Theorie des Brauwesens kannte, gelang es Bachofen von Echt die Brauerei wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Er führte weiterhin große Umbauten durch, kaufte neue Brauereieinrichtung und Darren, errichtete einen großen „Felsen-Lagerkeller“ und wurde 1896 von Kaiser Franz Joseph I. zum k.u.k. Hoflieferanten ernannt. Daraufhin ließ er auf allen Geschäftspapieren den Aufdruck „k.u.k. Hofbräuhaus“ anbringen. Das ging nur drei Jahre gut, dann wurde ihnen das untersagt, weil die Brauerei kein ärarisches, also staatliches Unternehmen war. Als Kompromiss konnte man dann mit dem Obersthofmeisteramt die Verleihung des Titels „k.u.k. Hofbräuer“ für Bachofen erreichen. Bereits 1872 wurden 245 500 Eimer Bier gebraut. Seine Spezialität war ein nach bayrischen Grundsätzen gebrautes „St.Thomas-Bräu“, das der Kaiser und angeblich auch seine Gattin liebten.

Porträt des Brauherrn Karl Adolf Bachofen
Nußdorfer Brauerei Bockbier

Die Ära Johann Medinger

Mitte der Neunzigerjahre zog sich Bachofen allmählich von der direkten Leitung der Brauerei zugunsten seiner anderen Interessen zurück und überließ Johann von Medinger die Führung der Brauerei. Johann Medinger trat 1877 in den Betrieb ein und wurde rasch ein zweiter Fachmann an der Seite von Bachofen. Auch er hatte in die Familie Bosch eingeheiratet, hatte zuvor deutsche Brauereien geführt und wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine der ersten Kapazitäten in Wirtschaftskreisen. Er war lange Jahre Präsident des Brauherrenvereins und in dieser Funktion auch der erste Präsident des 1898 gegründeten Centralverbandes der österreichischen brauindustriellen Vereine. In seine Jahre fielen die schwierigen Verhandlungen mit der neugegründeten Gewerkschaft der Brauereiarbeiter um den gemeinsamen Kollektivvertrag der Wiener Brauereien und die Bildung des ersten Bierkartells im Jahr 1907.

Porträt des Brauherrn Johann von Medinger.

1886 erfolgte eine weitere umfangreiche Renovierung, während der eine Lindesche Kältemaschine aufgestellt, die elektrische Beleuchtung eingeführt und mit zwei Dynamomaschinen mit zusammen 58 PS die Umstellung von Dampfbetrieb auf elektrischen Betrieb eingeleitet wurden. Die Brauerei bedeckte damals ein Gelände von 12 Hektar. 1900 braute man den Spitzenwert von 229.000 Hektolitern – nur Schwechat, St. Marx und Liesing brauten damals mehr.

Nußdorfer Brauerei mit Fabriksanlagen

Umwandlung in eine Aktiengesellschaft

Um alle Erben gleichmäßig am Familienvermögen beteiligen zu können, wurde der Betrieb im August 1908 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei auch die böhmischen Brauereien Medingers in Gablonz und Reichenberg eingebracht wurden. Als ausschließliche Aktionäre wurden Johann von Medinger als Präsident des Verwaltungsrates, weiters Adolf Bachofen von Echt junior, Hans von Medinger und Karl August Bachofen von Echt eingetragen. Das Aktienkapital betrug sechs Millionen Kronen, zerlegt in 15.000 voll eingezahlte, auf die Inhaber lautende Aktien zu je 400 Kronen.

Bachofen und Medinger betrieben auch neben dem Wiener Rathaus, in der Reichsratsstraße 15, ein ausgezeichnetes Restaurant und führten 28 Bierdepots in Wien und der näheren Provinz. Bereits 1830 hatte noch Bosch das Lambergsche Jagdschlössl am Nußdorfer Platz erworben und darin eine Brauhaus-Ausschank eingerichtet. Als dieses niedergerissen werden sollte, erwarb Medinger 1886 die schräg gegenüber liegende Gastwirtschaft „Zur Goldenen Rose“, die schon lange vor der Gründung der Brauerei bestanden hatte. 1903 wurde außerdem der Freihof (Freihofgasse 1) von der Brauerei gekauft.

Nach dem Tod Medingers 1908 führten abwechselnd Mitglieder seiner Familie und der Familie Bachofen von Echt die Präsidentenstelle. 1933 übernahm Wolfgang Bachofen von Echt die Führung. Später bekannte er sich zum Nationalsozialismus und ließ sich 1938 von seiner Frau Elisabeth geb. Lederer scheiden, da sie aus einer Familie bekannter jüdischer Kunstmäzene stammte. Als Halbjüdin musste sie Wolfgang alle Anteile an der Brauerei abtreten. Die Brauerei gehört nach 1945 neben Ottakring und Liesing zu drei letzten auf dem heutigen Wiener Gemeindegebiet.

Das Ende der Nußdorfer Brauerei

Unter Wolfgang Bachofen von Echt wurde 1949 das letzte Bier gebraut und mit 1. Jänner 1950 wurde der Braubetrieb offiziell eingestellt. Er verkaufte das Unternehmen der Schwechater Brauerei, die mehrheitlich der Familie Mautner Markhof gehörte und die den Betriebsstandort bis auf die Mälzerei stilllegte. Der letzte Bier-Jahresausstoß betrug nur mehr 42.000 Hektoliter. Die Aktionäre erhielten teilweise Bargeld und teilweise neue Aktien der Schwechater Brauerei. Die Grundausstattung des Brauhauses gelangte nach São Paulo und wurde von der Companhia Paulista de cervejas Vienenses verwendet, mit der Georg III. Mautner Markhof allerdings ohne nachhaltigen Erfolg Wiener Bier in Brasilien verkaufen wollte. Die Familie Bachofen-Echt blieb bis 1978 Aktionär der Schwechater Brauerei.

1965 wurden die Betriebsgebäude der Nußdorfer Brauerei niedergerissen und auf den ausgedehnten Gründen Reihenhäuser errichtet. Einzig der unter Denkmalschutz stehende Verwaltungstrakt in der Hackhofergasse 9 mit seiner unter Bosch gestalteten biedermeierlichen Fassade ist erhalten geblieben. Hier fallen die Reliefs über den Fenstern auf, die einerseits die vier Jahreszeiten und anderseits zwei Brauereiszenen zeigen.

Der Betrieb in der "Rose" wurde zusammen mit der Brauerei 1950 eingestellt und die Firma INKU übernahm das Gebäude. Als dieses Unternehmen dann Mitte der 80er Jahre auszog, blieb ein verunstaltetes Gebäude zurück, das danach mit großem Aufwand äußerlich wieder halbwegs hergerichtet wurde. Die Innenräume sind vermietet. Henrik Bachofen-Echt, der Urenkel von Karl Adolf begann 1984 im ehemaligen Altenburger Freihof in Nußdorf mit dem Bierbrauen als Hobby und erzeugte bis zur Einstellung des Betriebs 2004 vier Biersorten (Brauhaus Nussdorf).

Literatur

  • Döbling. Eine Heimatkunde des 19. Wiener Bezirkes in drei Bänden. Hg. von Döblinger Lehrern. Wien: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft "Heimatkunde Döbling" 1922, S. 202, 415 f.
  • Frauenblatt, 20.07.1991
  • János Kálmar, Mella Waldstein: Bier im Heurigenland, Brauerei Nußdorf. In: K.u.K. Hoflieferanten Wiens. Wien 2001, S. 47-49
  • Christine Klusacek, Kurt Stimmer: Döbling – Vom Gürtel zu den Weinbergen. Wien 1992, S.36-37
  • Christian M. Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2017, S. 150-163
  • Anton Thoman: Das ehemalige Nußdorfer Brauhaus. Döblinger Museumsblätter Nr. 50/51-1977
  • Christian Springer: Historische Brauerei-Topographie Wien. Die Brauereien auf dem Gebiet des heutigen Stadtgebietes. Wien 2023, S. 112-120