Barmherzige Brüder

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Kirche, Konvent und Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, um 1780
Daten zur Organisation
Art der Organisation Spital
Datum von 1539 JL
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen Johannes von Gott
PageID 3538
GND
WikidataID
Objektbezug Frühe Neuzeit, Spitäler, Kloster, Erzdiözese Wien, Katholische Kirche, Kirchenmappe
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 6.12.2022 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Barmherzige_Brüder_Johann_Andreas_Ziegler.jpg
Bildunterschrift Kirche, Konvent und Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, um 1780
  • 2., Taborstraße 16
  • 2., Große Mohrengasse 9

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst.

Es wurden noch keine Personen erfasst.

Die Karte wird geladen …

48° 12' 56.43" N, 16° 22' 55.20" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Barmherzige Bruder am Stadtplan 1885.
Kloster und Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt ca. 1724 (Stich von Salomon Kleiner)
Kirche Heiliger Johannes der Täufer der Barmherzigen Brüder, 1767.

Barmherzige Brüder (2., Taborstraße 16, Große Mohrengasse 9). Kloster: Taborstraße 16; Kirche (Heiliger Johannes der Täufer): Taborstraße bei 16; Neues Spital: Große Mohrengasse 9 (Erweiterungsbau: Große Mohrengasse 11-13); Apotheke: Taborstraße 16.

Orden

Er wurde 1539 von Juan Ciudad Duarte (heiliger Johannes von Gott) mit der Zielsetzung der Krankenpflege gegründet. Am 1. Jänner 1571 gab Pius V. der Brüdergenossenschaft die Regel des heiligen Augustinus und das Ordenskleid; Sixtus V. erhob die Genossenschaft zu einem exemten Orden der katholischen Kirche; Paul V. bestätigte die Konstitutionen am 16. April 1617; Urban VIII. verlieh dem Orden am 20. Juni 1624 die Privilegien der Bettelorden. Das Wappen des Ordens ist ein Granatapfel, der von Kreuz, Stern und Krone überragt wird. Fürst Karl von und zu Liechtenstein (päpstlicher Gesandter Rudolfs II. in Rom) brachte den Orden nach Österreich (erste Niederlassung 1605 in Feldsberg).

Kloster

Ab 1592 gab es Bemühungen, den Orden nach Wien zu verpflanzen, aber erst 1614 wurde er von Kaiser Matthias, der die Barmherzigen Brüder im Zuge der von Kardinal Melchior Khlesl vorangetriebenen Gegenreformation ("Klosteroffensive") nach Wien berufen hatte, gestiftet. Die Niederlassungen in Wien und Krakau wurden unter Ordensgeneral Pater Gabriel Longo errichtet. Am 11. Juni 1614 konnte der Generalvikar (1614-1627) und Chirurg Pater Gabriel Graf von Ferrara Haus und Garten des Hofadvokaten Dr. Andreas Taller im Unteren Werd (Leopoldstadt) erwerben. 1624 erfolgte die feierliche Überreichung des Stiftungsbriefs durch Ferdinand II. Die Anlagen brannten am 22. Mai 1655 weitgehend nieder, doch konnten die Folgen des Brands dank der Opferbereitschaft Ferdinands III. und der Bevölkerung schon ein Jahr darauf großteils behoben werden. 1676-1682 wurden Kirche und Kloster (letzteres geräumiger als zuvor) erneuert. Die 1683 während der Zweiten Türkenbelagerung zerstörten Objekte wurden wiederhergestellt; das Kloster erstand 1684-1689 völlig neu. Von den josephinischen Klosteraufhebungen waren die Barmherzigen Brüder dank ihrer Spitalstätigkeit nicht betroffen. Bedeutend sind das Refektorium (17. Jahrhundert), der Kapitelsaal (1736) und die Bibliothek (Einrichtung erste Hälfte 18. Jahrhundert). Im Kapitelsaal wird eine Neapolitanische Krippe (1748) verwahrt (Figuren aus Elfenbein und Ebenholz), die Leopold I. 1677 dem Kloster geschenkt hatte. 1805 und 1809 war das Kloster von den Franzosen besetzt; in der nationalsozialistischen Ära blieb das Kloster weitgehend unbehelligt; 1945 verhinderte Bürgermeister Theodor Körner eine Beschlagnahme durch die Sowjetische Besatzungsmacht.

Kirche

Mit dem Kirchenbau wurde 1622 begonnen. 1627 wurde Gabriel Graf von Ferrara bereits "vor dem Hochaltar" bestattet. Am 22. Mai 1655 fiel auch die Kirche dem Brand zum Opfer, doch erfolgte rasch ein Wiederaufbau (Glockenweihe 12. Juni 1656, regelmäßige Gottesdienste seit 1665). 1672 brachte Pater Joseph a Cruce Cruchten eine Reliquie des heiligen Johannes von Gott aus Spanien nach Wien, die Leopold I. 1678 dem Konvent schenkte; bereits 1677 hatte er diesem für die Kirche das Gnadenbild "Jesus, Maria und Joseph" überlassen. Am 23. August 1682 wurde die Kirche geweiht, jedoch 1683 durch die Osmanen devastiert (Verwendung als Pferdestall). In ihrer gegenwärtigen Form wurde die Kirche 1683-1692 erbaut und dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht; 1691 feierten die Barmherzigen Brüder in ihr die Heiligsprechung ihres Ordensstifters, 1694 erfolgte die neuerliche Weihe, 1697 war der Glockenturm vollendet. Im Inneren gehört die Kirche dem Typus der im 17. Jahrhundert üblichen Saalkirchen an (deren reinstes Beispiel die Dominikanerkirche in der Innenstadt ist); das System ist allerdings hier stark vereinfacht. In einer Nische der schmalen Fassade mit ihrer mächtigen Pilastergliederung steht eine Skulptur des Kirchenpatrons Johannes. Über dem einschiffigen, vierjochigen Saal erhebt sich eine Kuppel. Nach einer beträchtlichen Senkung des Mauerwerks (1732; besonders im Presbyterium, in der Sakristei und im Oratorium) wurde 1733/1734 der Chor der Kirche erweitert und der Turm durch Franz Anton Pilgram neu erbaut (1945 Barockhelm zerstört). Die Stuckarbeiten in der Kirche führte Santino Bussi aus. Am neuen Hochaltar (1735/1736) befindet sich das Ölgemälde "Taufe Christi" von Daniel Gran (1736; Kosten 422 Gulden; Restaurierungen 1836 und 1946); seitlich vier Marmorstatuen von Lorenzo Mattielli (heiliger Joachim, heiliger Zacharias, heilige Elisabeth, heilige Anna); Engel (oben) von Antonio Gaetano Bussi. Links befinden sich drei Barockkapellen. Die Johannes-von-Gott-Kapelle (1774) besitzt einen kostbaren Marmoraltar, der die in der Glorie schwebende Gestalt des Heiligen (von Anton Tabotta) umrahmt; flankierend die Patrone Michael und Raphael. 1989 erfolgte im Zuge einer Renovierung die Rekonstruktion des 1945 zerstörten kupfernen Turmhelms.

Spital

(ursprünglich [1883-1884] 2, Große Mohrengasse 9, Erweiterungsbau [1903-1905] Nummer 11-13).

1614 berief Kaiser Matthias auf Veranlassung von Karl von Liechtenstein den Orden der Barmherzigen Brüder nach Wien. Frater Gabriele Ferrard errichtete im Kloster des Ordens ein Spital, das auch heute zu den bedeutenden Krankenhäusern der Stadt zählt. 1624 bekam das Spital den Stiftsbrief von Ferdinand II. Dem Kloster ist seit Anbeginn ein Spital angeschlossen, das sich im Lauf der Jahrhunderte zu einem weltstädtischen Krankenhaus entwickelte. Das Alte Spital wendet seine bedeutende Fassade der Taborstraße zu (Risalit mit großer Pilasterordnung, zwei Nischen mit Steinfiguren des heiligen Johannes von Gott und der heiligen Elisabeth, Aufsatz mit Giebel und Nischenfigur Mariens, auf den Voluten Steinfiguren der Erzengel Raphael und Michael). Es wurde 1828 und 1838 erweitert und nahm 1848 zahlreiche Verwundete auf. Das Neue Spital (2, Große Mohrengasse 9) wurde 1883-1885 nach Plänen von Carl von Hasenauer, Otto Hofer und Anton Schönmann durch Stadtbaumeister Cajetan Miserovsky auf den Konventgründen erbaut.

Die Anfänge des Spitals stehen mit der heutigen Apotheke in engem Zusammenhang. Diese war, da sie bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts kein Öffentlichkeitsrecht hatte, zum Klosterhof hin orientiert; die heutigen Räumlichkeiten der Apotheke hingegen dienten bis 1779 als Krankensaal (weshalb auch auf dem Stich von Schütz-Ziegler-Janscha an dieser Front kein Eingang zu erkennen ist). Da es bereits bei der Fertigstellung zu klein war, musste es 1903-1905 (Weihe 1905) erweitert (2, Große Mohrengasse 11-13) beziehungsweise im Inneren modernisiert werden (aseptischer Operationssaal, Röntgenapparat, elektrische Beleuchtung, Zentralheizung). 1989 wurde anlässlich der 375-Jahr-Feier der Ordensansiedlung aus Mitteln des Stadterhaltungsfonds und des Bundesdenkmalamts sowie einer Spende der Raiffeisenbank Wien der am 11. April 1945 zerstörte Barockhelm des Turms der Ordenskirche, der 1948 durch ein Notdach ersetzt worden war, wiederhergestellt. 1945 konnte Bürgermeister Körner das Spital erfolgreich vor einer russischen Einquartierung bewahren. Bis 1959 kam es zu einer Konsolidierung des Krankenhausbetriebs; 1960 erhielten die Barmherzigen Brüder den Dr.-Karl-Renner-Preis "für die Arbeit zum Wohle der Wiener". 1973 wurde ein Erweiterungsbau eingeweiht. Das Spital wurde seither (abgeschlossen 1985) kontinuierlich renoviert und modernisiert (Einführung neuester medizinisch-technischer Einrichtungen). Nach dem Abbruch des Wohnhauses 2, Schmelzgasse 4-6, (1994/1995) wurde ein Zubau zur Vergrößerung des Spitals in Angriff genommen. Parallel dazu wurde 1994 bei gleichzeitigem Umbau eines leer stehenden Geschäftslokals im Klostergebäude 2, Taborstraße 16, eine Zufahrt für Rettungsfahrzeuge geschaffen. Der Erweiterungsbau (Eingang Ecke Große Mohrengasse 15, Schmelzgasse 4-6) wurde 1997 nach Plänen von Keindl & Smutny erbaut und am 30. Oktober 1997 nach Segnung durch Kardinal Franz König eröffnet (acht Bettenabteilungen mit 416 Betten, Herzstation, Ambulanzen). Gleichzeitig wurde schräg gegenüber dem neuen Krankenhauseingang das (bis dahin in der Höhe der Fassade angebracht gewesene) Denkmal des Ordensgründers Johannes von Gott aufgestellt; der Platz bei der Kreuzung der Schmelzgasse mit der Großen Mohrengasse, wo das Denkmal Aufstellung fand, trägt seither seinen Namen (Johannes-von-Gott-Platz). Am 4. Oktober 1999 wurde das Erste Wiener Ambulatorium für gehörlose Menschen eröffnet. Anfang 2004 wurde der durch seinen Barockgiebel gekennzeichnete Gebäudetrakt an der Taborstraße nach Absiedlung eines weiteren Geschäftslokals zu einem klostereigenen Seminar- und Veranstaltungsraum umgestaltet. Am 6. März 2004 wurde der Abschluss der zehnjährigen Neubau-, Umbau- und Renovierungsarbeiten am Gesamtkomplex mit einem Festakt feierlich begangen; der letzte Bauabschnitt umfasste das Verwaltungsgebäude samt Pflegeschule und Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege. Im Spital befindet sich auch eine Spitalskirche.

Apotheke

"Zum Granatapfel" (eröffnet am 21. September 1624). Die alte Apotheke (1722; gemalte Stuckimitation des 18. Jahrhunderts) steht heute als Materialkammer in Verwendung, die neue Apotheke besitzt eine bemerkenswerte Empireeinrichtung (1803).

Kult

Der Kult erstreckt sich auf Maria Heil der Kranken (Gemälde eines unbekannten Malers, 1666) und den heiligen Johannes von Gott (Marmoraltar in der dritten rechten Kapelle der Kirche mit Statue des Ordensgründers von Anton Tabotta, einem Schüler Matthäus Donners; Weihe der Kapelle am 8. November 1774).

Steinkruzifix

An der Fassade der Taborstraße ist neben der Apotheke ein 1770 von Anton Tabotta geschaffenes Kruzifix angebracht, das ursprünglich frei in der Straßenmitte vor dem Klostereingang stand; dort hatte es ein ähnlich gestaltetes Kreuz ersetzt, das schon 1689 erwähnt wird. Das Kruzifix wurde aus Verkehrsrücksicht an die Fassade versetzt.

Quellen

Literatur

  • 400 Jahre Barmherzige Brüder. Festschrift der österreichischen Provinz. Wien: Selbstverlag des Provinzialates der Barmherzigen Brüder 1937
  • Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, S. 98 ff.
  • Günther Berger: Kirche der Barmherzigen Brüder. In: Wiener Geschichtsblätter 42 (1987), S. 54 ff.
  • Ludwig Brandl: Der Chirurg Gabriel Graf von Ferrara. Erster Generalkomissar des Ordens der Barmherzige Brüder für Germanien. Wien: Provinzialat der Barmherzigen Brüder 1957
  • Felix Czeike: II. Leopoldstadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1980 (Wiener Bezirkskulturführer, 2), S. 52 ff.
  • Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 169 f.
  • Festschrift 375 Jahre Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien. Wien: Konvent der Barmherzigen Brüder 1989
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 217 ff.
  • Gustav Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1955, S. 49 f.
  • Friedrich Läufer: Die Barmherzigen Brüder. Ein Buch über Entstehen, Werden und Wirken des Ordens der Barmherzigen Brüder. Wien: Selbstverlag 1931
  • Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 109 f.
  • Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege. Hg. vom Österreichischen Bundesdenkmalamt. Horn/Wien: Berger / Wien/München: Schroll 1952 - lfd. 3/4, (1989; Turmrenovierung)
  • Heinz Polednik: Die Barmherzigen Brüder in Österreich 1918 - 1977. Wien: Eigenverlag des Provinzialates 1977, S. 61 ff. (Prioren 1614-1976: S. 78 f.; Primarärzte: S. 80 f.)
  • Leopold Senfelder: Die Barmherzigen Brüder in Wien 1614 - 1914. Eine aktenmäßige Darstellung der Geschichte des Metropolitankonventes und Spitales der Barmherzigen Brüder in Wien, anläßlich des dreihundertjährigen Bestandes. Wien: Selbstverlag des Konventes 1914
  • Isfried Schmid: Die Klosterkirche der Barmherzigen Brüder in Wien II zum hl. Johannes dem Täufer. Kleiner Führer durch die Kirche und deren Kunstschätze. Wien: [Provinzialat der Österreichischen Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder] 1976

Literatur zur Apotheke siehe Zum Granatapfel