Astoriakino

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Adaptierungsplan des Kinotheaters "Astoria" (1914)
Daten zur Organisation
Art der Organisation Kino
Datum von 1911
Datum bis 1969
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 58104
GND
WikidataID
Objektbezug Kiba
Quelle
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Letzte Änderung am 18.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Astoriakino.jpg
Bildunterschrift Adaptierungsplan des Kinotheaters "Astoria" (1914)
  • 17., Hernalser Hauptstraße 156

Frühere Adressierung
  • Astoria Kino / Astoriakino (1910, bis: 1969)

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48° 13' 21.12" N, 16° 19' 8.86" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Hernalser Hauptstraße 163 (Oktober 2018)

Gründung, erster und zweiter Standort

Das "Astoria Kino" (auch: Astoriakino) wurde 1910 (nach andere Angaben: 1911) von Luise Breither (* 1865 Baden bei Wien) in 17., Hernalser Hauptstraße 163, gegründet.

1914 übersiedelte Breither mit ihrem Kinobetrieb (= Lizenztransfer) in ihr eigenes Haus in 17., Hernalser Hauptstraße 156, in dem sie selbst auch oberhalb des Kinos wohnte, und eröffnete den Betrieb am neuen Standort offiziell am 24. März 1914. Das in einem Wohnhaus errichtete Kino bot unter anderem nummerierte Sitzplätze sowie Logenplätze an der Rückwand des Saales (unter dem Projektionsraum), die man wie im Theater bereits im Vorverkauf erwerben konnte, sowie einen eigenen "Rauchsalon" und andere weiträumig konzipierte Warte- und Aufenthaltsräume. 1921 vergrößerte die Wiener Kinopionierin ihr Kino durch dessen Erweiterung in den linken Hoftrakt hinein und den Zubau von zehn Logen im Parterre. Das Astoria Kino gehörte ab dieser Zeit zu den größten und einprägsamsten der Hernalser Kinos.

"Arbeiterkino" und frühe NS-Propagandafilme

1922 schloss Luise Breither, "in Ehrlichkeit ergraut und geschäftlich unerfahren", wie sie selbst 1927 in einem Schreiben festhält, einen Gesellschaftsvertrag mit den Brüdern Philipp (* 1. März 1887 Wien, † 5. November 1940 KZ Buchenwald) und Eduard Hamber (* 25. Juli 1893 Wien, † 28. November 1940 KZ Buchenwald) – den beiden Geschäftsführern der "Oela – Österreichische Lichtspieltheater Allianz Hamber & Co" (7., Neubaugasse 38) –, die die Kinounternehmerin jedoch schon bald aus dem eigenen Betrieb hinauszudrängen versuchten. (Ein Gedächtnisprotokoll zu dieser Vereinbarung ist mit 1926 datiert.)

Der von den Gebrüdern Hamber, beide Mitglieder der 1924 gegründeten "Kinobetriebsgesellschaft der sozialdemokratischen Partei" gegründete Filmverleih "Allianz" stattete vor allem die so genannten "Arbeiterkinos" in den Wiener Randbezirken mit Filmen aus − nicht unbedingt mit den künstlerisch besten Filmen, wie der Filmkritiker der Arbeiterzeitung, Fritz Rosenfeld, Ende 1929 scharf kritisierte: "Fast alle diese [Arbeiterkinos] spielen nicht nur den üblichen Schund, sie spielen von diesem Schund noch das Schlechteste. Fast alle diese Kinos vernachlässigen nicht nur ihre Pflicht gegenüber dem künstlerischen Film, sie spielen auch Filme, die ihrer politischen Einstellung nach nie in Arbeiterkinos gespielt werden dürften."[1] Dementsprechend sah auch die räumliche Veränderung im Kino aus: Die bisherigen Logen wurden 1926 zu Stehplätzen umgebaut, um auch der "ärmeren Bevölkerung" der Gegend den Besuch von Kinofilmen zu ermöglichen.

Breither prozessierte ab diesem Zeitpunkt gegen die Brüder Hamber. Doch der geschlossene Vergleich sollte sich in dem Moment als "noch verhängnisvoller" herausstellen, als 1926 das neue Wiener Kinogesetz in Kraft trat. Breither hatte nämlich das Kino an die Brüder vermietet, während sie selbst jedoch für Geschäftsführung, Einhaltung der polizeilichen Vorschriften und Kassagebahrung zuständig blieb. "Das Ganze lief also darauf hinaus", fasste Breither die Situation Anfang 1927 zusammen, "dass während ich und mein Mann gegenüber der Behörde auf Grund der seit 1910 innegehabten Lizenz die Verantwortung zu tragen hatten, die Früchte aus dem Betrieb den Brüdern Hamber zufallen sollten".

1926 reichten sowohl Philipp Hamber wie auch die Besitzerin und bisherige Lizenzinhaberin Breither um die mit dem Inkrafttreten des neuen Kinogesetzes in diesem Jahr auch neu zu vergebende Konzession ein – und es war Hamber, der in seinem Ansuchen darauf hinwies, dass "das Kino mein ausschließliches Eigentum ist", welcher die Konzession seitens der Magistratsabteilung 52 zugesprochen erhielt ‒ nicht aber die Hauseigentümerin und Kinogründerin Breithner. Hamber garantierte jedoch in seinem Schreiben vom 18. Jänner 1927, dass er im Falle, dass er die Konzession erhalten würde, monatlich S 350,- an Luise Breither bezahlen würde.

Das ausführliche und in mehreren Varianten vorgelegte diesbezügliche Beschwerdeschreiben Breithers wurde aufgrund einer Gegenschrift Hambers und eines nachfolgenden Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof schließlich 1928 wegen "mangelhaften Verfahrens aufgehoben". Hamber sah sich als "Eigentümer" des Kinos, das er von Breither mietete, die Geschäfte führte nun der von ihm bestellte Karl Tretter. Breither war nach Aussagen von Hambers Anwalt hingegen nur "Inhaberin der nackten [!] Lizenz" gewesen, "die sie als stille Gesellschaftseinlage einbrachte und für die sie monatlich S 700,-- fix und S 200,-- garantierte Umsatzprovision zu erhalten hatte, während die finanzielle und kommerzielle Leitung des Unternehmens dem Philipp Hamber oblag, der Mieter des Lokals und Eigentümer der Einrichtung war und den Geschäftsbetrieb selbst durch den behördlich genehmigten Geschäftsführer Rudolf Tretter führte".

In der Kanzlei Dr. Max Welisch wurde am 30. November 1927 ein "Gedächtnisprotokoll" aufgesetzt, nach dem Breither im Dezember 1927 von Hamber das in ihrem eigenen Haus befindliche, jedoch seit 1922 im Eigentum der Brüder Hamber stehende Kino "samt allem im Kino befindlichen Inventar“ um S 250.000,-- zurückkaufte, „wobei gleichzeitig ausdrücklich vereinbart wird, dass das bisher zu Gunsten der Herrn Hamber bzw. der Oela bestandene Mietrecht an dem Kino einverständlich am 9. Dezember 1927 endet". Am selben Tag endete auch der 1922 geschlossene Gesellschaftsvertrag. Hamber verpflichtete sich, seine Konzession zugunsten Breithers zurückzulegen sowie die Funktion des bis dahin für ihn tätigen Geschäftsführer Rudolf Tretter zu widerrufen. Ab 1928 war Luise Breither – nun gemeinsam mit ihrem Mann Franz Breither – wieder Eigentümerin des Kinos. Sie selbst war zudem ab diesem Jahr Konzessionsinhaberin und Geschäftsführerin in einer Person.

1930 wurde im Astoria Kino eine Tonfilmanlage installiert.

Am 19. August 1931 starb die Kinogründerin 66-jährig; die Konzession wurde ab diesem Zeitpunkt an ihren Sohn Franz Breither jun. (1903−1974) übertragen, der bereits ab 1928 "an der Seite seiner Mutter im Kino tätig" gewesen war und "die internen Geschäfte des Kinos geführt" hatte. Nur wenige Tage nach Breithers Tod hatte der "Bund Wien des Reichsbundes der Kriegsopfer Österreichs" um die Konzession angesucht – in diesem Falle wurde jedoch, nicht zuletzt aufgrund des vehementen Einspruchs der Interessenverbände, gegen dieses Ansuchen und zugunsten des Erben entschieden.

Unter der neuen Leitung von Franz Breither jun. wurden in den kommenden Jahren immer wieder auch kurze Theatereinlagen angeboten, unter anderem 1932 "zwei Possen" mit fünf Personen und eine "szenische Darstellung" von Die Wirtin vom weissen Rössl im Rahmen der gleichnamigen Filmvorführung. Das Ansuchen, auch Märchenaufführungen zeigen zu dürfen, wurde hingegen abgelehnt.

Zugleich den Anspruch, weiterhin ein "Arbeiterkino" bleiben zu wollen, nicht aufgebend, zählte das "Astoria" zu dieser Zeit zu den "vornehmsten" Kinos des Bezirkes. Man brachte Erst- und Uraufführungen und begleitete diese von einem "erstklassigen Salon- und Jazzband-Orchester" unter der Leitung von Franz Köstelbauer.

Bereits ab 1932 wurde das Astoria Kino mehrfach für Aufführung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei genutzt, so wurde unter anderem im Juli 1932 der Film Rassenschönheit des Weibes, am 5. November Mann und Weib in Afrika, am 27. November Panzerkreuzer Emden und am 26. März 1933 Volldampf voraus – Spreevolk sowie Adolf Hitlers Flug über Deutschland gezeigt. Am 5. April 1933 führten anlässlich einer Aufführung von Die Wirtin vom weissen Rössl "auf dem vor der Bildfläche im Zuschauerraum aufgestellten Podium vier Personen (je zwei gleichzeitig) in Kostüm ein Zwiegespräch" und sangen, begleitet von Live-Musik, Lieder. Am 8. April 1933 zeigte Franz Stychynetz hier Die Dreigroschenoper. Und im Juni 1933 zeigte Breither jun. den Film Im braunen Rössl vom Blunzendorf – und begleitete auch diesen Film durch "szenische Darstellungen" im Kinosaal.

Etwa zur gleichen Zeit flogen die privaten und geschäftlichen Skandale der beiden Brüder Hamber auf: 1932 wurden sie von der Sozialdemokratischen Partei ihrer politischen Funktionen enthoben.

1938: "Arisierung" der Mehrheitsanteile von Elsa Epstein

1938 befand sich das Kino nur noch zu 30 Prozent in Besitz der Geschwister Franz, Alfred und Margarethe Breither sowie Maria Spaethe, geborene Breither. Mit 70 Prozent beteiligt war zu diesem Zeitpunkt Elsa Epstein (1882−1966) mit einem Darlehensbetrag (sowie wohl auch ihr Mann, wie aus den Rückstellungsverhandlungen nach 1945 deutlich wird).

Die Situation in diesem Kino war insofern überaus kompliziert, als nicht nur – das war auch bei einer Reihe anderer Wiener Kinos so – der Betrieb bis zum "Anschluss" sowohl von in NS-Diktion "arischen" als auch jüdischen EigentümerInnen/KonzessionsinhaberInnen geführt wurde –, im Falle des Astoria Kinos wurde zudem vonseiten des NS-Regimes eine "Frau Planetta" eingesetzt, die den "arisierten" Anteil übertragen bekam – und von da an bis 1942 mit Breither prozessierte. Bei Gabriele Planetta (* 12. Juli 1900 Wien, bestattet als Gabriele Kahlig 13.10.1981 Friedhof Dornbach) handelte es sich um die Frau des nationalsozialistischen Putschisten und Attentäter Otto Planetta (* 2. August 1899 Wischau, Südmähren; † Hinrichtung Landesgericht Wien 31. Juli 1934 Wien, Friedhof Dornbach), der zu Beginn des Juliputschs am 25. Juli 1934 einen der beiden tödlichen Schüsse auf Bundeskanzler Engelbert Dollfuß abgegeben hatte und von den Nationalsozialisten zum „Ostmärkischen Freiheitshelden“ hochstilisiert wurde.

Schließlich wurde Breither das gesamte Kino, also sowohl der eigene 30-Prozent-Anteil wie auch der "arisierte" 70-Prozent-Darlehensanteil von Epstein zugesprochen. Und dies, obwohl Breither bis dahin noch keine Parteimitgliedschaft beantragt hatte. Dies tat er erst Anfang 1944, und im Mai 1944 übernahm die Reichsfilmkammer die 70-Prozent-Beteiligung von Epstein – die Abzahlung des Darlehens sollte, wie einst mit Epstein selbst vereinbart, 1952 getilgt sein und das Kino ab diesem Zeitpunkt wieder ganz in den Händen der Familie Breither liegen. Eine Situation wie diese, dass das Deutsche Reich direkt in die Führung eines Betriebes einstieg, war tatsächlich selten.

Rückstellung

1945 wurde Franz Hladjk (geb. 1897 Wien) zum öffentlichen Verwalter des Kinos bestellt, das als teilweise arisiertes, teilweise nazifiziertes galt und daher vorerst nicht von dessen bisherigen Eigentümer geführt werden durfte. In den folgenden Monaten scheint Hladjk diese Aufgabe zurückgelegt zu haben, denn im November 1946 wird als nunmehriger öffentlicher Verwalter in den Akten Josef Kral genannt, der seinerseits zu diesem Zeitpunkt selbst wieder abberufen und Robert Kellner als neuer, dritter öffentlicher Verwalter in Folge bestellt wurde. Dazu hieß es im November 1946: "Da somit die Anteile der Elsa Epstein eine im Zusammenhange mit der nat.soz. Machtübernahme entzogene Vermögenschaft darstellen und die Gefahr der Vermögensverschleppung besteht, ferner auf die übrigen Teilhaber der § 17 des Verbotsgesetzes Anwendung findet, war der von der Vorbesitzerin vorgeschlagene Bevollmächtigte [Robert Kellner] gemäß § 26 (3) bevorzugt an Stelle des bisherigen öffentlichen Verwalters [Josef Kral] zu bestellen."

Am 30. Juli 1947 wurde seinerseits Kellner als öffentlicher Verwalter bezüglich der Anteile des Gesellschafter Franz, Alfred und Margarethe Breither abberufen. Die Begründung hieß dahingehend: "Vom Tage des Inkrafttretens des Nationalsozialistengesetzes vom 6.2.47, BGBl. Nr. 125/47, d.i. 18.2.1947, hat die Behandlung von Nationalsozialisten ausschließlich nach den Normen des NS-Gesetzes zu erfolgen." Damit war der Anteil der Familie Breither (30 %) nicht mehr als "nazifiziert" anzusehen, Franz Breither jun. blieb jedoch vorerst als "Minderbelasteter" noch von der Betriebsführung ausgeschlossen.

Am 7. Juni 1947 erfolgte eine weitere Abberufung Kellers für die Anteile von Elsa Epstein (35 %), da ihr diese zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgestellt worden waren. Keller blieb so ab diesem Zeitpunkt nur noch für die letzten 35 % der Anteile, die 1938 auf Elsa Epsteins Ehemann, Alfred Epstein, gelaufen waren, öffentlich bestellter Verwalter.

Im März 1948 wurden schließlich auch Alfreds Epsteins 35-Prozent-Anteile an Elsa Epstein als dessen alleiniger Erbin rückgestellt. Noch im selben Monat wurde auf eine Eingabe Franz Breithers hin vom Bundespräsidenten festgehalten, dass man in diesem Falle von den "Sühnefolgen" absehen werde. Breither konnte sein Kino wieder übernehmen, musste jedoch weiterhin "Sühneabgaben" entrichten und blieb bestimmten Vermögensbeschränkungen unterworfen. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Kino ohne Konzession betrieben.

Im April 1948 wurde Keller zur Gänze abbestellt und die öffentliche Verwaltung des Kinos somit aufgehoben.

Im Mai 1948 wurde bekannt, dass der ehemalige "Ariseur" Alfred Breither sich – ebenso wie die "Kiba" Kinobetriebsanstalt Gesellschaft m.b.H. – um die Konzession des Kinos beworben hatte, "[…] doch wird uns von der KIBA mitgeteilt, dass die Konzession voraussichtlich an Breiter [!] erteilt wird. Da keine öffentliche Verwaltung besteht, ist für die Mag.Abt. 69 keine Berechtigung mehr gegeben, den Betrieb zu überprüfen." Im Jänner 1949 erhielt Breither die Konzession durch das Amt der Wiener Landesregierung verliehen. Damit war das Kino wieder in Händen der Familie Breither und somit der einstigen "(Teil-)Ariseure". Elsa Epstein blieb bis 1955 mit ihren Anteilen am Kino beteiligt und stieg erst in diesem Jahr ganz aus dem Gesellschaftsvertrag aus.

Die Schließung des Astoriakinos

Am 30. April 1969 schloss das Kino seinen Betrieb.

An der Stelle des einstigen ersten Kinos (1911−1914) sind eine Fleischerei und eine Radwerkstätte zu finden.

Am späteren Standort (1914−1969) war bis vor wenigen Jahren eine Filiale der Supermarkt-Kette "ADEG". Heute findet man an dieser Adresse eine Filiale der Kette "Fressnapf".

Fassungsraum

  • 499 (1914)
  • 598 (1918)
  • 608 (1922)
  • 643 (1926 + Stehplätze und Klappstühle)
  • 649 (1934)


Siehe auch: Kino

Quellen

Literatur

  • Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 279 f.
  • Klaus Christian Vögl: Angeschlossen und gleichgeschaltet. Kino in Österreich 1938–1945. Wien u.a.: Böhlau 2018, S. 344 ff.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Franz Grafl: Praterbude und Filmpalast. Wiener Kino-Lesebuch. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1993, S. 119.