Arbeitersport

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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 4.08.2016 durch WIEN1.lanm08mic

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Arbeitersport. Die Arbeitersportbewegung entstand bereits unmittelbar nach der Einigung der Sozialdemokratischen Partei auf dem Parteitag in Hainfeld 1888/1889, als einige Sozialdemokraten die deutschnationale Turnerbewegung verließen und im Arbeiterbildungsverein Gumpendorf eine eigene Arbeiterturnbewegung gründeten (1890). Der Arbeitersport bot in der überaus kärglich bemessenen Freizeit ein notwendiges Gegengewicht zur einseitigen, gleichförmigen Arbeit. Die erhöhte Fähigkeit zur körperlichen Anpassung an sich schnell ändernde Produktionsgänge und Arbeitsrhythmen bedeutete eine entscheidende Erhöhung der Qualifikation und der individuellen Fertigkeiten. So war Arbeitersportlern, Arbeiterradfahrern und Naturfreunden ein massenhafter Zustrom gesichert; ihre Kulturleistung ist erstaunlich. 1892 kam es zur Bildung einer eigenen Turner-Sektion, 1893 entstanden Arbeiter-Radfahrvereine (Fahrrad; ARBÖ), am 2. Juli 1894 wurde der „Allgemeine Turnverein in Wien" gegründet (der erste Arbeitersportverein Österreichs, der aus einer seit 1891 bestehenden Turnergruppe des Arbeiterbildungsvereins hervorgegangen war), 1895 wurde der Touristenverein „Die Naturfreunde" begründet. Der Wiener, Mödlinger und Wiener Neustädter Turnverein bildeten 1900 einen Kreisverband der Arbeiterturnvereine Österreichs; die in rascher Folge entstehenden weiteren Turnvereine wurden 1910 im „Österreichischen Arbeiter-Turnerbund" zusammengefaßt, der bald 70.000 Mitglieder hatte. 1919 entstand in Wien als Dachorganisation der „Verband der Arbeiter- und Soldatensportvereine (VAS)", der sich 1924 zum „Arbeiterbund für Sport und Körperkultur in Österreich" (ASKÖ) umbildete. 1919 wurde auch der „Wiener Arbeiter-Turn- und Sportverband" (WAT) gegründet (in einzelnen Bezirken hatte er in verschiedenen Turnvereinen Vorläufer, so etwa in dem am 19. April 1896 gegründeten „Arbeiterturnverein Floridsdorf", dessen erste Turnerinnenriege 1904 entstand). 1926 wurde in Wien das Österreichische Arbeiterturn- und Sportfest abgehalten, 1931 anläßlich der Eröffnung des Stadions die zweite Arbeiter-Olympiade (die erste wurde 1925 in Frankfurt/Main veranstaltet). 1928 hatte der ASKÖ 240.000 Mitglieder, davon rund 130.000 in Wien. Der ASKÖ schloß sich der Sozialistischen Arbeitersport-Internationale (SASI) an (es bestand damals eine strikte Trennung zwischen Arbeitersport und „bürgerlichem" Sport). 1934 wurden WAT, ARBÖ und Naturfreunde verboten, 1945 erfolgte die Reaktivierung der Arbeitersportvereine (zentrale Vertretung wurde der ASKÖ). Speziell in der Zwischenkriegszeit bedeutete die Arbeitersportbewegung mit ihrer Vermittlung von neuem Körperbewußtsein und neuem Körpergefühl nichts weniger als eine Revolutionierung alltäglicher Lebenszusammenhänge und Verhaltensweisen. In ihrem Umfeld entwickelte sich auch die später berühmt gewordene Freikörperkultur in der Lobau. Die Naturfreunde konnten 1929 eine Mitgliederzahl von 96.000 erreichen, im „Arbeiterbund für Sport und Körperkultur" waren sämtliche damals gängigen Sportarten organisiert. Das Verhältnis zum klassischen Sport der Arbeiterschaft, dem Fußballsport, gestaltete sich allerdings kompliziert, da die oft rigorosen Idealen anhängenden sozialdemokratischer Kulturtheoretiker im Fußball die Gefahr des Eindringens eines unerwünschten Leistungs- und Wettbewerbsprinzips sowie die Gefahr einer Verrohung und Brutalisierung der Sitten sahen. Erst 1926, zu einem Zeitpunkt, als dem ASKÖ bereits weit über 200.000 Mitglieder angehörten, wurde der Verband der Amateurfußballvereine Österreichs aufgenommen.

Siehe auch: Arbeiterfußball

Literatur

  • Wolfgang Maderthaner: Sport für das Volk. In: Helene Maimann [Hg.]: Die ersten 100 Jahre. Österreichische Sozialdemokratie 1888 - 1988. Wien [u.a.]: Brandstätter 1988, S. 174 ff.
  • Reinhard Krammer: Arbeitersport in Österreich. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterkultur in Österreich bis 1938. Wien [u.a.]: Europaverlag 1981 (Materialien zur Arbeiterbewegung, 17)
  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 72, 140 f.