Anschlag auf das Kaufhaus Gerngroß

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Gutachten über das Tränengas, welches beim Gerngrossattentat verwendet wurde.
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Anschlag
Datum von 18. Dezember 1932
Datum bis 23. März 1933
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 49877
GND
WikidataID
Objektbezug Warenhaus Gerngroß
Quelle
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Letzte Änderung am 2.09.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Gerngrossgutachten wiki.jpg
Bildunterschrift Gutachten über das Tränengas, welches beim Gerngrossattentat verwendet wurde.

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  • 7., Mariahilfer Straße 38-48

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48° 12' 0.26" N, 16° 21' 11.60" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Anfang der 1930er-Jahre erlebte die NSDAP-Hitlerbewegung in Wien einen Aufschwung an Bekanntheit und einen nicht unbedeutenden Mitgliederzuwachs. In Österreich und in Wien existierten Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre zahlreiche gewaltbereite, radikale paramilitärische Organisationen, wie die faschistische und (deutsch-)nationale Heimwehr und der ebenso paramilitärische Schutzbund, die immer wieder zusammenstießen. Die NSDAP-Hitlerbewegung fügte dieser Situation der politischen Gewalt nur einen weiteren Aspekt hinzu. Ein solches Ereignis war der Tränengasanschlag auf das Kaufhaus Gerngroß im Dezember 1932.

Der Tathergang

Am 18. Dezember 1932 verübten Angehörige der Wiener SS einen Anschlag mit Tränengas auf das Kaufhaus Gerngroß in der Mariahilfer Straße. Der Anschlag fügte sich als Höhepunkt in eine Reihe antisemitischer Aktionen der NSDAP-Hitlerbewegung zum Ende des Jahres 1932 ein. Der 18. Dezember war der sogenannte „Goldene Sonntag“, ein vorweihnachtlicher Einkaufssonntag, der sich bei der Wiener Bevölkerung großer Beliebtheit erfreute. Der Anschlag wurde vom SS-Mitglied Max Grillmayr geplant und organisiert, die Durchführung und die Leitung des Anschlags selbst übernahm der SS-Sturmbannführer Franz Mazanek, der auch die übrigen Beteiligten an dem Angriff rekrutierte. Grillmayr besorgte von dem SA-Führer Hans Geister eine Flasche Tränengas, die er selbst im Heizkeller des „Adolf-Hitler-Hauses“ in der Hirschengasse in kleinere Fläschchen umfüllte. Diese Fläschchen wurden schließlich am Nachmittag des 18. Dezember in der Kanzlei der SS-Standarte Wien, die sich ebenfalls im „Adolf-Hitler-Haus“ befand, an ausgewählte SS-Männer verteilt, welche den Auftrag hatten, diese um 16 Uhr im Kaufhaus Gerngroß zu werfen. Die Aktion löste im Kaufhaus eine Massenpanik aus, da sich aufgrund des „Goldenen Sonntags“ entsprechend viele Kundinnen und Kunden im Geschäft befanden und diese – so schreibt die Neue Freie Presse – „zunächst die Ursache der plötzlichen Wirkung des Gases nicht kannte.“[1] Weitaus dramatischer wurde der Vorfall im Kleinen Blatt geschildert – hier war gar von Erstickungsanfällen und höchster Gefahr für Frauen und Kinder die Rede. „In dem Wirrwarr wurden den Frauen die Kleider vom Leibe gerissen, zahlreiche Kinder kamen in größte Gefahr, zertreten zu werden, und es ist nur dem Zufall zu verdanken, daß hier nicht ein Unheil mit unabsehbaren Folgen hereingebrochen ist.“[2] Diese zum Teil wohl übertriebenen Darstellungen des Vorfalls veranlasste die Interessensgemeinschaft Österreichischer Annoncen Expeditionen zu einer Gegendarstellung und einem Aufruf zu einer gemäßigteren Berichterstattung, die dem Geschäft nicht schade. Vielmehr sollte über den ausgesprochen guten Umsatz der Wiener Geschäfte am „Goldenen Sonntag“ berichtet werden. Gemäß dieser Darstellung konnte das Geschäft bei Gerngroß bereits kurze Zeit nach dem Vorfall wieder reibungslos aufgenommen werden. Den ganzen Tag über verteilten die Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten Flugzettel antisemitischen Inhalts und versuchten den Einkaufssonntag zu stören. Der Anschlag mit Tränengas war gewissermaßen der Höhepunkt der antisemitischen Aktionen dieses Tages.

Annonce und Gegendarstellung über das Attentat im Kaufhaus Gerngross.

Die Ermittlungen der Polizei

Die Ermittlungen der Polizei zu dem Anschlag verliefen trotz Hausdurchsuchungen im „Adolf-Hitler-Haus“ schleppend und zunächst ergebnislos, da diese teilweise von nationalsozialistischen Polizisten durchgeführt wurden. Einige SS-Angehörige wurden zwar verhaftet, mussten aber aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen werden. Erst im Jänner 1933 wurden die Ermittlungen aufgrund einer Vertraulichen aber sehr detaillierten Mitteilung über die Organisation und Abläufe des Anschlags wieder aufgenommen und schließlich wurden auch Verhaftungen vorgenommen. Auch dieses Mal wurden die Ermittlungen von nationalsozialistischen Polizisten boykottiert.

Das Urteil

Am 23. März 1933 kam es schließlich zum Prozess gegen 26 Angeklagte, darunter die SS-Angehörigen Franz Mazanek, Josef Fitzthum und Max Grillmayr. Das Landesgericht für Strafsachen verurteilte letztlich nur Fitzthum zu zweieinhalb Monaten Haft, Grillmayr zu zwei Monaten, Franz Hansmann zu vier Wochen und Johann Rahn sowie Alois Ringl zu drei Wochen. Alle übrigen Angeklagten wurden entweder freigesprochen oder das Verfahren gegen sie wurde bereits eingestellt.


Quellen

Literatur

  • Christiane Rothländer, Das "Adolf-Hitler-Haus" in der Hirschengasse 25, Mariahilf. In: Kilian Franer/Ulli Fuchs [Hg.]: Erinnern für die Zukunft. Ein Projekt zum Gedächtnis an die Mariahilfer Opfer des NS-Terrors. Wien: Echomedia-Verlag 2009, 281-298.
  • Georg Gänser, Organisationen und Vereine der Wiener NSDAP-Hitlerbewegung in ihrer Formierungsphase, in: Wiener Geschichtsblätter 71 (2016) 3, 183-190.

Einzelnachweise

  1. Neue Freie Presse, Montag, 19. Dezember 1932, Nr. 24522, S. 2. Ruhe für das Weihnachtsgeschäft! Der Bubenstreich am Goldenen Sonntag.
  2. Das Kleine Blatt, Montag, 19. Dezember 1932, Nr. 350, S. 1. Tränengasangriffe der Hakenkreuzler am Goldenen Sonntag.