Alliierte und die Wiener Verwaltung
Die Wiener Interalliierte Kommandantur, auf Englisch „Vienna Inter-Allied Command“ kurz VIAC, die aus den vier Besatzungsmächten bestand, wobei eine dieser die, sich turnusweise im selben Rhythmus abwechselnde, Vorsitzendenfunktion des Oberkommandierenden inne hatte, pflegte mit der Wiener Stadtverwaltung engen Kontakt, um einen reibungslosen Informationsaustausch und damit auch eine funktionierende Verwaltung zu gewährleisten. Die Kommunikation unterlag Vorschriften über die Form und die Informationserhebung die auch hin und wieder zu Streitigkeiten und Missverständnissen führten.
Kommunikationsablauf
Die VIAC holte im Auftrag einer der vier Besatzungsmächte, meist jedoch über die aktuell vorsitzende Besatzungsmacht, Informationen von der Wiener Stadtverwaltung ein, wobei die gesamte Korrespondenz nur an den Wiener Bürgermeister Theodor Körner gerichtet war, der sich auch das Recht vorbehielt, Anfragen des VIAC persönlich zu beantworten. Anfragen an die VIAC sollten im Prinzip ausschließlich über den Bürgermeister eingebracht werden. Auf Seiten der VIAC befassten sich Subkomitees mit inhaltlichen Belangen. Ende Februar 1946 wurden diese aufgelassen und dadurch eine direkte Interaktion des VIAC mit der Stadt und umgekehrt ermöglicht. Für außergewöhnliche Angelegenheiten gab es die Option spezieller Subkomitees. Außerdem gab es seitdem die beidseitige Pflicht der täglichen Berichterstattung der VIAC und des Bürgermeisters. Doch bereits Mitte März, also knapp einen Monat später, wurde dieser Beschluss widerrufen und die Subkomitees wurden in zwölf temporäre Kommissionen umgewandelt, welche mit der Interaktion der Wiener Stadtverwaltung betraut waren. Die direkte Kommunikation mit dem Oberkommandierenden wurde wieder auf Ausnahmefälle und nur durch den Bürgermeister beschränkt. Anfangs wurden noch banale Themen, wie der anstehende Wechsel des Oberkommandierenden mittgeteilt, bis sich dies eingespielt hatte, danach gab es meist nur mehr projektbezogene Anfragen und Mitteilungen.
Die zwölf temporären Kommissionen waren:
- Öffentliche Sicherheit
- Industrie, Handel und lokale Hilfsquellen
- Transporte – Betriebsstoffe
- Lebensmittelversorgung
- Wohnungswesen
- Güterkontrolle
- Finanzen
- Soziale Fürsorge
- Arbeiten – Öffentliche Dienstzweige
- Arbeit
- Volksgesundheit
- Brennmaterialien
Weitere Vorschriften für den Dienstverkehr mit der VIAC sahen vor, Abschriften für alle vier Besatzungsmächte in deren jeweiliger Sprache auszustellen und nicht mehr wie bisher dahin nur an die aktuell vorsitzende Besatzungsmacht. Dies war jedoch aufgrund fehlender Dolmetscher und dem stark erhöhten Verwaltungsaufwand nicht möglich, weswegen man sich darauf einigte, dass es reiche, wenn vier Abschriften in deutscher Sprache ausgegeben werden und jede Besatzungsmacht, diese für sich selbst übersetzt, statt wie bisher die VIAC alleine für alle vier. Ab dem 23. Mai 1947 wurden diese Abschriften weiter auf fünf Stück erhöht, jedoch gleichzeitig die Kommunikation etwas erleichtert, da es von nun an den Amtsführenden Stadträten wieder erlaubt war unter bestimmten Umständen, direkt mit der VIAC zu kommunizieren. Wichtige Verordnungen, Erlässe und Gesetze wurden von der VIAC oder den einzelnen Besatzungsmächten an die Stadt Wien übergeben, um diese über die Gewista in deutscher und der jeweilige Sprache der Besatzungsmacht in deren Besatzungszone als zwei- oder mehrsprachiger Anschlag an öffentlichen Orten aufzuhängen.
In rein deutscher Form mussten diese Mitteilungen binnen 48 Stunden über die städtische Rathauskorrespondenz und die Wiener Zeitungen veröffentlicht werden, wie z.B.:
- Wiener Kurier
- Kleines Volksblatt
- Arbeiterzeitung
- Neues Österreich
- Volksstimme
- Wiener Zeitung
Themen
Die inhaltlichen Themen worüber die VIAC mit der Wiener Stadtverwaltung korrespondiert waren mannigfaltig. Von der alltäglichen Verwaltung über Fortschrittsberichte diverser Nachkriegsarbeiten bis hin zu Notfallsituationen. Die wichtigsten Themen bildeten:
- Das Gesundheitswesen der Stadt, durch regelmäßige Vorgaben und Abfragen zu Hygiene- und Präventionsmaßnahmen, wie Trinkwasserreinigung, Impfungen gegen diverse Krankheiten, Entsorgung von Müll, um Seuchenherde zu minimieren und Strafen für Personen, die Müll verursachen oder diesen nicht richtig entsorgten.
- Die Lebensmittelversorgung der Stadt Wien durch Rationen der Besatzungsmächte und die Ausgabe gleichförmiger Lebensmittelkarten ab dem 24.06.1946, aber auch durch die Nutzung von Gärten und Parkanlagen durch die Bevölkerung, wofür Bürgermeister Körner selbst zum Oberkommandierenden Nikita Lebedenko zitiert wurde, um den Bericht über die Durchführung des Frühjahrsanbaues 1946 vorzutragen.
- Der Haushaltsplan für das Jahr 1947 mit der Verschlankung der Verwaltung und dem damit verbundenen Abbau von Personal zur Kostenreduzierung, sowie dem Energiebedarf der Stadt in Form von Strom und Brennmaterial, vor allem für den Winter.
- Die Wiederherstellung des öffentlichen Verkehrs und des Transportwesens, wobei jedoch der Kraftfahrzeugverkehr an Sonntagen auf ein Minimum reduziert werden sollte, um Fahrzeuge zu schonen und den Benzin verbrauch zu reduzieren. Außerdem auch die Erstellung von Stadtplänen mit Einträgen der Verkehrsbehinderungen in den Straßen durch Kriegsereignisse.
- Wiederaufbaumaßnahmen an Gebäuden und das Abtransportieren des Schuttes durch diverse Transportmittel wie LKW und auch Straßenbahnen. Bis 1.4.1947 wurden 41.224 leicht und schwer beschädigte Wohnungen wieder hergestellt.
- Wiederfreigabe von besetzten Gebäuden, die derzeit von den Besatzungsmächten anderweitig genutzt werden oder aus baulichen oder politischen Gründen nicht freigegeben werden.
- Die Freigabe diverser Messen, Feste, Kundgebungen und Umzügen, wobei es vor allem Sicherheitsbedenken durch Fremde oder zu viele Personen an einem Ort gab und der Aspekt der „Ressourcenverschwendung“ als Vorwand genutzt wurde.
- Auslandsreisen vom Bürgermeister und städtischer Organe, die erst freigegeben werden mussten.
- Die Entnazifizierung in der Gemeindeverwaltung, vor allem der Wiener Lehrer.
Streitpunkte
- Einer der häufigsten Streitpunkte bildete die Umgehung des Dienstwegs bei der Kommunikation mit der VIAC. So wendeten sich zum Teil verzweifelte Personen direkt an die VIAC, aber auch welche, denen der bürokratische Weg zu lange dauerte, wie z.B. der Leiter der Wiener Messe AG Bruno Marek. Auch Organisationen wie die Freie Österreichische Jugend, die der VIAC eine Einladung zu ihrem Jugendkongress 1946 direkt schickte, ohne davor überhaupt bei der Stadtverwaltung zur Genehmigung dieser Veranstaltung angesucht zu haben, verursachten Probleme. Zudem umgingen Personen, die direkten Kontakt mit den Truppen der Besatzungsmächte hatten, den vorgesehenen Amtsweg. So wandte sich die Gewerkschaft der freien Berufe an den VIAC, nachdem Schauspieler nach Theaterschluss auf deren Heimwegen von Soldaten der Besatzungsmächte angegriffen wurden, was diese jedoch der Wiener Polizei hätten melden müssen.
- Ein weiterer Punkt, der häufig zu Missverständnissen führte, war der magistratsinterne Geschäftsablauf und die Rechtsvertretung des Bürgermeisters oder der Stadt Wien bei Besprechungen mit den Besatzungsmächten vor Ort. So z.B. beim Schlachthof St. Marx, wo mit britischen Truppen über das Schlachten von Vieh verhandelt wurde, welche auf einen Vertreter des Magistrates gewartete hatten, der anwesende Veterinärdirektor sich jedoch nicht als solchen Vertreter vorstellte und es daher eine Beschwerde über einen mangelnden Geschäftsablauf gab. Ähnliche Beschwerden richteten sich sogar gegen führende Stadtorgane selbst, so wie gegen den Generaldirektor der Wiener Stadtwerke Johann Resch gegen den eine Untersuchung wegen Nichteinhaltung von Verwaltungsstrukturen, Problemen beim Einholen von Informationen und willkürliches Handeln ohne Einvernehmen mit dem VIAC eingeleitet wurde, die allerdings keine Verfehlungen feststellen konnte und daher wieder eingestellt wurde.
- Kompetenzstreitigkeiten der Besatzungsmächte untereinander wurden zum Teil auf dem Rücken der Stadtverwaltung ausgetragen. Ein britischer Kommandant rügte die Stadtverwaltung über die Nachlässigkeit in den Bezirken 22 bis 26, welche später wieder an Niederösterreich abgetreten wurden, worauf es eine sowjetisches Schreiben an den Bürgermeister gab, dass das britisches Schreiben ignoriert werden könne, da Niederösterreich nicht Teil der britischen, sondern der sowjetischen Zone sei und auch nicht dem Einfluss der VIAC unterliege. Eine ähnliche Konfrontation zwischen den britischen und den sowjetischen Kommandanturen gab es bezüglich der Getreidespeicher in Albern. Auch gab es Uneinigkeiten zwischen den Besatzungsmächten in Bezug auf den Wasserspiegel im Donaukanal, der nach sowjetischen Vorgaben angehoben werden sollte.
- Viele Diskussionen lieferte das Thema der Gebäudefreigaben. Einerseits intervenierte die VIAC gegen die Wiener Stadtverwaltung, wegen angeblicher verzögerter Abrisse von bedrohlich beschädigten Gebäuden. Andererseits intervenierte die Wiener Stadtverwaltung bei der VIAC wegen Besetzungen von Gebäuden, meist handelte es sich um die wenigen intakten und dringend benötigten Schulgebäude. Beschwerden gab es auch um Umbauarbeiten durch die Besatzungsmächte, ohne diese vorher mit der Stadtverwaltung abgesprochen zu haben.
- Das Alliierte Verbot, die Rückkehr von Kriegsgefangenen nicht zu feiern oder Demonstrationen abzuhalten, wurde nicht eingehalten. Durch Zeitungsartikel der Wiener Zeitung und der Arbeiterzeitung wurde die VIAC auf einige Feiern aufmerksam, die trotz dieses Verbotes stattgefunden hatten aufmerksam und beschwerte sich bei der Stadtverwaltung, welche darauf verwies, dass die Feiern durch Private veranlasste worden waren. Feierlichkeiten, wie z.B. Bälle, wurden von den Besatzungsmächten stark beschränkt, um Licht, Heizmaterial und Lebensmittel zu sparen. Auch dieses Verbot wurde umgangen, was zu Beschwerden der Alliierten führte.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, MD, Alliierte Verbindungsstelle, A1, Akten 1/46, 33/46, 34/46, 37/47, 57/47, 69/47
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, MD, Alliierte Verbindungsstelle, A1, Akten 8/46, 29/46, 48/46, 52/46, 55/46, 79/46, 97/46, 105/46, 158/46, 161/46, 172/46, 183/46, 188/46, 256/46, 260/46, 262/46, 339/46, 51/47
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, MD, Alliierte Verbindungsstelle, A1, Akten 16/46, 19/46, 38/46, 66/46, 90/46, 106/46, 112/46, 145/46, 162/46, 183/46, 225/46, 316/46, 337/46, 350/46
Literatur
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 5 f.
- Harald Knoll, Barbara Stelzl-Marx: Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission für Österreich. Struktur und Organisation. In: Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945-1955. Beiträge. Hg. von Stefan Karner, Barbara Stelzl-Marx (=Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, Sonderband 4), S. 179-217, hier: 181 f.
- Peter Fritz: Das alliierte Kontrollsystem in Österreich. In: "Österreich ist frei!" Der Österreichische Staatsvertrag 1955. Beitragsband zur Ausstellung auf Schloss Schallaburg 2005. Hg. von Stefan Karner, Gottfried Stangler. Wien: Verlag Berger 2005, S. 88-94, hier: 88 f.
- Manfried Rauchensteiner: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Graz: Styria-Reprint 1995, Anhang 1: Abkommen über die Alliierte Kontrolle in Österreich, 4. Juli 1945, S. 339 ff.
- Manfried Rauchensteiner: Die Wiener Interalliierte Kommandantur 1945-1955. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1939-1989. 34 (1978), S. 390 ff.
- Manfried Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975, S. 191 ff.