Ada Christen
Ada Christen (Pseudonym von Christiane von Breden), * 6. März 1839 Wien, † 19. Mai 1901 Wien, Schriftstellerin.
Biografie
Christiane Friederik (auch Friderik) wurde 1839 als Tochter des Wiener Kolonialwarenhändlers und Güterspediteurs Johann Friederik und dessen Frau Christine geboren. Ihr Vater wurde aufgrund seiner Teilnahme an der 1848er Revolution inhaftiert und starb an den Folgen des Gefängnisaufenthalts, woraufhin die Familie verarmte. Christiane musste wie ihre beiden Geschwister schon als Kind mit dem Nähen von Handschuhen zum Lebensunterhalt beitragen und erhielt geringe formale Bildung. Mit fünfzehn Jahren nahm sie Schauspielunterricht und spielte kleinere Rollen am Meidlinger Theater, von 1857 an war sie Teil einer wandernden Schauspieltruppe, die auf verschiedenen deutschsprachigen Bühnen der Habsburgermonarchie auftrat. In St. Pölten, Steyr und Cilli hatte sie professionelle Engagements. Um 1860 begann sie zu schreiben und erste Gedichte in Zeitungen zu publizieren (Pseudonyme Satanella, Ada Carla, Fridrik).
1864 heiratete sie den Stuhlrichter von St. Gotthard (Ungarn) Sigmund von Neupauer. Mitte der 1860er Jahre kehrte sie ohne diesen – getrennt oder manchen Quellen zufolge verwitwet – nach Wien zurück, wo sie wiederum in prekären finanziellen Verhältnissen lebte und angeblich als Animierdame in Nachtlokalen arbeitete. In Wien traf Christiane von Neupauer ihren Bekannten Ferdinand von Saar wieder, den sie bereits aus Schauspielschulzeiten kannte. Von Saar begeisterten ihre Gedichte und er fand einen Verlag dafür. Ihr Lyrikband "Lieder einer Verlorenen" erschien 1868 bei Hoffmann und Campe und wurde zum Erfolg, bis 1873 erschienen vier Auflagen. Die soziale Anklage der „Verlorenen“ provozierte das Bürgertum; die expliziten erotischen Darstellungen aus weiblicher Perspektive begründeten ihren Ruf als Skandalautorin. Ihre literarischen Texte wurden häufig als biographische Dokumente gelesen.
Den Namen Ada Christen, unter dem sie den Gedichtband publizierte und den sie später auch privat gebrauchte, setzte sie aus ihrem eigenen Vornamen und dem ihres Lebensgefährten Adalmar von Breden zusammen. Sie heiratete den verabschiedeten Rittmeister, Herausgeber der "Österreichisch-ungarischen Wehrzeitung" und der Zeitschrift "Der Kamerad" und Mitbegründer der Inzersdorfer Konserven, mit dem sie seit Jahren zusammenlebte, im Jahr 1873. In der gemeinsamen Wohnung im Palais Thurn-Valsassina (4., Rainergasse 22) unterhielt sie einen Salon, dem unter anderen Ludwig Anzengruber, Friedrich Hebbel, Ferdinand von Saar und Ludwig Ganghofer, aber auch die Maler Friedrich Amerling und Ernst Juch angehörten. Mit Ludwig Anzengruber war sie eng befreundet. Mit Theodor Storm stand sie in brieflichem Kontakt. Auch dem 1885 gegründeten Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, dem sie bis zu ihrem Tod als ordentliches Mitglied angehörte, stellte sie die Wohnung für Vereinsabende zur Verfügung.
Neben zwei weiteren Gedichtbänden veröffentlichte Ada Christen zwei Romane ("Ella", 1869 und "Jungfer Mutter", 1892), Dramen und zahlreiche, Novellen, Erzählungen und Skizzen, die häufig in der Wiener Vorstadt im Handwerkermilieu oder dem des deklassierten Bürgertums spielen und die mitunter als vor-naturalistisch bezeichnet werden. An den Erfolg des skandalträchtigen ersten Gedichtbandes konnten die späteren Veröffentlichungen nicht anschließen, doch die Literaturwissenschaft interessierte sich mehr für die Prosatexte als "Anfänge der sozialen Erzählung, lange vor dem Naturalismus"[1].
Um 1880 verlor Adalmar von Breden sein Vermögen und verließ die Konservenfabrik. Eine Gärtnerei in der Laxenburger Straße in Inzersdorf brachte dem Ehepaar schließlich wieder finanzielle Sicherheit. Ada Christens schon lange prekärer Gesundheitszustand – sie litt an "Bluthusten" (wohl Tuberkulose) und "Nervenfieber" – verschlechterte sich jedoch trotz Aufenthalten in wärmerem Klima zusehends, weshalb sie sich zunehmend aus der Gesellschaft zurückzog. Die letzten zehn Lebensjahre verbrachte sie in Inzersdorf am zur Gärtnerei gehörenden sogenannten "Einsamhof", wo sie 1901 starb.
Ada Christens Nachlass befindet sich an der Wienbibliothek im Rathaus. 1968 wurde die Ada-Christen-Gasse im 10. Wiener Gemeindebezirk nach ihr benannt.
Werke (Auswahl)
- Ada Christen: Das Loch in der Wand. Posse mit Gesang in 1 Act. Berlin: Guthschmidt u. Heinrich 1860
- Ada Christen: Die Häuslerin. Volksstück in 4 Aufzügen. München: Deschler 1867
- Ada Christen: Lieder einer Verlorenen. Hamburg: Hoffmann & Campe 1868
- Ada Christen: Aus der Asche. Neue Gedichte. Hamburg: Hoffmann & Campe 1870
- Ada Christen: Faustina : Drama in 5 Akten. Wien: Jacob Dirnböck 1871
- Ada Christen: Vom Wege. Skizzen. Hamburg: Hoffmann & Campe 1874
- Ada Christen: Aus dem Leben. Skizzen. Leipzig: Ernst Julius Günther 1876
- Ada Christen: Aus der Tiefe. Neue Gedichte. Hamburg: Hoffmann & Campe 1878
- Ada Christen: Unsere Nachbarn. Neue Skizzen. Dresden [u.a.]: Minden 1884
- Ada Christen: Jungfer Mutter. Eine Wiener Vorstadtgeschichte. Dresden [u.a.]: Minden 1892
- Ada Christen: Ausgewählte Werke. Gedichte, Erzählungen. Hg. und mit Einl. vers. von W. A. Hammer. Wien [u.a.]: Prochaska 1911
- Ada Christen: Geschichten aus dem Haus "zur blauen Gans". Wien 1929
- Ada Christen: Das Haus zur Blauen Gans. Erzählungen und Gedichte. Hg. von Hanna-Heide Kraze. Berlin: Union-Verl. 1964
- Ada Christen: Käthes Federhut. Eine Geschichte aus der Blauen Gans. Wien: Ed. Mokka 2011
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Nachlass Ada Christen
- Wienbibliothek Digital: Ada Christen
- Matricula-Online: Pfarre Alservorstadt, Taufbuch 18, fol. 372
Literatur
- Marianne Baumgartner: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1885–1938). Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2015, S. 358
- Sigrid Schmid-Bortenschlager: Ada Christens soziale Topographie Wiens. In: Arno Dusini / Karl Wagner [Hg.]: Metropole und Provinz in der österreichischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Beiträge des 10. Österreichisch-Polnischen Germanistentreffens Wien 1992. Zirkular, Sondernummer 41, September 1994, S. 89–101
- Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
- Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
- Aufbruch in das Jahrhundert der Frau? Rosa Mayreder und der Feminismus in Wien um 1900. 21. September bis 21. Jänner 1990. [Wien]: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1989 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 125), S. 216
- Die Frau im Korsett. Wiener Frauenalltag zwischen Klischee und Wirklichkeit 1848 - 1920. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten, 14. April 1984 - 10. Februar 1985. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1984 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 88), S. 213
- Bernhard Denscher: Ada Christen. In: Wien aktuell magazin 6 (1983), S. XXII f.
- Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972
- Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
- Rudolf Baldrian: Eine Wiener Dichterin im Meidlinger Theater. In: Wiener Zeitung, 27.03.1955
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd. (falsches Geburtsdatum)
- Rathaus-Korrespondenz, 17.05.1951
- Margarethe Rabitsch: Ada Christen. Diss. Univ. Wien. Wien 1939
- Melanie Lebner: Ada Christen. Eine Monographie. Diss. Univ. Wien. Wien 1933
- E. Behr: Ada Christen. Ihr Leben und ihre Werke. Diss. Univ. Wien. Wien 1922
- Anton Bettelheim [Hg.]: Führende Geister. Eine Sammlung von Biographien. Band 7. Berlin: Hofmann 1894, S. 393
- Ludwig Eisenberg: Das geistige Wien. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon. Mittheilungen über Wiener Architekten, Bildhauer, Bühnenkünstler, Graphiker, Journalisten, Maler, Musiker und Schriftsteller. Band 1, 2/1. Wien: Daberkow 1889-1892 ff.
Ada Christen im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
Referenzen
- ↑ Sigrid Schmid-Bortenschlager: Ada Christens soziale Topographie Wiens. In: Arno Dusini / Karl Wagner [Hg.]: Metropole und Provinz in der österreichischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Beiträge des 10. Österreichisch-Polnischen Germanistentreffens Wien 1992. Zirkular, Sondernummer 41, September 1994, S. 89–101