Christian Broda

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Daten zur Person
Personenname Broda, Christian
Abweichende Namensform
Titel Dr. phil., Dr. iur.
Geschlecht männlich
PageID 8582
GND 118515632
Wikidata Q89372
Geburtsdatum 12. März 1916
Geburtsort Wien
Sterbedatum 1. Februar 1987
Sterbeort Wien
Beruf Jurist, Politiker
Parteizugehörigkeit Sozialistische Partei Österreichs
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage, Gedenktage-GW
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Letzte Änderung am 22.01.2024 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 14 C, Nummer 54
Ehrengrab Ehrengrab
  • 1., Schottengasse 4 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Mitglied des Bundesrates (28.06.1957 bis 09.06.1959)
  • Abgeordneter zum Nationalrat (09.06.1959 bis 18.05.1983)
  • Bundesminister für Justiz (23.06.1960 bis 19.04.1966)
  • Bundesminister für Justiz (21.04.1970 bis 24.05.1983)
  • Präsident des Auto-, Motor- und Radfahrerbundes Österreich (1962 bis 1987)

  • Menschenrechtspreis des Europarates (Übernahme: 28. Jänner 1987)
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich (Verleihung: 17. Februar 1965)

Christian Broda, * 12. März 1916 Wien, † 1. 2. 1987 Wien, Jurist, Politiker.

Biografie

Christian Broda war der Sohn des auch publizistisch tätigen Staatsbeamten und späteren Rechtsanwalts Ernst Broda und der Schauspielerin Viola Broda, geb. Pabst. Sein Onkel war der Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Engelbert, der später Chemiker wurde, wuchs er in einem weltoffenen bürgerlichen Milieu auf, in dem unter anderen sein (evangelischer) Taufpate, der Rechtswissenschaftler Hans Kelsen, oder der Sozialphilosoph Max Adler verkehrten.

Nach dem Besuch der Volksschule besuchte er das Akademische Gymnasium, wo der Kulturwissenschaftler Friedrich Heer sein Mitschüler war. Unter dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Juli 1927 schloss er sich der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler an, später der kommunistischen Jugendbewegung. Kurz vor der Matura wurde er im Februar 1934 wegen “kommunistischer Betätigung“ verhaftet und musste eine Haftstrafe abbüßen. Zum Studium aus politischen Gründen vorerst nicht zugelassen, konnte er im Wintersemester 1936/1937 an der Universität Wien Geschichte und Rechtswissenschaften inskribieren. Gleichzeitig gehörte er einer kommunistischen Widerstandsgruppe an.

Nach dem Abschluss seines Geschichtestudiums mit der Dissertation im Mai 1940 wurde Broda zur Wehrmacht einbezogen, wo er 1943 von einem Militärgericht wegen “Unterlassung der Anzeige einer hochverräterischen Unternehmung“ zu mehreren Monaten Haft verurteilt wurde. Noch vor Kriegsende im Mai 1945 schloss er sich im Innviertel der “Österreichischen Freiheitsbewegung“ an. Bei den Nationalratswahlen 1945 unterstützte er noch die KPÖ, brach aber wenig später mit ihr wegen deren antidemokratischen Tendenzen.

Nach kurzer beruflicher Tätigkeit in der administrativen Bibliothek des Bundeskanzleramtes promovierte er im März 1947 zum Dr. iur. und legte im Oktober 1948 die Rechtsanwaltsprüfung ab. Schon kurz darauf eröffnete er eine eigene Kanzlei. Zu seinen Klienten gehörten unter anderen Herbert von Karajan oder Hans Weigel. Über die Vereinigung Sozialistischer Juristen stieß er zur Mitarbeit in der Sozialistischen Partei Österreichs, die ihn im Juli 1957 in den Bundesrat entsandte. Im Juni 1959 wechselte er in den Nationalrat, dem er ohne Unterbrechung bis Mai 1983 angehörte.

Im Juni 1960 wurde Christian Broda zum Justizminister bestellt. Das große Projekt einer Strafrechtsreform konnte mangels Konsens in der Koalitionsregierung nicht vollendet werden. Stattdessen gelang es ihm, kleinere Vorhaben wie das Jugendgerichtsgesetz, das Richterdienstgesetz oder das Aktiengesetz umzusetzen. In dieser Zeit geriet der Minister in scharfen Gegensatz zu Franz Olah, dem er Pragmatismus und Ideologielosigkeit vorwarf. Am Höhepunkt der parteiinternen Krise eröffnete die Kronen Zeitung eine Diffamierungskampagne gegen Broda.

Während der ÖVP-Alleinregierung 1966 bis 1970 wandte sich der Jurist wieder verstärkt seiner Rechtsanwaltskanzlei zu. Nach dem SPÖ-Wahlsieg 1970 wurde er erneut Justizminister und behielt diese Funktion bis zum Ende der Alleinregierung im Mai 1983. In seine zweite Amtszeit fallen die Reform des Familienrechts (Beseitigung der rechtlichen Diskriminierungen unehelicher Kinder, Reform des Ehe- und Scheidungsrechts), die “Kleine Strafrechtsreform“ 1971, unter anderem mit der Entkriminalisierung der Homosexualität unter Erwachsenen und die “Große Strafrechtsreform“ 1975, die Freiheitsstrafen reduzierte, Alternativen zu dieser ermöglichte, bedingte Verurteilungen ausweitete und die Bewährungshilfe ausbaute. Weitere Initiativen Brodas galten dem Mietrecht, Medienrecht, Sachwalterrecht und der Sozialgerichtsbarkeit. Die so genannte “Fristenlösung“ (Straffreiheit der Abtreibung bis zu einem gewissen Stichtag der Schwangerschaft) brachte ihn in scharfen Gegensatz zu Opposition und Kirche.

Kritik an Broda gab es aber auch – etwa von Simon Wiesenthal – wegen dessen ausgeprägter Toleranz gegenüber NS-Verbrechen. Eine fundierte Aufarbeitung der NS-Vergangenheit amtierender Richter und Staatsanwälte wurde von ihm trotz mehrerer Aufforderungen mit dem Argument “Die Republik hat einen Schlussstrich gezogen!“ nicht betrieben. Anfang der 1980er Jahre schützte der Justizminister den NS-Arzt und Parteifreund Heinrich Gross massiv, so dass kein Verfahren eröffnet wurde.

Auch nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung blieb Christian Broda politisch aktiv und widmete sich insbesondere Fragen des Asyl- und Menschenrechts und der weltweiten Ächtung der Todesstrafe. 1987 erhielt er den Menschenrechtspreis des Europarates.

Von 1962 bis 1987 bekleidete er auch die Funktion des Präsidenten des ARBÖ. Er ist Verfasser zahlreicher rechts- und gesellschaftspolitischer Schriften und Aufsätze.

Siehe auch Christian-Broda-Bildungsheim; Christian-Broda-Platz.

Quellen

Literatur

  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 271 f.
  • 200 Jahre Rechtsleben in Wien. Advokaten, Richter, Rechtsgelehrte. 21. November 1985 bis 9. Februar 1986. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 96), S. 166
  • Béla Rásky: Christian Broda. In: Herbert Dachs / Peter Gerlich / Wolfgang C. Müller [Hg.]: Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik. Wien: Manz 1995, S. 87 ff.
  • Christian Broda zum Gedenken. Wien: Selbstverlag 1987
  • Michael Neider [Hg.]: Christian Broda zum 70. Geburtstag. Wien: Deuticke 1986
  • Maria Wirth: Christian Broda. Eine politische Biographie. Göttingen: V&R Unipress 2011
  • Josef Cap: Christian Broda. Gedenken und Ausblick. Wien: ÖGB-Verlag 2012

Weblinks