Engelbert Dollfuß

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Engelbert Dollfuß
Daten zur Person
Personenname Dollfuß, Engelbert
Abweichende Namensform
Titel Dr.
Geschlecht männlich
PageID 7209
GND 118526561
Wikidata Q11734
Geburtsdatum 4. Oktober 1892
Geburtsort Texing, Bezirk Melk, Niederösterreich
Sterbedatum 25. Juli 1934
Sterbeort Wien
Beruf Politiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Zwischenkriegszeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 2.12.2022 durch WIEN1.lanm09was
Begräbnisdatum
Friedhof Hietzinger Friedhof
Grabstelle Gruppe 27, Nr. 12
Bildname Engelbertdollfuss.jpg
Bildunterschrift Engelbert Dollfuß
  • 1., Ballhausplatz 2 (Sterbeadresse)
  • 1., Stallburggasse 2 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Bundeskanzler (20.05.1932 bis 25.07.1934)
  • Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (18.03.1931 bis 20.05.1932)

Engelbert Dollfuß , * 4. Oktober 1892 Texing, Bezirk Melk, Niederösterreich, † 25. Juli 1934 (ermordet), Hietzinger Friedhof, Wien 1, Ballhausplatz 2 (Bundeskanzleramt; zuletzt wohnhaft 1, Stallburggasse 2), Bundeskanzler.

Biografie

Aus ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen stammend, besuchte Dollfuß das Hollabrunner Bundesgymnasium (Matura 1913), studierte Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Wien und Berlin, war gleichzeitig im Cartellverband tätig und schloss seine Studien (nach ab 1914 freiwillig geleistetem Frontdienst) 1920 ab (Dr.). Zunächst Sekretär des Niederösterreichischen Bauernbunds, wurde Dollfuß 1927 Direktor der von ihm mitorganisierten Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer und erfreute sich als Agrarfachmann internationalen Ansehens. Durch die Christlichsoziale Partei erlangte er hohe Staatsämter (1931 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, 20. Mai 1932 [nach dem Scheitern einer Koalitionsregierung] Bundeskanzler).

Als Kanzler auf eine minimale parlamentarische Mehrheit gestützt, unternahm Dollfuß mit Hilfe ausländischer Anleihen (Lausanne, 30. August 1932) und in Kooperation mit dem faschistischen Italien Benito Mussolinis den Versuch, sich gleichermaßen gegen Großdeutsche und Sozialdemokraten durchzusetzen. Nach der "Selbstausschaltung" des Nationalrates am 5. März 1933 baute er (gestützt auf das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz 1917, mit dessen Hilfe er zwischen dem 15. März 1933 und dem 26. Jänner 1934 nicht weniger als 15 besonders die Stadt Wien benachteiligende Notverordnungen erließ, die dem städtischen Finanzressort mehr als 100 Millionen Schilling entzogen) ein autoritär-ständisches Staatswesen mit ausgeprägt klerikal-faschistischen Tendenzen auf. Am 7. März 1933 proklamierte er die autoritäre Führung der Staatsgeschäfte, die zu einem Kampf um die Erhaltung der Demokratie in Wien führte (eingeleitet durch eine Verordnung des Staatssekretärs Emil Fey, die ein allgemeines Versammlungsverbot aussprach und die Presseorgane der Opposition unter Vorzensur stellte); trotz einer offensichtlich sich steigernden Verschärfung der politischen Gangart (vor allem durch Ernst Rüdiger Starhemberg) verabsäumte es die Opposition (Otto Bauer), die ihr zu Gebote stehenden Kampfmittel (Generalstreik) rechtzeitig einzusetzen. Dollfuß gründete 1933 die "Vaterländische Front", die er zur staatstragenden politischen Organisation ausbaute, verbot im selben Jahr den sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund, die Kommunistische Partei und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei sowie (nach den Februarkämpfen 1934) auch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei mit allen ihren Nebenorganisationen (auch jenen, die sich ausschließlich mit Kultur und Sport befassten).

Wiener Zeitung vom 25. Juli 1934.

Am 12. Februar 1934 übertrug Dollfuß nach der Verhaftung des demokratischen gewählten Wiener Bürgermeisters Karl Seitz die Verwaltung der Stadt Wien dem von ihm bestellten Bundeskommissär Richard Schmitz, der am 7. April 1934 zum Bürgermeister ernannt wurde. Am 30. April 1934 löste Dollfuß das bis dahin formal noch bestehende Parlament endgültig auf, am 1. Mai proklamierte er die von allen demokratischen Relikten gesäuberte berufsständisch-autoritäre Verfassung. 1934 schloss Dollfuß mit dem Vatikan ein Konkordat; durch die im selben Jahr abgeschlossenen "Römischen Protokolle" räumte er Mussolini entscheidenden Einfluss auf die österreichische Innen- und Außenpolitik ein.

Während eines nationalsozialistischen Putschversuchs wurde Dollfuß am 25. Juli 1934 im Bundeskanzleramt von Otto Planetta erschossen. Er wurde in einem Sarkophag in der Krypta der Neufünfhauser "Christus-König"-Pfarrkirche beigesetzt (15., Vogelweidplatz 7; errichtet über Betreiben von Hildegard Burjan als Begräbniskirche für Ignaz Seipel, Weihe 29. September 1934; seither Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche benannt); die Nationalsozialisten veranlassten 1938 die Überführung des Sargs auf den Hietzinger Friedhof.

Dollfuß hatte der Kirche eine "Pietà" des kriegsblinden italienischen Künstlers Masuelli gespendet. Gedenktafel im Justizpalast (von Clemens Holzmeister, 1936).

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. München: A. Francke 1973-1975
  • Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Lucile Dreidemy: Der Dollfuß-Mythos. Eine Biographie des Posthumen. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2014.
  • Johannes Messner: Dollfuß. Innsbruck / Wien [u.a.]: Tyrolia 1935
  • Gerhard Jagschitz: Ideologie und Politik im Werdegang Engelbert Dollfuß'. In: Bericht über den zwölften Österreichischen Historikertag in Bregenz, veranstaltet vom Verband Österreichischer Geschichtsvereine in der Zeit vom 2. bis 5. Oktober 1973. Wien 1974, S. 82 ff.
  • Gerhard Jagschitz: Die Jugend des Bundeskanzlers Dr. Engelbert Dollfuß. Diss. Univ. Wien. Wien 1968
  • James William Miller: Engelbert Dollfuß als Agrarfachmann. Eine Analyse bäuerlicher Führungsbegriffe und österreichischer Agrarpolitik 1918-1934. Wien [u.a.]: Böhlau 1989 (Böhlaus zeitgeschichtlichliche Bibliothek, 10)
  • Guido Zernatto: Die Wahrheit über Österreich. New York, NY [u.a.]: Longmans, Green 1938
  • Gordon Brook-Shepherd: Engelbert Dollfuß. Graz / Wien [u.a]: Verlag Styria 1961
  • Irmgard Bärnthaler: Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation. Wien [u.a.]: Europa-Verlag 1971, Register
  • Anton Pelinka: Stand oder Klasse? Die christliche Arbeiterbewegung Österreichs 1933-1938. Wien [u.a.]: Europa-Verlag 1972, Register
  • Helga Konrad: Dollfuß's Verfassungsexperiment im Lichte der europäischen Presse. Diss. Univ. Graz. Graz 1970
  • Dieter Anton Binder: Dollfuß und Hitler. Diss. Univ. Graz. Graz 1979
  • Ernst Rüdiger Starhemberg: Memoiren. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1971
  • Franz Goldner: Dollfuß im Spiegel der US-Akten. Aus den Archiven des Secretary of State, Washington - bisher unveröffentlichte Berichte der US-Botschaften Wien, Berlin, Rom, London, Paris, Prag. St. Pölten: Verlag Niederösterreichisches Pressehaus 1979
  • Gerhard Botz: Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstösse, Putschversuche, Unruhen in Österreich 1918 bis 1938. München Fink ²1983, S. 266 ff.
  • Lucian O. Meysels: Morde machen Geschichte. Politische Gewaltakte im 20. Jahrhundert. Wien / München: Herold 1985, S. 181 ff.
  • Österreichische Woche 2 (1934), Nummer 31
  • Das Interessante Blatt 53 (1934), Nummer 31
  • Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 218
  • 200 Jahre Rechtsleben in Wien. Advokaten, Richter, Rechtsgelehrte. 21. November 1985 bis 9. Februar 1986. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 96), S. 264
  • Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 89
  • Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972