Christoph Anton Migazzi

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Christoph Anton Migazzi, Portraitgemälde, Erzdiözese Wien.
Daten zur Person
Personenname Migazzi, Christoph Anton von
Abweichende Namensform
Titel Graf, Geheimer Rat, Kardinal
Geschlecht männlich
PageID 4564
GND 118582313
Wikidata Q79156
Geburtsdatum 14. Oktober 1714
Geburtsort Trient
Sterbedatum 14. April 1803
Sterbeort Wien
Beruf Bischof, Priester, Diplomat
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert, Erzdiözese Wien, Diözesanregulierung, Maria Theresia, Joseph II.
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 10.11.2023 durch DYN.krabina
Begräbnisdatum
Friedhof Stephansdom
Grabstelle Nordchor
Bildname Migazzi eb Gemälde AS bearb.jpg
Bildunterschrift Christoph Anton Migazzi, Portraitgemälde, Erzdiözese Wien.
  • 1., Rotenturmstraße 2 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Wappen von Kardinal Migazzi, 1792.

  • Gesandter in Spanien (1752 bis 1756)
  • Koadjutor des Bischofs von Waitzen (03.1756 bis 18.03.1757)
  • Fürsterzbischof von Wien (18.03.1757 bis 14.04.1803) Namensgeber des Migazziplatzes
  • Gründer des Wiener Priesterseminars (1758)
  • Vorsitzender der Studienhofkommission des Wiener Priesterseminars (1758 bis 1774)

Migazzi Christoph Anton Graf, * 14. Oktober 1714 Trient (Trento, Italien), † 14. April 1803 Wien 1, Rotenturmstraße 2 (Erzbischöfliches Palais; nördliches Chorschiff von St. Stephan), Fürsterzbischof von Wien, Kardinal.

Werdegang

Christoph Anton Graf Migazzi wurde am 14. Oktober 1714 in Trient als Sohn des kurz vor seiner Geburt verstorbenen Regierungsrates Vinzenz Graf Migazzi geboren. Die elementare Schulbildung erhielt er in Salzburg. Im Jahr 1723 gelangte er als Page an den Hof des Fürstbischofs und Kardinals Joseph Dominikus Lamberg nach Passau und absolvierte dann die theologischen Studien in Rom. Seine Priesterweihe empfing er am 7. April 1738.

Im Jahr 1740 begleitete er Kardinal Lamberg nach Rom ins Konklave, schloss dort sein Doktorat in Kirchenrecht ab und begann ab 1741 eine Karriere an der Rota Romana, dem Gerichtshof der Römischen Kurie. Höhepunkt war die Ernennung zum Auditor Deutscher Nation durch Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen im Jahre 1745. In dieser Stellung begann er geschickt, Spannungen zwischen Wien und Rom auszugleichen. Inzwischen war er auch Domkapitular in Trient (1742) und Prior von Klöstern in Borghetto und Valsugama geworden.

Die Weihe zum Bischof erfolgte am 10. Oktober 1751 in Rom. Obwohl er bereits zum Koadjutor des Erzbischofs von Mechelen in den Niederlanden bestimmt worden war, wurde aber noch vor Antritt dieser Stellung von Maria Theresia (nach Ernennung zum kaiserlichen Geheimrat) als kaiserlicher Diplomat nach Spanien entsandt. Dort war er bis 1756 tätig und verhinderte erfolgreich die von den österreichischen Habsburgern unerwünschte politische Annäherung Spaniens an Frankreich.

Am 28. August 1756 wurde er durch Maria Theresia für die Administration des ungarischen Bistums Waitzen (Vác) nominiert.

Fürsterzbischof von Wien

Am 15. März 1757 wurde Migazzi zum Fürsterzbischof von Wien nominiert und am 23. Mai desselben Jahres installiert. Die feierliche Inthronisation erfolgte am 18. September 1757.

Im Jahr 1761 wurde er, als Akt der Wertschätzung Maria Theresias für ihn und sein Wirken, durch Papst Clemens XIII. zum Kardinal erhoben. Die Kreation erfolgte am 23. November 1761 (Titelkirche: Santi Quattro Coronati).

In Migazzis langer Amtszeit (er wirkte unter vier Kaisern und fünf Päpsten) vollzogen sich vielschichtige kirchen- und gesellschaftspolitische Veränderungen. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte zu jenen unruhigen Zeiten, in denen sich das aufklärerische Staatskirchentum herausbildete.

Seine Amtszeit lässt sich in drei Perioden gliedern: (1.) die Zeit Maria Theresias, (2.) die Reformen Josephs II. und (3.) die Jahre nach dem Tod Josephs II.

Zeit Maria Theresias

Als Migazzi als Vertrauensmann der Kaiserin an die Spitze der Diözese trat, hatte Maria Theresia die Umgestaltung des Habsburgerreiches zu einem zentral geleiteten, modernen und effizienten Staat schon begonnen. Unter ihrer Ägide konnte Migazzi an der österreichischen Kirchenpolitik aktiven Anteil nehmen und trug die von der Kaiserin eingeleiteten Maßnahmen anfänglich bereitwillig mit. Die ersten diesbezüglichen Dekrete Maria Theresias betrafen das Leben in den religiösen Gemeinschaften und Klöstern. So wurde dem päpstlichen Nuntius die Aufsicht über die Klöster entzogen.

Als Vorsitzender der Studienhofkommission (bis 1774) arbeitete der Fürsterzbischof in der Kirchenpolitik eng mit den Staatsbehörden zusammen. Deren Einfluss und Macht wusste er mit diplomatischem Geschick für die Durchsetzung von kirchlichen Interessen in religiösen und gesellschaftspolitischen Bereichen zu nutzen. Migazzis Reformbereitschaft endete, als die Kaiserin kirchlichen Besitz stärker besteuerte und Eingriffe in innerkirchliche Angelegenheiten vornahm, die auch zu Konflikten mit der römischen Kurie führten. Ab 1774 musste Migazzi den Vorsitz der Studienhofkommission zurücklegen, womit jegliches kirchliche Mitspracherecht auf dem Gebiet des höheren Schulwesens verlorenging.

Zeit Josephs II.

Unter Kaiser Joseph II., der versuchte, das kirchliche Leben nach seinen Vorstellungen von Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit umzugestalten, wurde der Einfluss von Bischof Migazzi konsequent ausgeschaltet. Durch den Eingriff in viele kirchliche Belange schöpfte der Kaiser die staatliche Kirchenhoheit voll aus:

  • Zur Durchführung seiner Reformvorhaben gründete Joseph II. im Jahr 1782 die Geistliche Hofkommission und noch im selben Jahr den Religionsfonds. Aus dessen Mitteln wurde die Neugründung vieler Pfarren (ca. 170) und die Abdeckung ihrer Bedürfnisse möglich.
  • Joseph II. hob die kontemplativen Klöster auf (ca. 700 Ordenshäuser und 15.000 Ordensleute in den Ländern der österreichischen Monarchie waren betroffen, allein in Wien und NÖ waren es ca. 70) und transferierte deren Vermögen an den Religionsfonds. Die Konventsmitglieder wurden zum Teil in der Pfarrseelsorge eingesetzt.
  • Er schaffte die Klosterstudien ebenso ab wie die regulären Abtwahlen. Stattdessen wurden kaisertreue Kommendataräbte aus dem Weltpriesterstand eingesetzt.
  • Migazzis Schriftverkehr mit der römischen Kurie ließ er staatlich beaufsichtigen.
  • In einem Dekret vom 30. März 1783 beschloss Joseph II. die Verlegung der Priesterausbildung, sodass das von Migazzi 1758 gegründete erste bischöflichen Wiener Priesterseminar ebenso aufgehoben wurde wie die theologischen Hauslehranstalten an Klöstern. Stattdessen wurden Generalseminarien errichtet, deren Vorstehung, Studienpläne und Bibliotheken staatlich vorgeschrieben und kontrolliert wurden.
  • Veranlasst durch Kaiser Joseph II. musste Migazzi sein Bischofsamt in Waitzen (Vác, Ungarn) 1786 zurücklegen.
  • Joseph II. erließ zahllose Verordnungen, die das religiöse Leben bis ins kleinste Detail zu reglementieren suchten (gesetzliche Regelung der Anzahl der Kerzen auf dem Altar, Inhalt und Länge der Predigten, Gestaltung des Breviergebets, Einschränkung der Anzahl von Wallfahrten und Prozessionen, Verbot von Bruderschaften, Reduzierung der Anzahl der Feiertage).
  • Im Jahr 1785 erfolgte unter Joseph II. die Neuumschreibung des Erzbistums Wien sowie dessen Vergrößerung durch die Eingliederung von Teilen des Passauer und Wiener Neustädter Bistums ohne jegliche gestaltende Einflussmöglichkeit durch Migazzi.

Neue Grenzen für die Erzdiözese Wien

Mit der Neugestaltung der diözesanen Struktur (sogenannte Diözesanregulierung) glich Joseph II. die kirchlichen Grenzen den staatlichen an und schaltete jeglichen Einfluss einer ausländischen Diözesangewalt aus. Der mehrstufige Vorgang der Diözesanregulierung endete mit der Gründung zwei neuer Diözesen: Linz mit Oberösterreich als Diözesangebiet und St.Pölten mit den Vierteln Ober dem Manhartsberg und Ober dem Wienerwald, die 1782/1783 von Passau losgelöst wurden. Beide Diözesen wurden der Wiener Kirchenprovinz unterstellt.

Wien bekam in den Jahren 1782/1783 das Viertel Unter dem Manhartsberg von Passau sowie jene Pfarren, die 1782 von Salzburg an die damalige Diözese Wiener Neustadt überstellt wurden. Wiener Neustadt verlor am Ende des Umgestaltungsprozesses seinen diözesanen Status. Ebenso erhielt Wien fünf Pfarren der ungarischen Diözese Raab. Die Erzdiözese Wien war nun durch die Strukturreform und die Gründung neuer Pfarren von 186 auf 513 Pfarren angewachsen.

Am 4. Juli 1784 musste über kaiserliche Anordnung zwischen Wien und Passau ein Vertrag geschlossen werden, demzufolge Passau auf seine Diözesanrechte in Österreich verzichtete; am 28. Jänner 1785 wurden von Pius VI. zwei Bullen unterzeichnet, denen zufolge die Bistümer St. Pölten und Linz errichtet wurden.

Zeit Kaiser Leopolds II.

Unter Kaiser Leopold II. konnte Migazzi die gravierendsten Änderungen, die durch Joseph II. vorgenommen worden waren, wieder rückgängig machen. So wurden auch das diözesane Priesterseminar und die klösterlichen Studienanstalten wiederhergestellt. Landesfürstliche Verordnungen mussten nicht mehr von der Kanzel verlesen werden. Das staatskirchenrechtliche System, wonach Kirche und Schule unter staatlichem Einfluss verblieben, konnte Migazzi nicht wieder beseitigen. Auch die staatlich reglementierte Gottesdienstordnung, die sogenannte “Allgemeine Andachtsordnung” blieb aufrecht.

Zeit Franz II. (I.)

Auch unter Kaiser Franz II. (I.) erfolgte kein prinzipieller Systemwechsel. Dieser versuchte zwar, kirchliche Angelegenheiten wohlwollend zu fördern, in seiner langen Herrschaft (1792-1832) konnte sich das josephinische Staatskirchentum aber stabilisieren und blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ungebrochen bestehen, da es von den Pfarrern, die sich nun auch als Staatsbeamte verstanden, mitgetragen wurde.

Am 10. Oktober 1801 konnte Migazzi das seltene Jubiläum der 50. Wiederkehr der Übernahme des Bischofsamts begehen.

Bautätigkeiten

Fürsterzbischof Migazzi förderte Bau, Restaurierung und Erweiterung von Kirchengebäuden und zahlte dies teils auch aus eigenen Mitteln. 1783 ließ er auf eigene Kosten die von Andreas Fischer konzipierte Atzgersdorfer Pfarrkirche erbauen. Während seiner Amtstätigkeit in Ungarn verhalf er Isidore Canevale zum beruflichen Durchbruch.

Tod

Migazzi konnte 1801 noch sein fünfzigjähriges Bischofsjubiläum feiern. Er starb am 14. April 1803 an einem Schlaganfall und wurde im Stephansdom im Chor des rechten Seitenschiffes neben dem Grabmal Friedrichs III. beigesetzt.

Siehe auch

Quellen

Diözesanarchiv Wien, Bischofsakten.

Weblinks

Literatur

  • Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, Register
  • Peter Csendes [Hg.]: Österreich 1790-1848. Kriege gegen Frankreich, Wiener Kongreß, Ära Metternich, Zeit des Biedermeier, Revolution von 1848. Das Tagebuch einer Epoche. Wien: Brandstätter 1987, S. 63
  • Döbling. Eine Heimatkunde des 19. Wiener Bezirkes in drei Bänden. Hg. von Döblinger Lehrern. Wien: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft "Heimatkunde Döbling" 1922, S. 152
  • Erwin Gatz: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon. Band 2: 1648 bis 1803. Berlin: Duncker & Humblot 1990
  • Karl Hilscher: Meidling. Wiens 12. Gemeindebezirk. Wien: Jugend & Volk 1923, S. 260
  • Joseph Kopallik: Regesten zur Geschichte der Erzdiözese Wien. Band 1: Regesten zur Geschichte der aufgehobenen Klöster Wiens. Wien 1890, Nr. 1-1014
  • Franz Loidl: Geschichte des Erzbistums Wien. Wien: Herold, 1983, S. 142, 145, 147-149, 171, 197-198, 200
  • Franz Loidl / Martin Krexner: Wiens Bischöfe und Erzbischöfe. Vierzig Biographien. Wien: Schendl 1983, S. 66f.
  • Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 31
  • Ernst Tomek: Das Zeitalter der Aufklärung und des Humanismus. Innsbruck - Wien - München: Tyrolia 1959 (Kirchengeschichte Österreichs 2), S. 355-362, 434-474, 489-490, 509-511, 525-526, 535
  • Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970, S. 15 f., S. 21 (Anm. 7), S. 26 f.
  • Wetzer und Welte's Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hülfswissenschaften. Band 8: Literae apostolicae bis Mythologie. Freiburg <Breisgau>: Herder ²1882, Sp. 1508-1510
  • Josef Wodka: Kirche in Österreich. Wegweiser durch ihre Geschichte. Wien: Herder 1959, S. 298, 302, 313
  • Coelestin Wolfsgruber: Christoph Anton Kardinal Migazzi. Fürsterzbischof von Wien. Saulgau: Kitz 1890